Das Monster im Schatten. Andreas Ellermann

Das Monster im Schatten - Andreas Ellermann


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solch mißhandelten Körper zu sehen.

      Hauptmann Asano hatte schon während der vielen Kämpfe, die er oftmals nur durch sehr viel Glück überlebt hatte, gesehen, wie kämpfende Kameraden durch Schwerter und schwere Lanzenschwerter regelrecht zerfetzt wurden. Doch noch niemals hatte er eine Leiche gesehen, die so geschunden wie eben diese war.

      Diese junge Frau hatte kein Glück gehabt. Der Schulterträger lag zerbrochen neben ihr. Gerade so, als hätte eine gewaltige Urkraft ihren schwachen Leib mit nur einem Schlag regelrecht zerbrochen. Es war nicht zu erkennen, wie diese Wunden geartet waren. Sie waren furchteinflößend, deprimierend. Diese Frau hatte nicht den Hauch einer Chance gegen ihren Angreifer besessen. Gegen einen Wolf konnte man sich verteidigen. Doch das, was diese junge Frau erwischt hatte, konnte unmöglich ein Wolf gewesen sein, auch wenn die Wunden so aussahen. Doch dies konnte man nur bei Tageslicht klären.

      Hauptmann Asano überlegte nicht lange. Im schroffen Ton, der von seinem Schrecken herrührte, der gerade über sein Rückgrat kroch, befahl er seinen beiden Begleitern: »Ihr beiden bleibt bei der Leiche. Ich gehe hinunter ins Dorf und hole weitere Männer, damit wir sie abbergen können!«

      Die beiden Soldaten waren genauso bleich wie der Hauptmann selbst. Auch sie hatten Angst. Es waren nur gerade einmal fünfzig Meter bis hinunter zum Tor der Palisade, die diesen Namen nun wirklich kaum mehr verdiente. Doch diese fünfzig Meter waren die schlimmsten, die Asano in dieser Nacht zurücklegen mußte. In diesen fünfzig Metern starb er mehrere Tode, da er nicht wußte, ob er nicht auch jederzeit von der gleichen Bestie angegriffen werden konnte, die diese junge Frau getötet hatte. Atemlos, obwohl er in Würde gelaufen war, blieb er vor dem Südtor stehen und rief seinen Befehl. Für heute Nacht hatte er genug der Schrecken gesehen.

      Als er das Dorf wieder betrat, stürmten mehrere Soldaten mit mehreren Leinentüchern hinaus in die Dunkelheit zu ihren Gefährten, um seinem Befehl Folge zu leisten, und den Leichnam von dem schaurigen Ort des Todes hinfort zu holen.

      4. Kapitel

      Den Weg, den der Hauptmann nun vor sich hatte, sagte ihm genauso wenig zu. Am Haus des Seifensieders vorbei, hoch über die Biegung, an der Schmiede vorbei zu dem Weg, der hinauf zur schwarzen Festung führte. Diese Sache mußte er unbedingt seinem Herrn melden.

      Herr Takomuro würde nicht sonderlich erfreut sein.

      Der Hauptmann ging an den Eingangswachen der Festung vorbei, die auf sein kurzes Nicken nicht weiter reagierten. Auch sie konnten sehen, welches Bündel ihre Kameraden da aus dem Wald bargen. Der Fackelschein war weithin sichtbar.

      Hauptmann Asano durchschritt den ersten Festungshof, nur um dann am Haupthaus halt zu machen. An dieser Stelle mußte selbst er sich der Leibwache gegenüber ausweisen. Doch man kannte ihn, auch wenn es ungewöhnlich war, daß er um eine solche Uhrzeit zu seinem Herrn wollte.

      Nachdem man den Hauptmann durch die kleine Sicherheitsschleuse in den inneren Burghof geführt hatte, führte eine Zofe ihn zum Speisesaal dieses Bereiches. Hier lebte der Kriegsherr Takomuro. Zusammen mit seiner Tochter und einer Handvoll Zofen, die ihnen zu Diensten waren. Einige der Zofen waren Frauen aus dem unter der Festung liegenden Dorf. Einfache Landfrauen, die so den Unterhalt ihrer Familien ein wenig erhöhten.

      Hauptmann Asano ließ sich zum Speisesaal führen, dessen Türen ohne ein weiteres Signal geöffnet wurden. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, daß sein Herr ihn wirklich während des Essens sehen wollte. Also betrat er den kleinen Speiseraum.

      Der Kriegsherr lebte nicht sonderlich luxuriös. Die Zeiten waren schwer, der Bürgerkrieg hielt immer noch an. Auch wenn es sich ein wenig abzukühlen begann. Doch dies war ein Umstand, auf den man sich nicht unbedingt verlassen konnte. Mißgünstige Nachbarn gab es genug.

