Das magische Armband. Janine Zachariae

Das magische Armband - Janine Zachariae


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nicht, wo wir sind, oder wie lange wir eigentlich unterwegs waren. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Ein Meer aus Blumen. Mit den schönsten Farben. Die meisten waren mir schier unbekannt. Kurz kam mir der Gedanken, dass wir gar nicht mehr auf der Erde sein konnten. So etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen gehabt. Es wirkte alles so harmonisch und friedlich auf mich. Nichts war zu hören. Für einen Moment glaubte ich, am Horizont etwas gesehen zu haben, was wie ein Schloss aussah. Aber dann besann ich mich wieder und wusste, wie lächerlich meine Gedanken waren. Der blaue Himmel beschenkte die Blumen mit noch satteren Farben. Die Sonne reflektierte sie, als seien es Diamanten. Unbeschreiblich und ob meine Wörter dem nahekommen, bezweifle ich. Nicht mal annähernd. Mir stockte der Atem. Er erwartete eine Reaktion und irgendein Wort und er verdiente es durchaus auch.

      »Wunderschön, nicht wahr?« Ich blickte ihm in die Augen. Selbst wenn dieses Paradies wunderschön war, so waren seine Augen vollkommen. Keine Antwort würde dem gerecht werden, was ich empfand. Also nickte ich erneut. Ich kam mir sehr dumm vor. Er schnappte sich noch einmal meine Hand und rannte mit mir in dieses wunderbare Blumenparadies. Ich schnupperte an verschiedenen Blumen und hätte mir gewünscht besser in Landschaftskunde aufgepasst zu haben.

      Es war ein magischer Ort. Mitten drin war ein kleiner Kreis, nur mit Gras. Jack blieb stehen und ließ meine Hand los. Ich bekam gar nicht mit, dass er einen Rucksack dabei hatte. Doch plötzlich öffnete er ihn und holte eine Thermoskanne und eine Dose hervor. Dazu zwei Becher und eine Decke.

      Er breitete die Decke aus und bat mich zu setzen, was ich auch tat. Irgendwie war ich gespannt, wohin dies führen sollte. Dennoch machte es mir auch Angst. Noch immer schwieg ich. Aber ich beobachtete.

      Er war wirklich gutaussehend. Neben seinen ungewöhnlichen Augen, die Orange-Goldbronze gesprenkelt waren, wie ein absolut feiner Diamant, und irgendwie auch so strahlten, hatte er kurzes dunkles Haar. Es ging ziemlich ins Schwarze, aber so wirklich konnte ich diese Nuance nicht einordnen. Jack war groß (vielleicht um die 1,80m) und schlank. Er trug sein Hemd locker über seine Jeans. Er wirkte viel moderner als die meisten Männer, die ich bis dato sah. Wie überall, wurde auch an unserer Schule getuschelt und getratscht. So kursierten einige Gerüchte über diesen wunderschönen jungen Mann. Zum einen hieß es, er käme von einer Großstadt, andre behaupteten, er wäre aus einem anderen Land, zum Beispiel aus Amerika. Das würde seinen Stil erklären. Man konnte aus seiner Stimme und seiner Art zu Reden nicht schlau werden. Nicht mal über sein privat Leben wusste man etwas. Hatte er Familie? Eine Freundin, eine Frau? Ich glaubte nicht, dass er einen Freund hatte (ich meine nicht Freund wie Kumpel, sondern Freund wie Lebensgefährte), so wie er mich ansah, konnte ich es ausschließen. Er war sehr mysteriös. Ein Buch mit sieben Siegeln. Aber irgendwer war er ja. Als ich über all dies nachdachte und mir die Gerüchte noch einmal durch den Kopf gingen, habe ich nicht bemerkt, wie Jack mich ansah und beobachtete. Er lächelte. Er hatte Kaffee in die Becher gegossen und die Dose aufgemacht, indem Gebäck drinnen war.

      »Danke«, sagte ich schließlich. Als ich einen Schluck Kaffee trank und spürte, wie die warme Brühe mich aus der Träumerei erwachen ließ, hatte ich auch den Geschmack wahrgenommen. »Das ist ein köstlicher Kaffee!«, bemerkte ich und Jack lächelte zufrieden.

      »Woran haben Sie gerade gedacht?«

      »Zum zweiten Mal stellen Sie mir diese Frage«, stellte ich fest.

      »Dann ist es das zweite Mal, das Sie so in Gedanken versunken sind.« Jetzt musste ich lächeln.

      »Mmh. An der Schule wird sehr viel über Sie gemunkelt, war Ihnen das bewusst?« Wir saßen einander gegenüber und als ich dies sagte, hatte er gerade seinen Becher am Mund und hätte sich wohl beinahe verschluckt.

