Das magische Armband. Janine Zachariae
als auch von Ihren alten Lehrern. Sie haben nicht mal einen Strafzettel.«
»Macht mich das zu einem Verdächtigen?«
»Noch nicht.«
»Frau Frinobin, ich vertraue Herrn Traum.«
»Das sind meist die, die am Ende schuldig sind«, warnte sie mich eingehend, klaubte alle Unterlagen zusammen und pfiff ihre Kollegen herbei, damit auch sie alles zusammenräumten. Nachdem die Polizei verschwunden war, schloss Jacob die Tür ab.
»Das tut mir wirklich leid«, flüsterte ich, den Tränen nahe.
»Muss es nicht. Es wird sicherlich bald vorbei sein.« Molly jagte auf der Terrasse ein kleines Tierchen und bellte vor Freude.
»Ich hab was für Sie«, sagte ich, um von dieser eigenartigen Stimmung abzulenken, und holte etwas aus meiner Tasche. »Sie haben weder den Film noch die CD und beides ist toll«, sagte ich und reichte ihm eine DVD mit dem Bonus des Soundtracks. »‹Wenn Träume fliegen lernen‹«, las er vor.
»Wunderschön. Die CD ist nur instrumental, aber manchmal braucht man einfach nur Melodie.« Jacob fragte, ob wir den Film direkt sehen wollen, doch mir schwirrte der Kopf. Es war zu viel vorgefallen und es war nötig, sich über alles zu unterhalten. Also legte er die CD in den Player und wir setzten uns aufs Sofa.
»Wenn Sie es für besser halten, kann ich mich in ein Hotel zurückziehen«, platzte ich einfach heraus. Ich weiß, er fühlte sich unbehaglich - auch wenn er es nicht zu gab.
»Kommt gar nicht in Frage«, wehrte er ab.
»Sie haben nur Ärger, seitdem wir uns kennen.«
»Das wird vorübergehen und wir können Freunde sein.«
»Sie würden trotz allem mit mir befreundet sein wollen? Obwohl Sie mich kennen?« Fühlte er sich deshalb unbehaglich? Manchmal, und eigentlich nur in seiner Nähe, konnte ich seine Gefühle nicht so recht unterordnen. Aber ich glaube, - ähnlich wie bei Marie - ist es, weil ich nicht nachvollziehen konnte, wie man mich mögen kann. Er runzelte die Stirn und wirkte konzentriert, als würde er etwas lauschen, was nicht laut war.
»Maja, du glaubst wirklich, ich würde dich im Stich lassen?«
»Nein, das würden Sie nicht. Aber es ist etwas anderes, jemandem in der Not - sozusagen - zu helfen oder direkt mit demjenigen befreundet zu sein.«
»Du hast es immer noch nicht kapiert, oder?« Ich schüttelte fragend den Kopf. »Du bist viel mehr Wert, als du glaubst. Es ist eine Ehre, wenn wir Freunde wären. Eigentlich hoffe ich, wir sind es bereits.« Er sah mich an und ich musste unwillkürlich lächeln.
»Das wäre schön«, flüsterte ich verlegen.
»Siehst du und Freunde siezen einander nicht.«
»Haben Sie nicht die alten Romane gelesen? In ›Stolz und Vorurteil‹, zum Beispiel, siezen sich Caroline Bingley und Jane Bennet immer noch, obwohl sie ›befreundet‹ sind. Na ja, keine schöne Freundschaft. Aber egal. Oder Miss Bingley würde ja auch nicht Mr. Darcy duzen, obwohl sie sich jahrelang kennen.«
»Du hast jetzt gerade nicht das 21. Jahrhundert mit dem 19. verglichen?«
»Es ist einfach diese Grenze, die ich nicht überschreiten will«, flüsterte ich und wusste, dass ich den Tränen sehr nahe war. Ihn zu verlieren, würde ein so großes Loch in mich hineinfressen. Er war mein Lehrer. Er war mein Lehrer. Lehrer. Das durften wir beide nicht aus den Augen verlieren. Ich war noch minderjährig. Er könnte sich in große Schwierigkeiten bringen. Sein Ruf wäre ruiniert.
»Das verstehe ich«, sagte er sanft. »Aber es wäre kein Problem für mich. Versuch es doch einfach mal.«
»Nein, es wäre zu früh. Tut mir leid. Eines Tages werde ich ›du‹ zu Ihnen sagen. Aber vorerst kann ich das nicht und ich hoffe, Sie verstehen mich.«
»Natürlich verstehe und respektiere ich das. In der englischen Sprache würden wir diese Unterhaltung gar nicht führen. Da sagt man zu jedem ›you‹.«
»Ich hol uns mal was zu trinken«, sagte ich lachend, es entsprach natürlich der Wahrheit. »Es ist schon seltsam, wie viel uns diese Form der Höflichkeit bedeutet. Das wir so einen Hehl daraus machen. Dabei wäre es einfacher, aber so ist es nun einmal hier. Wir halten uns an bestimmte Konventionen, während man sich anderswo vielleicht ordentlich gehen lässt«, murmelte ich und ging, froh über eine kurze Verschnaufpause, in die Küche. Der Soundtrack lief weiter und entspannte mich.
