Das Monster im Schatten. Andreas Ellermann

Das Monster im Schatten - Andreas Ellermann


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Truppe diese schließlich zerstört hatte, zog der Feind sich zurück. Doch von dem kleinen Dorf hatte er nicht genug übrig gelassen, daß man noch so bezeichnen konnte. Noch immer standen traurige Ruinen in dem Dorf herum, weil es einfach zu wenige Männer gab, die diese Baustellen abreißen konnten. Mit nur noch einer Handvoll Bauern konnte man auch nicht mehr soviel bewegen, wie es vor diesem Angriff der Fall gewesen war.

      An jenem einfachen Tag war ein Teil der Bauern auf den Feldern, um den Stand der Feldfrüchte zu kontrollieren und wieder zu wässern. Die Handwerker, die noch ein wenig zu tun hatten, waren dabei, ihrem normalen Tagewerk nachzugehen.

      Und die Mädchen des Ortes vertrieben sich ein wenig die Zeit mit ihren wenigen Spielen und Hobbys, die sie besaßen. Asuka und Suda waren am Rande des Bambuswaldes unterwegs, um einige Kräuter und wildwachsene Gemüse zu sammeln. Sie hatten ein leichtes Stofftuch dabei. Die beiden Mädchen kannten sich gut mit den wilden Kräutern aus, und unweit des Baches am Waldrand wuchsen mehr als genug davon. Einige davon konnte man mehrmals in der Woche abernten.

      Frisches Feuerkraut wuchs hier, wilder Rettich und noch einige andere Dinge. Die Mädchen waren fleißig dabei, systematisch zu zupfen und zu graben. Hierzu benutzten sie kleine Bambusstücke. Viel hatten sie noch nicht beisammen.

      Schließlich bemerkten sie auf dem Weg ein junges, einfach gekleidetes Mädchen aus dem Nachbardorf. Sie trug einen Schulterträger an dem zwei große Eimer befestigt waren. Das Nachbardorf lag ein wenig abseits, gut einen Kilometer an der Straße in Richtung Aishi entfernt. Zwar hatten sie dort auch eine Wasserquelle, doch keinen gemauerten Brunnen, wie er nach der ersten Biegung oben im Bambuswald vorhanden war. Also machten sich die Mädchen des Nachbardorfes immer wieder auf, um von dort Wasser zu schöpfen. Zwar hatte der Nachbarort einen kleinen See keine halbe Stunde Fußmarsch entfernt, doch man konnte dort nur fischen, denn das Wasser selbst dort hatte keinen guten Geschmack. Da war das Quellwasser des Brunnens schon etwas anderes.

      Asuka und Suda konzentrierten sich wieder auf ihre selbstgestellte Aufgabe. Sie entfernten sich immer mehr vom Bach und gelangten zur unteren Seite des Bambuswaldes. Hier vorne wuchsen vornehmlich jene Kräuter, die man sehr gut im Tee verwenden konnte. Asuka hatte sich angewöhnt, diese Kräuter zusammenzubinden und im warmen Luftzug der Schmiede zu trocknen. Suda selbst konzentrierte ihr Sammeln mehr auf die im Boden verborgenen Knollen, die hier zuhauf wuchsen. Manchmal waren es frisch ausschlagende Bambuswurzeln, oftmals aber auch kleine orangene sehr feste Knollen, die sich sehr gut braten ließen.

      Die beiden Mädchen kümmerten sich also mehr um ihre Aufgabe und vergaßen dabei die Welt um sich herum. Beide liebten es, regelmäßig hier nach Waldfrüchten zu graben und zu zupfen. Denn sie konnten mit dem, was sie fanden, dem gesamten Dorf ein wenig helfen. Auf den kargen Feldern wuchs auch nicht mehr alles. Zwar gab es noch drei Felder auf denen Reis wuchs, doch die anderen sechs Felder warfen seit dem letzten Angriff auf das Dorf nicht mehr so viel ab. Dabei strengten sich die Bauern wirklich an, den Boden locker zu halten. Doch der Paq Choi wuchs noch, wenn auch nicht mehr so groß und fein, wie er es in der Vergangenheit getan hatte.

      In der Zwischenzeit hatte das Mädchen aus dem Nachbardorf die kleine Steigung erklommen, die sich in dem Bambuswald erstreckte. Erschöpft blieb sie kurz stehen und schaute zurück. Bis zum Rand des Bambuswaldes waren es vielleicht zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Meter. Trotzdem wirkte hier oben bereits der Bambuswald dunkler, und auch irgendwie böse.

      Das Mädchen legte kurz den Schulterträger ab. Der Brunnen lag ein wenig abseits vom Hauptweg, damit nicht jeder aus ihm schöpfte. Sie mußte die kleine Steigung bis zu ihrer Spitze erklimmen, dann ging ein lehmiger, schon fast zugewachsener Weg, vom Hauptweg ab, und führte parallel zum Berg zum gemauerten Brunnen. Dieser Weg war nicht mehr sonderlich steil, sondern ließ sich relativ einfach bewerkstelligen. Doch diese kleine Steigung, die gerade einmal über dreißig Meter ging, kostete jedes Mal viel Kraft. Hatte man diese Steigung erst geschafft, ginge es deutlich schneller.