      »Was wird denn so alles über mich erzählt?«

      »Es ist ja kaum etwas über Sie bekannt. Sind Sie in einer festen Beziehung? Haben Sie Kinder? Kommen Sie aus einem anderen Land?«

      »Mmh, also ich bin seit 10 Jahren liiert, habe vier Kinder und komme aus Hawaii.« Er lachte dabei. »Nein, ernsthaft, ich bin weder in einer Beziehung, noch habe ich Kinder und ich bin aus dieser Gegend hier.«

      »Wirklich? Sie sind von hier?«

      »Ja. Gibt es sonst Unklarheiten?« Ich schmunzelte.

      »Es ist schön, wenn Sie lächeln. Sie waren die ganze Zeit über so reserviert. Woran lag das?«

      »Das ich verheiratet bin, habe ich erwähnt, oder?«

      »Ist das alles?«

      Ich zuckte mit dem Schultern. »Eine verheiratete Frau macht so was nicht«, murmelte ich schuldbewusst in meinen Becher.

      »Was? Kaffee trinken? Kekse essen?«

      »Mit einem fremden Mann irgendwo im Nirgendwo zu sein.«

      »Fremd bin ich nicht für Sie und wir sitzen doch nur mitten in einem wunderschönen Blumenmeer.«

      »Und warum wollten Sie dann nicht in ein Café in der Stadt sein?«

      »Ja, wahrscheinlich aus diesen Gründen.«

      »Sehen Sie? Wir leben in einer Zeit, in der Frauen nicht einmal arbeiten können, ohne Rechenschaft abzulegen.«

      »Sie arbeiten doch«, stellte er trocken fest.

      »Und ich liebe meine Arbeit. Es gibt allerdings genug Frauen, die nicht das Privileg hatten zu studieren. Was ist mit ihnen?« Ich atmete Tief ein und aus. Was suchte ich nur hier?

      »Sind Sie glücklich?«, fragte er mich und hielt meinen Blick fest. Fast schien es, als würde er versuchen, mehr in ihnen zu lesen. Alles. Meine Gedanken, Gefühle und Geheimnisse.

      »Ich kenne Sie zu wenig, um Ihnen eine Antwort zu geben.« In seinen Augen entdeckte ich ein kurzes Flackern, eine Erkenntnis vielleicht? Er biss sich auf die Lippe und schaute nun auch auf meine. Nervös leckte ich über sie und blinzelte mehrfach, um nicht in seinen Augen zu versinken.

      »Erzählen Sie mir etwas über sich«, schlug ich vor.

      »Was möchten Sie denn hören?«

      »Wenn Sie aus dieser Gegend hier sind, wie kommt es, dass das Kollegium Sie nicht kannte?«

      »Kennen Sie denn jeden aus der Stadt?«, konterte er.

      »Nein, aber ich bin auch zugezogen.«

      »Kannten Sie denn jeden aus ihrer alten Heimat?« Ich schüttelte verneinend den Kopf. »Sehen Sie, nicht jeder ist neu, den man nicht kennt. Ich war in einem Internat und habe direkt mein Studium gemacht. Als ich meinen Abschluss hatte, habe ich mich an vielen Schulen beworben. Diese hier gab mir eine Chance. Ich hatte noch andere Zusagen, aber ich wollte hier sein. Und hier bin ich. Zurück in der Stadt, in der ich aufwuchs.«

      »Wollten Sie nicht die Welt bereisen? Sie sind jung und könnten doch überall hin.«

      »Ich war schon überall.« Ich stutzte. Scheinbar leuchtete über mir ein dickes Fragezeichen, denn er fügte hinzu: »Im Internat haben wir einige Klassenfahrten gemacht. Wir haben wochenlang auf einem Schiff gelebt. Haben die Ozeane abgeklappert und an jedem Hafen angelegt. Wir waren jedes halbe Jahr für drei Wochen unterwegs, bis wir überall waren. Drei Jahre haben wir das gemacht. Über jeden Ort haben wir einen Aufsatz schreiben müssen. Wir haben die Gegend erkundet und sind den Mythen und den Geschichten dort auf den Grund gegangen. Wir haben uns Notizen gemacht und den Rest dann in der Bibliothek des Internats recherchiert. Nach den drei Wochen hatten wir dann drei Wochen lang die Fächer, die während der Reise zu kurz kamen«, erklärte er und grinste dabei, wie ein kleiner Junge an Weihnachten. Scheinbar schiffte er gerne.

      »Wow, das muss eine spannende Zeit gewesen sein.«

      »Ja, das war es.«

      Ich lehnte mich nach hinten, wobei meine Arme mich stützten. »Wieso muss alles immer so kompliziert sein?«, fragte ich gen Himmel. Jack legte sich neben mich und ich tat es ihm gleich.

      »Was meinen Sie?«

      »Könnten wir vielleicht einen Moment einfach nur schweigend hier sein?« Im Augenwinkel sah ich


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