      Der Hauptmann aß nicht allein. Er liebte Gesellschaft bei tisch. Da war seine fast erwachsene Tochter, die einen gelben Kimono trug. Unter diesem Kimono trug sie rote Unterkleidung. Eine seltene Farbmischung. Neben ihr saß ihre beste Freundin und Zofe Hara. Jene trug einen schwarzen Kimono mit dunkelblauer Unterkleidung.

      Diese beiden Mädchen sahen so harmlos aus, wenn man sie sich näher ansah, dabei hatte Hauptmann Asano in den letzten Wochen durchaus beobachten können, wie gut Hara und Fumiko mit Schwert und Schild umgehen konnten. Während Hara ein Gefühl für das Lanzenschwert hatte, griff Fumiko Takomoru lieber mit einem Katana an und sicherte ihre Defensive mit einem Wakizashi.

      Doch der Hauptmann war aus anderem Grund hier, als sich die Waffenkenntnisse zwei seiner Schülerinnen ins Gedächtnis zu rufen. Sein Herr mußte wissen, was vorgefallen war.

      Hauptmann Asano verbeugte sich höflich, während er aus den Augenwinkeln beobachtete, wie zwei flinke Hände ein weiteres Gedeck auf den Tisch legten. Es war ein seltenes Privileg mit seinem Herrn speisen zu dürfen.

      Der Kriegsherr war ein mittelalter, vom Leben gezeichneter Mann. In seinem schwarzen, durch das Mon seines Hauses kenntlich gemachten, Kimono strahlte er so etwas wie eine amtliche Würde aus. Dieses Lehen hier war nichts besonderes und wenn Hauptmann Asano seinen Herrn nicht so gut kennen würde, wären sie wohl beide schon längst von hier verschwunden. Aber es war ein Lehen mit einem guten Namen und einer Geschichte, die es selten gab. Die wenigsten schwarzen Festungen hatten die dunkle Jahre überlebt.

      Kriegsherr Takomoru sah zu seinem Hauptmann hinüber, der langsam an dem niedrigen Tisch Platz nahm. Anhand seiner Augen konnte Hauptmann Asano bereits erkennen, daß sein Herr sicher war, daß es Nachrichten gab. Nachrichten, die ihm, als kriegsherr, nicht unbedingt zu Gefallen waren.

      Asano verbeugte sich abermals.

      »Herr, ich habe eine Meldung zu machen!«, begann Asano dann.

      Kriegsherr Takomoru lächelte zurück und befahl: »Eßt erst einmal. Ihr seht aus, als wärt ihr dem Leibhaftigen begegnet.«

      Asano nickte. Wenn er hier bei seinem Herrn aß, würde dies seiner Tochter nicht gefallen. Mariko kochte für ihr Leben gern, doch es war nicht seine Entscheidung gewesen, seinen Herrn beim Abendmahl zu stören.

      Während des Essens wurde nicht viel gesprochen.

      Als man schließlich damit fertig war, und die Diener die Gedecke und den Tisch abräumten und die beiden Damen Takomoru sich für den heutigen Abend verabschiedeten, schaute ein noch unglücklicher hereinsehender Hauptmann auf seinen Herrn.

      »Herr, am frühen Abend waren Angehörige des benachbarten Dorfes eures Lehens bei uns. Sie beschwerten sich darüber, daß eine ihrer Frauen vom Wasserholen von unserem Brunnen nicht zurückgekommen war. Obwohl die Dämmerung einsetzte, ging ich mit einigen Wachen los, um nach dem Rechten zu sehen.«

      Kriegsherr Takomoru warf seinem Hauptmann einen skeptischen Blick zu.

      »Was ist denn geschehen, Hauptmann?«

      Asano schluckte schwer.

      »Herr, wir haben die Überreste jener Frau auf dem Weg zum Brunnen gefunden. Derzeit wird sie unten im Dorf aufgebahrt. Ich werde ihren Leichnam bis zum Morgen versteckt halten können, doch sähe ich es lieber, wenn ihr mit hinunter kämt, um sie euch anzuschauen.«

      Der Kriegsherr sah seinen Hauptmann noch fester in die Augen.

      »Wegen eines Wolfangriffs wollt ihr mich hinunter ins Dorf locken?«

      Hauptmann Asano schluckte.

      »Herr, wenn ich sicher wäre, daß es ein Wolfsangriff war, stimmte ich euch zu. Doch die Wunden sind derart schrecklich, daß ihr sie euch selbst ansehen solltet. Irgendetwas stimmt da nicht. Kein wildes Tier wäre in der Lage einem Menschen fast alle inneren Organe herauszureißen und zu fressen.«

      Kriegsherr Takomoru sah zu seinem vertrauten Hauptmann. Sie hatten schon sehr lange Zeit sehr viele Schlachten geschlagen. Für den Kriegsherrn stand außer Frage, daß sein Hauptmann ihn niemals anlügen würde. Doch es kam hin und wieder vor, daß unvorsichtige Personen Opfer der vielen Wölfe in den Wäldern wurden. Aber der Bambuswald von Takomoru bot Wölfen nicht genug Nahrung.

      »Es


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