Das Monster im Schatten. Andreas Ellermann

Das Monster im Schatten - Andreas Ellermann


Скачать книгу
Arbeit war immer laut und dreckig. Der Rauch brannte in den Augen und die Finger schmerzen ihn beinahe täglich von der Arbeit. Der Schmied lebte nicht allein in dem halbverfallenen Gebäude neben seiner Arbeitsstatt. Neben seiner Frau lebte er dort noch mit seiner fast achtzehnjährigen Tochter Asuka. Jene war nichts besonderes, doch oftmals ging sie in den nahen Bambuswald oder an die Feldraine, um Kräuter zu sammeln, die man zum würzen oder heilen gebrauchen konnte.

      Eines der wenigen Hobbys, die sich Asuka getraute auszuleben. In Takomuro gab es nur Soldaten und eine Handvoll Bauern. Jene versahen ihre Arbeit auf den Feldern oder halfen bei den immer noch laufenden Ausbesserungsarbeiten an der schwarzen Festung. Der letzte Angriff war über ein Jahr her, doch hatte er das kleine Dorf beinahe vollständig vernichtet. Im Dorf standen mehr Ruinen als noch stehende Häuser, und die Häuser, die noch standen, würden dem nächsten Monsum mit Sicherheit nicht standhalten. Also wurde neben Waffen auch noch Baumaterial gebraucht.

      Richtige Wälder mit richtigem Holz gab es in der Nähe nicht. Dafür mußte man schon ziemlich weit reisen. Eine Woche entfernt fand man einen größeren Wald, in dem man Bäume fällen konnte. Doch der Transport bis nach Takumoru nahm nicht nur Zeit in Anspruch, sondern war auch nicht mit einfacher Muskelkraft zu bewerkstelligen. Hierfür wurden Pferde gebraucht. Und Pferde waren rar, genauso wie Ochsen oder Kühe.

      Der Schmied machte sich nichts vor. Wenn es nicht irgendwie gelang, wieder an Vieh zu gelangen, würde das kleine Dorf nicht nur den kommenden Monsum nicht überleben, sondern es würde einfach so vergehen. Ochsen brauchte man zum Pflügen, Pferde zum Reisen. Mit einer Sänfte konnte man kein Holz transportieren.

      Deshalb war Asuka für ihn so etwas wie ein Hoffnungsschimmer. Auch wenn es im Dorf vornehmlich Soldaten und Bauern gab, bestand durchaus die Möglichkeit, daß er Asuka doch noch vernünftig verheiraten konnte. Zumindest so gut, daß sie eine wirkliche Zukunft hatte.

      Der Schmied, dessen Name uns nicht interessieren sollte, war ein hart arbeitender, ehrlicher Mann. Seine Arbeit war schmutzig, kräftezehrend und aus verbrauchend. Er liebte seine Arbeit, wie er es bei seiner Frau tat. Er war mit Leidenschaft dabei.

      Ähnliches konnte man auch über die anderen Handwerker, die es noch im Dorf gab, sagen. Sie alle erfüllten ihre Aufgaben so gut es ihre Rohstoffe zuließen. Die Dorfgemeinschaft war schon länger gespalten, seitdem der Kriegsherr einen seiner Samurai gestattete im Dorf selbst zu wohnen. Doch die Gemeinschaft war sich darüber einig, daß der Krieger unter Umständen irgendwann einmal gebraucht würde. Auch wenn er nicht Hauptmann der Wache war.

      Jener hatte sein Haus gegenüber der Schmiede, am Weg, der direkt hoch zur schwarzen Festung führte. Dieses Haus wirkte nicht einmal stabiler als der Rest des Dorfes, doch im Vergleich zu anderen Hütten besaß es ein regendichtes Dach.

      Einmal in der Woche kam die Patrouille von der Festung herunter, um dann mit dem Samurai zusammen die neu gefertigten Waffen aus der Schmiede abzuholen. Der Samurai hielt auch sonst die Augen in Richtung Schmiede offen. Nicht weil er dem Schmied mißtraute, sondern weil es zu seinen Aufgaben gehörte, die Schmiede zu schützen. Nur stellte sich hierbei die Frage, vor wem oder was er die Schmiede schützen sollte. Der letzte Angriff war über ein Jahr her, seitdem war in Takumoru nicht mehr viel passiert. Jener Angriff hatte die Hälfte des Dorfes das Leben gekostet. Also war es irgendwie sinnfrei, wenn ein Samurai mit seiner Familie in einer gleichfalls baufälligen Hütte gegenüber der Schmiede lebte und täglich die Eisenbarren zählte.

      Der Hauptmann der Festungswache lebte im gleichen Haus wie der Samurai. Auch er besaß eine kleine Familie. Das Haus war das einzige wirklich größere Haus in dem kleinen Dorf, doch selbst ein Kriegsherr mußte mit den Kosten in Friedenszeiten haushalten. Also lebten Hauptmann und Samurai unter einem Dach, obwohl jedem ein eigenes Haus zustand. Doch störte sich nicht wirklich einer von beiden hieran. Sie versahen ihren Dienst für ihren Kriegsherren und waren damit zufrieden. Denn ein Auskommen hatten sie durch ihren Dienst. Der Samurai selbst entsprang nicht einem Adelsgeschlecht, sondern hatte sich über die Jahre in seine jetzige Position hochgearbeitet. Er war ein Mann aus dem Volk. Beim Hauptmann sah es genauso aus. Er genoß das Vertrauen seines Herrn durch einige Heldentaten, die er in der Vergangenheit geleistet hatte.

