Das magische Armband. Janine Zachariae

Das magische Armband - Janine Zachariae


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Freunde. Wissen Sie, Freunde, die sich alles erzählen können. Aber scheinbar irrte ich mich. Er hatte noch ein zweites Leben, sozusagen. Er war mit den falschen Menschen zusammen. Ich glaube, sie nahmen alle irgendwelche Drogen. Er tauchte unter und verbrachte nur noch Zeit mit ihnen. Später erfuhr ich, dass er monatelang in ihrer Clique war und sie jedes Wochenende einen drauf machten. Drogen, Alkohol. Was er nahm, weiß ich nicht. Spielt wohl auch keine Rolle. In seinem Rausch rief er mich an. Wir trafen uns und er wollte mich bedrängen. Es war nichts. Wirklich. Er war obszön und launisch. Er war nicht der Junge, den ich mochte und kannte. Mit so jemanden wäre ich nie befreundet gewesen. Als ich seinen - nennen wir es - Avancen nicht nachkam, wurde er wütend. Was als Nächstes passierte, weiß ich nicht mehr. Ich wachte erst im Krankenhaus auf und erfuhr, das Toby sich das Leben genommen hatte.«

      »Ach herrje. Heilige Scheiße«, stieß er hervor.

      »Das können Sie laut sagen.«

      »Hast du daher die Narbe?«, erkundigte sich Jacob.

      »Ich glaube schon. Mir fehlen etwa sechs Stunden.« Er wurde blass.

      »Hat er ...?«

      »Mmh? Oh, weiß ich nicht.«

      »Was?« Er saß stocksteif da und wirkte blass und erschüttert.

      »Ja, ich wurde untersucht«, stammelte ich.

      »Und?«

      Schulterzuckend meinte ich, dass er es wohl versucht habe, aber dass ich mich wehren konnte. »Mehr weiß ich nicht. Es ist, als wäre an dieser Stelle ein großes, schwarzes Loch. Fast, als wollte mein Unterbewusstsein vermeiden, dass ich die Wahrheit erfahre. Möglicherweise ist es besser so. Nicht zu wissen, was Toby mir wirklich angetan hatte, ist vielleicht erträglicher, als zu wissen, zu was er im Stande gewesen wäre ... Sorry, ich weiß, es klingt seltsam ...«

      »Das tut mir schrecklich leid.«

      »Muss es nicht. Mir geht es gut.« Wir sahen einander in die Augen. »Es hört sich schlimm an, so wie ich es erzähle, in meiner Passivität, das ist mir vollkommen bewusst. Ich weiß nicht, was passiert ist. Und das ist okay. Der Toby, den ich kannte und mochte, hätte mich niemals so behandelt. Niemals. Doch dieser Typ stand unter Drogen. Er war nicht mehr er selbst. In anderen Fällen würde ich das definitiv nicht so sehen. Drogen hin oder her. Aber als ich diesen Jungen da sah, dessen Augen aussahen, als seien sie schon Tage wach gewesen. Der sich selbst hasste, für das, wie er war und der sich das Leben nahm, als ihm klar wurde, was er getan hatte ... Ich wusste nicht, ob ich weinen durfte. Sie wissen schon, trauern durfte. Also weinte ich alleine. Ich hab damit abgeschlossen. Seitdem versuche ich, meinen Mitmenschen zu helfen.« Ich aß etwas von meinem Obst. »Ich habe Ihnen das nicht einfach so erzählt«, gestand ich. »Sie sollen verstehen, wieso ich nicht auf etwas Derartiges eingehen kann.«

      »Ich würde nie so reagieren«, sprach er leise, so als würde er Angst haben, ich traue ihm doch nicht.

      »Das weiß ich. Ich weiß, Sie würden mir oder einer anderen Person, niemals leid zu fügen. Sie haben ein gutes Herz. Dennoch kann es gefährlich werden. Auf eine andere Art und Weise. Sie würden mich nicht bedrängen und ich würde nicht auf ›American Beauty‹ machen. Trotzdem können Sie Ihre Arbeit gefährden und mich würde man als Lolita abstempeln.«

      »Was sagt deine Oma dazu?« Es beruhigte mich, wie er dies fragte. Weil sie ihm wichtig erschien. Weil es nicht nach Vergangenheit anfühlte, sondern so, als wären wir auf dem Sprung zu ihr.

      »Ich soll auf mein Herz hören. Ja, das stimmt. Sonst hätte ich es Ihnen gar nicht erst gesagt. Aber es spricht zu viel dagegen.«

      »Ich kann warten«, schlug er vor. Ich lächelte.

