Two in Isolation. Linn Marie Flow
Leberschaden. Transport in eine Spezialklinik in einer anderen Stadt, weitere OPs, Diagnose: Gallengangsatresie, seltene Erkrankung, 1 von 15 000 Kindern, Ursache unbekannt. Weitere Operationen, die Leber war jedoch schon zu sehr zerstört. Keine Zeit, auf ein Organ zu warten. Sechs Wochen später Lebertransplantation.
Glück im Unglück: Ich konnte einen Teil meiner Leber spenden. Ob ich keine Angst hatte? Oh doch. Ich habe mein Testament geschrieben, Abschiedsbriefe. Aber dann musste es auch gut sein. Hätte ich die Angst um mein eigenes Leben zugelassen, das einer erwachsenen, gesunden Frau, dann wäre die Angst um meinen Sohn, der drei Monate alt war, bereits sechs Operationen hinter sich hatte und schwer krank war, ins Unerträgliche gewachsen. Dabei war sie doch schon nicht mehr erträglich. Insgesamt sechs Wochen Intensivstation, ein Baby das Tag und Nacht vor Schmerzen weint. Aber er hat die Leber bisher angenommen. Kein Wunder, sag ich immer. Sie war ja noch drei Monate zuvor sein Dach in seiner Wohnung in meinem Bauch gewesen.
Was wir durchgemacht haben, wünscht man seinem ärgsten Feind nicht. Und doch hat es sich gelohnt, und für den Moment ist es gut. Das haben wir in der Klinik gelernt: Sich für den Augenblick freuen, die Hoffnung nicht aufgeben, auch wenn die Angst tief drinnen immer präsent und das Glück ganz schön zerbrechlich ist.
Ein Baby und 11 Medikamente
Man kommt mit ihnen nicht aus, aber ohne sie erst recht nicht. Sie sind lebensnotwendig, ohne sie kann es zur Abstoßung des Organs kommen, um das man solange gekämpft hat. Und gleichzeitig, das kann jede Mutter nachvollziehen, widerstrebt es einem, sein Kind mit so viel Chemie vollzupumpen. Das Verhältnis zu den Medikamenten ist furchtbar ambivalent.
Es gibt für alles Mögliche Medikamente, und gegen die Nebenwirkungen Gegenmedikamente, die auch wieder Nebenwirkungen haben. Es gibt ein Mittel, um den Gallenfluss in Gang zu halten, Aspirin zur Blutverdünnung, ein Mittel zur Wasserausscheidung, Cortison, Vitamine und natürlich die Immunsuppressiva, die das Immunsystem unterdrücken, damit es das neue Organ nicht bekämpft. Und die entsprechend die Abwehrkraft so schwächen, dass the Kid auch zweimal am Tag prophylaktisch Antibiotika nehmen muss, da der kleine Organismus durch das künstlich geschwächte Immunsystem auch von normalerweise harmlosen Keimen bedroht wird.
Ich darf gar nicht daran denken, wie ich in Panik geraten bin, als ich während der Stillzeit drei Tage Antibiotika nehmen musste und Angst hatte, dass der Kleine etwas davon abbekommen könnte. Damals war er sogar noch offiziell ein ganz normales, gesundes Kind. Wenn ich mich also zu oft daran erinnern würde, dann müsste ich bei jeder Antibiotikagabe schier durchdrehen. Und das zweimal täglich, für mindestens ein Jahr.
Andererseits kann ich froh sein, dass genau dieses Antibiotikum mit auf dem Medikamentenplan steht, denn es scheint zuckersüß zu sein. Also wird es als Belohnung verwendet. Jedes Mal als abschließende Belohnung nach der ganzen bitteren Medizin. The Kid spitzt dann sein kleines Mündchen voller Erwartung zu einem kleinem Schnäbelchen, wie ein Küken, das auf die Fütterung wartet.
Ich setze mich also zweimal täglich hin und ziehe die Medikamente babygerecht auf Spritzen. Nachbarn, die mich durch das Fenster beobachten, denken wahrscheinlich die schlimmsten Dinge, wenn ich meine Gummihandschuhe überziehe und meine kleine Fläschchen- und Tablettensammlung hervorhole.
