PatchWords. Britta Bendixen

PatchWords - Britta Bendixen


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er auf ihn zu.

      „Hallo, Frank!“

      „Hi. Kennen wir uns?“

      „Allerdings.“ Der Engel runzelt die Stirn. „Du weißt es nicht mehr, stimmt‘s?“

      Frank denkt kurz nach. „Tut mir leid“, sagt er. „Ich kann mich nicht erinnern.“

      „Sommer 1977. Campingurlaub auf Sylt?“

      Frank sieht ihn ratlos an und der Engel seufzt. „Die Nacht, in der die Imbissbude abgebrannt ist. Na, klingelt es?“

      Franks Augen weiten sich. Sein Gesicht wird puterrot. „Tim?“

      „Tom!“

      „Entschuldige! Natürlich, Tom.“

      „Was ist, soll ich dich ein bisschen herumführen?“

      Frank zuckt mit den Achseln. „Warum nicht.“

      Sie gehen ein paar Schritte.

      „Wir haben drei Bereiche. Dies ist der größte.“

      Tom weist nach rechts, wo Börsenberichte und Nachrichten über Bild­schirme flimmern und Leute vor Computern sitzen.

      Augen flackern, Finger huschen über Tastaturen, Smartphones und Tablets.

      Frank staunt. „Sag bloß, es gibt auf virtuellem Weg noch Kontakt zur Erde.“

      Tom lächelt. „Oh nein. Es ist nur eine Art Placebo. Aber sehr beliebt.“

      Sie gehen weiter. Ab und zu erklingt eine Durchsage wie auf einem Bahnhof, nur lieblicher.

      „Warum hast du nie angerufen?“, fragt Tom leise. „Ich hab echt gelitten, weißt du? Ich dachte, das mit uns wäre was Be­sonderes.“

      Frank hüstelt. „Das war es auch.“

      „Unsinn. Du wusstest ja nicht einmal mehr meinen Namen.“

      „Entschuldige. Aber nach dem Urlaub damals begann meine Ausbildung“, versucht er zu erklären. „Ich hatte kaum noch Privatleben.“

      „Ja, du warst sehr erfolgreich, ich weiß. Ich hab dich mal ge­googelt. So, hier ist der nächste Bereich.“

      Er wirkt wie ein riesiges Wohnzimmer, mit Sitzecken und Sesseln aus knautschig-weißen Wolken. Es gibt Grünpflanzen, Spiele und nur wenige Fernsehgeräte, auf denen sich zufrie­dene Menschen Serien und Spielshows von früher ansehen.

      „Hier sind all die, die ihr Leben lang hart gearbeitet, aber keine Ahnung von Computern haben. Die Generationen unserer Eltern und Großeltern. Es kommen nur noch selten Neue.“

      „Bist du … schon lange hier?“

      „Ja, eine Weile. Ein Porsche hat mich umgenietet.“ Tom führt ihn um eine Ecke. „Hattest du nicht auch einen?“

      Frank schweigt.

      Stolz zeigt Tom den letzten Bereich. Hier leben Mensch und Tier friedlich Seite an Seite, Löwen und Schafe, Katzen und Spatzen. Alle wirken glücklich und entspannt. Es gibt keine elektronische Unterhaltung, dafür Natur, Musik und Tanz. Und fröhliches Ge­lächter.

      „Das ist aber schön hier!“ Frank ist begeistert. „Warum ist dies die kleinste Abteilung?“

      Eine melodische Stimme ertönt, bevor Tom antworten kann.

      „Frank Fischer bitte an Schalter 2.

      Franks Lächeln gefriert. „Oje, das bin ich.“ Unsicher schaut er sich um.

      „Schalter 2 ist dort. Wir sehen uns später.“

      „Warte! Was ist das für ein Aufzug daneben?“

      Tom lächelt geheimnisvoll. „Den dürfen nur ganz spezielle Men­schen benutzen. Hoffen wir, dass du nicht zu ihnen gehörst.“

      Schon ist er verschwunden. Hat sich einfach in Luft aufgelöst.