      »Sie dürfen Ihr Leben nicht auf Eis legen.«

      »Ich kann warten«, wiederholte er sich. Ich blickte zu Molly, die seelenruhig dalag und die Sonne genoss und blickte wieder Jacob an.

      »Sie fragten mich gestern, warum ich ›die Gefühle anderer‹ gut einschätzen kann. Ich bin Ihnen noch eine Antwort schuldig.« Er schwieg. »Durch Toby habe ich gelernt, nicht nur meinen Augen trauen zu dürfen, sondern das große Ganze betrachte. Hinterfragen und beobachten. Irgendwas hat er bewirkt.«

      Nein, eigentlich ist das nicht korrekt. Aber das sollte fürs Erste reichen. Wir saßen noch eine Weile da, bis das Telefon klingelte.

      14. Verdacht

      Als wir zu Hause waren und die Tür gerade aufschließen wollten, entdeckte ich ein Blatt Papier im Briefkasten. Ich zog es raus und Jacob schloss das Fach auf, was aber ansonsten leer war. Ich entfaltete den Zettel und zuckte zusammen.

      »‹Er ist nicht der, für den du ihn hältst. Du musst tiefer graben, Maja. Irgendwann komme ich zu dir und dann wirst du feststellen, wen du liebst‹«, las ich laut.

      »Wir sollten der Polizei den Brief zeigen«, schlug Jacob vor und ich war einverstanden. Er war am Computer verfasst. Aber vielleicht waren Fingerabdrücke drauf. Als wir in die Wohnung kamen, saß die Beamtin auf dem Sofa und schaute sich am Laptop etwas an.

      »Ah, gut, da sind Sie ja.«

      »Hallo. Das hier lag unten im Briefkasten«, sagte Herr Traum. Er reichte es ihr und sie studierte genau, was drauf stand, runzelte die Stirn und legte ihn in eine Folie. Auf dem Tisch lagen einige Utensilien. Ich überflog alles und wusste, was es war.

      »Er war also in der Wohnung«, stellte ich nüchtern fest.

      »Ja, und die waren in der Wohnung installiert.« Zwei Kameras und mehrere Mikrofone.

      »Darf ich raten? Eine in meinem Zimmer und eine in der Dusche und die Mikros waren überall verstreut.« Sie sah mich an, als sei ich es selbst gewesen. »Darf ich Ihnen meine Theorie verraten?«

      »Klar«, meinte sie leicht irritiert.

      »Sie machen Ihre Arbeit sehr gut, nur hatte ich jetzt etwas Zeit, um darüber nachzudenken.«

      Also erzählte ich ihr, was ich dachte. Sie machte sich Notizen. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich kann mich nicht in diesen Mann hineinversetzen. Aber er war bisher immer bedeckt. Zurückhaltend. Er hätte nachts ein Leichtes gehabt in mein Zimmer vorzudringen. Selbst gestern Nacht. Es wäre so einfach gewesen«, stammelte ich und fuhr mir nervös durch meine Haare.

      »Was denken Sie, Maja?«, hakte die Frau nach.

      »Das er mir nichts antun würde. Nicht körperlich.«

      »Haben Sie jemanden in Verdacht?« Ich schüttelte den Kopf.

      »Tut mir leid. Wenn ich es könnte, würde ich es Ihnen sofort mitteilen, aber ich bin absolut ratlos.«

      »Was hat es mit der Nachricht auf sich?«

      »Er hat uns belauscht«, schlussfolgerte ich und schaute zu Jacob, der stirnrunzelnd nickte. Er schien selbst nachzudenken.

      »Haben Sie und Herr Traum eine Beziehung?«, fragte sie nicht mehr ganz so freundlich nach.

      »Nein, haben wir nicht.«

      »Sicher?«

      »Ja. Ich würde nichts unternehmen, um ihn in Schwierigkeiten zu bringen.«

      »Sie empfinden etwas für ihn«, sagte sie und notierte sich was. Sie schaute mich schließlich an und ich wusste, sie versuchte mehr in mir zu lesen, als ich sagte.

      »Ja«, antwortete ich verschüchtert.

      »Wir haben noch nicht die Aufnahmen«, sagte sie, als wäre das eine Art Drohung - wir sollten nichts Unanständiges machen und wenn doch, würden sie es erfahren. »Wir haben Ihre Leben etwas unter die Lupe genommen.« Sie meinte das von Jacob und mir. »Wir haben das mit diesem Jungen herausgefunden«, sagte sie an mich gewendet. Ich nickte. »Das war ein ähnlicher Fall, wie der hier.«

      »Finden Sie?« Sie nickte. »Mmh.«

      »Haben Sie jemanden verärgert?«


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