      Das Wasserschöpfen selbst war keine schwere Arbeit, denn der Brunnen war eine moderne Variante. Man zog einen an einer Schnur befestigten Eimer aus dem gemauerten Brunnen nach oben. Doch nicht mit einfacher Muskelkraft, sondern über eine Winde, die das Seil anzog, und so den Transport möglich machte.

      Immer noch gut gelaunt, legte sich das Mädchen wieder den Schulterträger über und machte sich auf, den letzten Rest des Weges hinter sich zu bringen. Die Steigung tat ihr jedes Mal an Rücken und Füßen weh, doch anders war diese gute Quelle nicht zu erreichen. Der Rückweg war deutlich einfacher, selbst mit den beiden schweren Eimern. Also raffte sie sich zusammen, und brachte den Rest des Weges hinter sich. Schließlich stand sie vor dem fast zugewachsenen Abzweig, der hinüber zum eigentlichen Brunnen führte. Der Weg war von dichten, saftigen Gras fast vollständig bedeckt. Man sah, daß die Einwohner Takumorus selbst den Brunnen nicht oft nutzten, sonst wäre der Weg breiter ausgetreten.

      Das Mädchen verlagerte ihr Körpergewicht, damit sie mit dem Schulterträger durch die noch freie Passage kam. Der restliche Weg war weder steil, noch war er schwierig zu bewältigen. Er ging beinahe von selbst von statten. Nach nicht einmal weiteren zehn Minuten Fußmarsch stand sie endlich an dem gemauerten Brunnen.

      Dieser Brunnen reichte gerade einen Meter zwanzig über den Boden. Er war aus festen, schweren Bruchsteinen erbaut. Dieser Brunnen war keine Schönheit, aber er versah seinen Sinn und Zweck. Der hölzerne Arm, an dem die Winde hing, reichte einmal um den Brunnen herum. Der Schöpfeimer hing an seinem Seil, sah jedoch schon ein wenig mitgenommen aus. An der Seite besaß er Kratzspuren irgendeines riesigen Tieres.

      Doch das Mädchen interessierte sich nicht für die Kratzspuren, sondern schaute, ob der Eimer noch dicht genug war. Es lag wirklich nicht in ihrem Interesse mehr Zeit am Brunnen zu verbringen, als unbedingt notwendig war.

      Der hölzerne Eimer klatschte das erste Mal hinunter in das Wasser des Brunnens, dann vernahm man das stöhnende Quietschen der Winde. Das plätschern des Wassers in einen der Trageeimer war weithin zu hören. Ein normales Geräusch, wenn man bedachte, wo sich der Brunnen befand.

      Insgesamt schlug der Schöpfeimer fünfmal auf der Wasseroberfläche auf, bis die beiden Trageeimer endlich richtig gefüllt waren. Dann erst hatte das Mädchen seine Arbeit erledigt. Erneut schulterte sie den Träger und machte sich auf den Rückweg.

      Sie hatte gerade das Stück Weg vor der Abzweigung erreicht, als sie hinter sich ein verdächtiges Knacken wahrnahm. Das Mädchen drehte sich herum, doch sah es hinter sich nichts, was das Knacken erklären könnte. Es drehte sich wieder in Richtung Hauptweg, als es rechts von ihr erneut knackte. Doch diesmal hörte sich das Knacken deutlich näher an.

      Für Eventualitäten trug das Mädchen immer ein kleines Messer bei sich. Doch im Falle eines Überfalls würde dieses Messer auch nicht eben sehr viel Schutz bieten. Doch das Messer zu ziehen würde bedeuten, die Stabilität ihres Schulterträgers zu riskieren. Und dem Mädchen stand es wirklich nicht danach, erneut nochmal Wasser schöpfen zu müssen.

      Es knackte ein drittes Mal. Diesmal links von ihr. Das Mädchen wandte den Kopf in die entsprechende Richtung, doch erneut war nichts zu sehen. Verwirrt schüttelte es den Kopf, nahm noch einmal alle Kraft in ihre Schultern und ruckte mit dem Träger hoch. Genau in diesem Moment knackte es genau vor dem Mädchen. Es hob den Kopf, doch bevor es schreien konnte, war es auch schon geschehen.

      Die Kreatur, die vor dem Mädchen wie aus dem Nichts entstanden war, wirkte wie wabernder Nebel, und trotzdem massiv. Es war nichts greifbares, und trotzdem spürbar. Das Fell war grob und zottelig. Lang, mit verfilzten abschnitten, die darauf hindeuteten, daß es wohl sehr lange geruht hatte. Die Farbe dieser Kreatur ist braunschwarz, doch mehr schwarz denn braun, und irgendwie furchteinflößend. Sein Kopf scheint direkt mit dem Torso verwachsen zu sein, es ist kein Hals zu sehen. Stattdessen erkennt man deutlich die überlangen Arme und Beine, die an einem relativ kurzen, menschlich wirkenden Torso angesetzt sind. Arme und Beine enden in Füßen oder Händen, die man wohl eher als Krallen beschreiben kann. Sie sind sechsgliedrig, dem Menschen ähnlich, doch die Nagelkrallen gehen weit über zwanzig Zentimeter hinaus. Die Nagelkrallen haben eine ungesund gelblichweiße Farbe, und sie sind höllisch scharf. Die Krallenfinger sind länger als bei einem Menschen, und genauso wie die Handflächen


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