»Maja?«
»Mmh?«
»Schon gut«, ruderte er zurück.
Während ich uns etwas eingoss, spürte ich seine Blicke auf mir ruhen. Als ich aufsah, wusste ich, was er sagen wollte und überlegte, ob ich es erwähnen soll.
»Frau Frinobin glaubt nicht wirklich, Sie könnten mir Schaden zufügen. Sie beschützen mich.« Das war nicht das, was er gerade fragen wollte, aber musste auch gesagt werden. »Und ich vertraue Ihnen.« Er schwieg. »Ich frage mich allerdings«, begann ich, »warum Sie mir vertrauen.«
»Wie meinst du das?«
»Sie haben mich in Ihre Wohnung gelassen. Sie haben mich damals gerettet, genauso wie Sie gestern zu mir standen und auch vorhin. Dabei haben Sie mich nicht gekannt.« Ich ging mit unseren Gläsern zu ihm. Dann kehrte ich ihm erneut den Rücken zu, und holte noch zwei Gläser und eine Flasche Wasser.
»Ich habe gar nicht gewusst, das ich Eiskaffee habe«, wunderte er sich, als ich mich wieder setzte. »Du hast, zum einen nichts über meine Haushälterin erzählt.«
»Maren weiß von nichts. Warum hätte ich sie in etwas reinziehen sollen? Sie will nur ihrer Arbeit nachgehen und ist froh, so einen guten Chef zu haben. Ihre Tochter ist krank, wussten Sie das?« Er schüttelte den Kopf. »Sie hat irgend so eine Krankheit. Ich wollte nicht unhöflich sein und zu sehr nachhakten. Aber es muss etwas Schlimmes sein. Sie ist froh, recht gut zu verdienen und nur bei Ihnen putzen braucht. Sie ist 20 Stunden am Tag für ihre Tochter da. Aber in den paar Stunden, die sie hier sein kann, fühlt sie sich wohl und kann ausspannen. Sie braucht diesen Job und würde ihn niemals riskieren.« Er wusste es nicht. Und er fühlte sich mies deshalb. »Maren wollte es mir gar nicht erzählen. Aber ich hab sie gesehen, als ich Molly letztens abholte. Sie ist froh, flexible sein zu können. So lange sie fertig ist, wenn Sie noch nicht da sind, kann sie anfangen, wann es ihr möglich ist. Ich bewundere sie. Ihr ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt. Niemals hätte sie geglaubt, sie würde als Putzfrau arbeiten. Sie hat einen guten Abschluss und eine gute Ausbildung. Aber ihr Mann hat sie verlassen, als es zu schwierig wurde. Sie ist alleine. Sie arbeitet dann, wenn ihre Tochter zu irgend einer Behandlung muss. Sie darf nämlich nicht dabei sein. Ein Kindermädchen kann sie sich nicht leisten und es kommt niemand und hilft ihr, von der Krankenkasse oder Familie. Sie ist alleine. Sie ist unglaublich mutig. Und sie liebt ihre Tochter über alles. Auch wenn es sie auffrisst. Sowohl die Krankheit, als auch die Reaktion ihrer Freunde und der Familie.« Jacob wirkte traurig. »Sie möchte gar kein Mitleid«, sagte ich sanft, »zudem freut sie sich, hier etwas mehr zu tun zu haben. Sie meinte nämlich, Molly sei gar nicht so schlimm, wie Sie denken. Also vom Dreck her. Ich hab mit ihr auch geredet, weil ich wissen wollte, ob es okay ist, wenn sie auch meine Klamotten macht. Zum Dank hab ich ihr einen kleinen Gutschein geschenkt, für eine Drogerie. Damit sie auch mal an sich selbst denkt« , erklärte ich. Ja, ich wollte mich nicht aufdrängen und als undankbare, verwöhnte Göre gesehen werden. Schließlich könnte ich auch in die Waschküche.
»Danke«, sagte er fast sprachlos. Er fragte sich, warum er nie auf die Idee kam und Maren eine Kleinigkeit schenkte. Er wollte großzügiger sein und nahm sich vor ihr Gehalt etwas aufzustocken. »Und das ist einer der Gründe, warum ich dir vertraue. Du würdest nie jemanden böses tun. Nie. Du bist der einzige Mensch, der so ist, wie du. Du hast schon schlechte Erfahrungen gemacht, oder? Mit deinem Einfühlungsvermögen.«
»Sehr schlechte«, gab ich, etwas widerwillig, zu.
»Willst du darüber reden?«
Ich