Nein, das mit den Gummihandschuhen ist eine Lüge. Nicht mal eine Woche habe ich durchgehalten, nachdem wir aus der Klinik nach Hause kamen. Dabei wurden wir Eltern in der Klinik strikt davor gewarnt, das Immunsuppressivum an unsere Haut zu lassen. Viel zu gefährlich, hieß es. Wir Mütter reagierten geschockt. Wie sollten wir unserem Kind etwas oral verabreichen, was schon auf der Haut so gefährlich sein soll. Die Antwort der Schwestern lautete: „Auf der Haut ist es gefährlicher als innerlich.“
Ähem. Ja. Liebe Krankenschwestern, es ist ja süß, dass Ihr uns beruhigen wollt. Aber selbst Müttern, die nie Biologie studiert haben, leuchtet ein, dass das so nicht stimmen kann. Aber, bis auf die Tatsache, dass wir die Handschuhe weglassen und einfach sehr vorsichtig sind, hinterfragen wir es nicht. Es hat keinen Sinn. Unsere Kinder müssen die Giftcocktails schlucken. Und zwar regelmäßig, um zu überleben. Ich werde den Tag nie vergessen, an dem wir Mütter in der Elternküche der Kinderstation saßen und uns geschworen haben, die Beipackzettel nie zu lesen. Es würde uns wahnsinnig machen. Aber wir werden gebraucht, bei klarem Verstand…
Ein Baby und 11 Medikamente – Teil II
Auf was Mütter so alles stolz sein können. Ich war so glücklich und stolz, als the Kid endlich seine Medikamente bei sich behielt, ohne sich übergeben zu müssen. In der Klinik konnte man pünktlich zur „Medi“-Zeit überall auf den Gängen Mütter mit schreienden Babies beobachten, bewaffnet mit kleinen Spritzen und jeder Menge Spucktüchern. Zehn Minuten später waren die Spucktücher nass, ebenso wie die schweißgebadeten Mütter und die erschöpften Babies, die kaum mehr als die Hälfte der Medikamente bei sich behalten hatten. Aber irgendwann klappte es dann bei den meisten doch, und das bedeutete, die Entlassung war nah. Wenn nicht wieder irgendetwas Unvorhergesehenes eintraf.
Irgendwie dachte ich, wenn es einmal mit den Medis klappt, dann immer. Doch nun zahnt the Kid. Bei der allmorgendlichen Cortison-Tablette oder der abendlichen Aspirin-Tablette, schön in Wasser aufgelöst und mittlerweile als winziges babygerechtes Schlückchen verabreicht, hat the Kid plötzlich keine Lust mehr. Vier Monate hat er sie brav eingenommen, doch nun, durch die wunderbare Spuckeproduktion – dem Zahnen sei Dank – lässt sich die Tablette wieder wunderbar ausspucken. Mit gutem Zureden und bestimmender Hand ist es eigentlich kein Problem, ihm die Medis zu verabreichen. Er öffnet brav sein Mündchen, schließt es, ich atme erleichtert aus und… schwupp, kommt ein großer Schwall Spucke samt aller Medis wieder raus. Dieser Schwall ist viel größer als das kleine Schlückchen, dass ich ihm gegeben habe.
Ich habe mittlerweile die Vermutung, dass the Kid, sobald es die Spritze erblickt, bisher unbekannte Speicheldrüsen aktiviert, um genug Spucke zu sammeln, damit auch ja alles wieder heraus geschwemmt wird. Es ist mir wirklich ein Rätsel woher diese ganze Flüssigkeit stammt. Das wäre ein Thema über das ich, wenn ich Zeit hätte, meine Doktorarbeit schreiben könnte. Aber die Zeit habe ich nun mal nicht. Stattdessen schlucke ich als gutes Vorbild jeden Morgen aus einer Spritze Wasser, um the Kid zu motivieren, es mir nachzumachen. Und oh Wunder, er macht es mir nach, öffnet den Mund und schluckt sogar. Ich greife erleichtert zur Belohnungsspritze. In dem Augenblick fängt the Kid an zu lachen und ein Schwall Spucke samt weißer Tablettenkrümmel läuft heraus.
Wie kann ein so kleines Baby, das noch kein Wort sprechen kann, sich nur so ausgetüftelte Tricks ausdenken? Vortäuschen, dass er alles herunterschluckt um dann, sobald die Mutter sich in Sicherheit wähnt, alles wieder auszuspucken. The Kid muss hochbegabt sein, es gibt einfach keine andere Erklärung. Na also, das ist doch ein Grund stolz zu sein. Nur leider bringt uns das nichts. Eine gesunde Leber ist nun mal wichtiger als intellektuelle Fähigkeiten. Zumindest in dem Alter.
Statt mich also auf die Suche nach Förderstellen für hochbegabte Säuglinge zu machen, werde ich morgen mal in der Klinik anrufen. Immerhin müsste es ja eine winzige Chance geben, dass die Krankenschwestern wieder behaupten, die Medikamente würden auf der Haut stärker wirken als oral. Dann könnte ich ihm seine Medikamente auf das Kinn streichen. Oder besser noch, auf die Fußsohle, in der Hoffnung, dass die nächste Sabberattacke nicht bis dorthin reicht. Was für eine schöne Vorstellung!
Aber letztlich wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als meinen Schwur zu brechen und doch einen Blick in den Beipackzettel zu werfen. Nur fürchte ich, dass ich auf der Suche nach alternativen Darreichungsformen auch alle Nebenwirkungen durchlesen werde. Vielleicht löst sich ja dann auch das Rätsel mit den genialen intellektuellen Fähigkeiten.
Wenn der Vollkornbrei ungesund ist und Vitamine schädlich
Fragt mich nach dem Kaliumgehalt von einem beliebigen Lebensmittel. Egal welches. Das meine ich ernst. Ich kann Euch die Frage sofort beantworten. Denn ich kenne sie alle. Auswendig. Auf jeden Fall den Kaliumgehalt jener Lebensmittel, die auch Babies zu sich nehmen dürfen.
Ich