      Frank sieht wieder zum Fahrstuhl. Davor steht ein Mann mit pani­schem Blick. Franks Augen werden schmal. Er kennt ihn. Das ist Karl Abel, der Makler! Von ihm hat er damals den Tipp mit dem Konto bekommen.

      Ein Engel hält Karls kräftigen Arm und drückt einen Knopf. Die Tür geht auf.

      Abel versucht sich loszureißen und brüllt: „Nein, ich will nicht! Lass mich los, du Miststück!“

      Mühelos schiebt der Engel den Makler in die Kabine und drückt einen roten Knopf. Die Tür schließt sich und ein greller gespen­stischer Schrei erfüllt die Luft.

      Auf Franks Armen bildet sich Gänsehaut. Zögernd tritt er an Schalter 2.

      Was hat Abel bloß angestellt, dass er in diesen Aufzug … ?

      „Willkommen, Herr Fischer. Ich habe hier Ihre Statistik“, unterbricht der Engel am Schalter seine Gedanken.

      „Hier steht: 17 gebrochene Herzen, 56.243 Lügen, 378.500 Euro an hinterzogenen Steuern und 13 Feinde.“ Der Engel hebt eine Augenbraue. „Einige waren auf Ihrer Beerdigung, um sicherzugehen, dass Sie auch wirklich tot sind.“

      „Wie nett, dass Sie mir das erzählen.“ Frank lächelt gequält und schielt hinüber zu dem Fahrstuhl, der ihm vertraulich zuzuzwinkern scheint.

      So als wolle er sagen „Ich warte auf dich …“

      Sein Kragen ist viel zu eng. Er kriegt keine Luft.

      Auf einmal ist Tom neben ihm und Frank zuckt zusammen. Wo kam der so plötzlich her?

      „Und?“, will Tom von dem Engel wissen. „Welche Abtei­lung?“

      Der Engel gibt ihm einen Zettel und Tom wirft einen Blick darauf. „Das dachte ich mir“, sagt er mit einem leisen Seufzer und nimmt Franks Arm.

      Frank wird heiß. Sehr heiß. Er zerrt an seinem Krawattenkno­ten und keucht.

      Tom steuert ihn in Richtung Aufzug.

      Frank wird übel. Kann einem Toten schlecht werden? Kann sein Herz rasen? Dieses verdammte Schweizer Konto!

      Der Aufzug. Er will da nicht rein! Hilfesuchend sieht er zu Tom. Der achtet nicht auf ihn und geht langsam weiter, an dem Fahrstuhl vorbei.

      Franks Beine drohen vor Erleichterung nachzugeben.

      Als sie die große Computer-Abteilung erreichen, fällt ihm etwas ein.

      „Du hast vorhin meine Frage nicht beantwortet. Warum ist der schönste Bereich hier gleichzeitig der kleinste?“

      Tom weist in den Raum, in dem die Menschen statt zu kom­munizieren auf Bildschirme starren.

      „Hier kannst du es googeln. Gib einfach ‚Himmelpe­dia.gott/Paradies‘ ein. Alles Gute, Frank. “

      ENDE

      Blütengeflüster

      „Marie! Hier bin ich.“

      Marie wandte den Kopf und sah ihre beste Freundin winkend an einem Tisch am Fenster sitzen.

      „Hier war ich noch nie“, gestand sie, nachdem sie Eva begrüßt und sich hingesetzt hatte.

      „Der Laden ist klasse“, sagte Eva. „Ich war schon oft hier. Tolles Essen, netter Service.“

      Marie sah sich um. Das Restaurant war gemütlich eingerichtet und gut besucht.

      Eva beugte sich vor. „Jetzt erzähl. Wie war der Mallorca-Ur­laub?“

      „Sehr schön, obwohl Daniel nicht mitfahren konnte. Aber vielleicht können wir die Flitterwochen dort verbringen.“

      Ein Kellner trat an ihren Tisch. Er hatte strohblonde, verwu­schelte Haare und blitzende blaue Augen. „Hallo. Haben Sie sich schon entschieden?“

      „Ich


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