      Auch der Hauptmann hatte Familie, und wie so viele in Takumoru besaß er, wie der Schmied, eine erwachsene Tochter. Die Hauptmannstochter trägt den schönen Namen Mariko. Angeblich ist sie von den Göttern gesegnet, denn sie hat Gesichter und richtete deshalb vor dem letzten Angriff auf die Festung ihres Herrn einen kleinen Schrein im Dorf angelegt. Ihre Gesichter jedoch sind es, die dem Hauptmann Sorge machen.

      Zwar gilt seine Tochter als von den Göttern berührt und ihre Visionen halfen beim letzten Angriff auch gut die Hälfte des Dorfes zu retten, doch kosten sie Mariko Kraft, die ihr dann an anderer Stelle fehlt. Die Frau des Hauptmanns verliert über die Gesichter ihrer Tochter kaum noch ein Wort, denn sie fürchtet zurecht, daß beim nächsten Aufkommen dieser Visionen erneut Unbill für das kleine Dorf bevorsteht.

      Eine andere wichtige Person für Takumoru ist der Seifensieder. Eigentlich ist er nicht in dem Dorf ansässig, sondern kommt aus einer weit im Norden liegenden Präfektur. Ihm gelang die Flucht, als sich sein Kriegsherr mit seinem Nachbarn anlegte, und der daraufhin folgende Krieg so gut wie alles in der Präfektur vernichtete. Der Norden sollte eigentlich ruhiger als das restliche Land sein, aber selbst dort köchelt es. Die Kriegsherren sind sich im ganzen Land uneins.

      Also floh der Seidensieder bis er nach Takumoru kam. Doch während der Flucht verlor er seine Frau und ihm verblieb nur sein Kind, gleichfalls eine Tochter. Er zog sie in den nachfolgenden Jahren in dem kleinen Dorf groß, und dank Marikos hellsichtiger Gabe überlebten auch sie den letzten Angriff des benachbarten Kriegsherrn.

      Suda, seine Tochter, hilft ihm bei der schweren Arbeit Seife herzustellen. Das einzige wirkliche verkaufbare Gut, über welches Takumoru in jenen Tagen noch verfügt. Suda ist klug und intelligent. Und sie arbeitet schwer. Sie besitzt im Ort nur noch eine Freundin, dies ist die Tochter des Schmieds.

      Und es gibt noch jemanden, den wir an diesem Tage kennenlernen sollten. Dies ist der Kriegsherr, der in seiner schwarzen Festung mit seinen Soldaten und dem verbliebenen Rest seiner Familie lebt. So viel Familie hat Kriegsherr Takumoru nicht mehr. Außer seiner Tochter ist ihm nichts mehr verblieben. Seine Eltern starben bei den Kämpfen der Wiedervereinigung. Damals erhielt er auch dieses Lehen, dem er sogar seinen Namen geben durfte. Seine Frau verstarb im Kindbett, doch während des letzten Bürgerkriegs blieb ihm keine Zeit sich eine neue Frau zu suchen. Inzwischen ist seine Tochter auch erwachsen. Sie trägt den wundervollen Namen Fumiko und ist sowohl in der feinen Schrift, als auch im Waffenumgang geschult. Einer ihrer Lehrer ist der Hauptmann der Wache, doch am liebsten schaut sie im Dorf den Handwerkern bei der Arbeit zu und legt auch gelegentlich selbst Hand an. Fumiko ist wißbegierig und neugierig. Aber da sie nicht weiß, wem sie trauen kann, trägt sie immer einen Dolch in ihrem Kimono, um sich jederzeit verteidigen zu können.

      Ihr Vater jedoch ist ein durch den Krieg hart gewordener Mann, der in seiner kleinen Festung über nicht mehr als insgesamt siebenhundert Mann befehligt. Zweihundert davon dienen ihm als persönliche Wache, der Rest dient zum Schutz seines Lehens. Meist sind von diesen fünfhundert Mann, die als seine Soldaten dienen, in der Festung nicht mehr als einhundert versammelt, weil das Lehen einfach zu groß ist, um es zentral verwalten zu können. So sind an den Straßen und auch ein wenig abseits davon, Feldlager eingerichtet, in denen die Soldaten darauf achten, daß keine gegnerische Truppe die Grenzen Takumorus überschreitet. Denn dies wäre ein Kriegsgrund, dann gäbe es wieder Kämpfe.

      Kriegsherr Takumoru ist ein aufgeschlossener Mann. Er kennt seine Verantwortung, die er für sein Lehen trägt. Inzwischen ist auch er ein wenig des Kämpfens müde. Doch dies liegt daran, daß es immer noch diesen Bürgerkrieg gibt, den nicht einmal das vereinte Königshaus wirklich hat beenden können. Immer noch streiten die Kriegsherren miteinander, wer denn nun in der Riege der vielen Shogune derjenige ist, der seinem Herrn am besten gedient hat, und somit Anspruch auf den Titel besitzt.

      Herr Takumoru interessiert dies nicht. Er möchte nur eines: Sein Lehen vor weiterem Schaden bewahren. Es war schon ein regelrechtes Wunder, daß der letzte Angriff nicht das kleine Dorf vor der schwarzen Festung vollständig


Скачать книгу