Vertraue niemandem. Horst Buchwald

Vertraue niemandem - Horst Buchwald


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Kanzlerin trug schwarz, Karin fast nur rot. Sie lächelten sich an und die Kanzlerin winkte sie zu der gemütlichen Sesselgruppe. Als Karin saß, begann sie für beide einen Cappuccino zu kochen. Drei schnelle Klicks auf das Display der Kaffeemaschine – das reichte für einen köstlichen Trunk. Während die Maschine leise summte, setzte sich die Kanzlerin zu ihr.

      Karin hatte sich vorgenommen, jeder Konfrontation aus dem Weg zu gehen, geschmeidig an einer Zuspitzung vorbeisteuern, hieß ihre Devise. Dennoch wollte sie wissen, ob Ruth mit der Redaktion von „Streitlust“ gesprochen hatte.

      „Nein. Kein Wort. Aber ich konnte gegenüber einigen Presseagenturen nicht dementieren, daß es Differenzen zwischen uns in der Frage gibt, ob und wie wir uns zu dem Fall Kongo positionieren.“

      „Hast du dir dazu eine Meinung bilden können?“

      „Nichts Hundertprozentiges. Darum möchte ich dich bitten, mir deine Argumente zu nennen und mich zu überzeugen oder auch nicht.“

      Die Kanzlerin war immer sehr direkt. Karin entschied sich für eine kurze Erklärung: „Auf dem Markt für strategische Rohstoffe – und dazu gehört Tantal – herrscht eine sehr angespannte Lage. Für uns als Hightech-Nation ist dieser Rohstoff überlebenswichtig. Also müssen wir einen sicheren Zugang zu diesem wichtigen Rohstoff haben. Im Kongo hat Golden Security die Förderung in der Hand. Das ist nach unseren Informationen eine Terrorgruppe, die sich aus ehemaligen Elitesoldaten zusammensetzt. Sie kommen aus den USA, England, Rußland, aber auch Deutschland und einigen anderen Ländern. Sie manipulieren den Weltmarktpreis. Das geht, weil die Produktion des Kongo etwa ein Drittel des Weltmarktes ausmacht. Tantal ist ein knappes Gut und knappe Güter steigen im Preis. Sind es auch noch sehr wichtige Güter, steigen die Preise noch mehr. Tantal steckt in jedem Hightech-Produkt der Elektro- und Computerindustrie. Die Förderbedingungen für die Arbeiter sind mörderisch. Die Arbeiter sind Lohnsklaven, das senkt die Produktionskosten und erhöht die Gewinne der Terrorgruppe erheblich. Der kongolesische Staat ist machtlos und hat die internationale Gemeinschaft um Hilfe gebeten. USA, GB, Frankreich und auch Rußland haben eine Hilfe offengelassen. Der Grund ist einfach: Sie beziehen Tantal von anderen Zulieferern. Dennoch kritisieren sie die Preismanipulationen. Wenn wir uns nun entschließen, dort für Ruhe zu sorgen, wird uns die Regierung des Kongo Privilegien einräumen, und das bedeutet: Unsere Unternehmen werden diesen Rohstoff sicher vorteilhafter nutzen können als gegenwärtig.“

      „Aber warum müssen wir dann Soldaten dort unten haben? Es reicht doch, wenn du mit deinen Diplomaten Überzeugungsarbeit leistest.“

      „Nein, das kann gar nicht erfolgreich sein, weil diese Diplomaten nicht ernst genommen werden, und zwar weder von der Regierung im Kongo noch von Golden Security. Was haben sie zu bieten? Sprüche, Ratschläge. Man wird sie mit leeren Händen nach Hause schicken. Eine entsprechend starke und gut ausgerüstete Armee jedoch kann die Terrorgruppe zwingen, die Waffen niederzulegen. Ist das erst einmal erreicht, leiten wir – wenn notwendig Verhandlungen ein – oder wir jagen die Terrorgruppe zum Teufel.“

      „Und wie werden die Amerikaner, Briten, Franzosen und Russen reagieren?“

      „Sie können gar nicht anders, als uns Beifall zu zollen. Denn auch sie benötigen in den nächsten Jahren mehr Tantal als gegenwärtig.“

      „Klingt – zumindest theoretisch – gut, aber der entscheidende Haken ist: Wie gelingt es unserer Armee, die Golden Security dazu zu bringen, daß sie ihre Waffen niederlegen? Wie hoch ist das Risiko? Mit welchem Personal- und Waffeneinsatz müssen wir rechnen und welche Folgekosten entstehen maximal?“

      „Das lasse ich ab morgen prüfen und ausrechnen.“

      „Also habe ich richtig vermutet: Du hast eine militärische Aktion angekündigt, ohne zu wissen, mit welcher Strategie und mit wie viel Soldaten, Panzern und Flugzeugen wir einsteigen müssen und welche Kosten das minimal und maximal verursacht?“

      „Okay, ich lasse das prüfen und dann reden wir noch mal. Dabei sollten wir den zutiefst humanen Sinn dieser Aktion und seine wirtschaftliche Bedeutung immer im Auge haben: Nach vielen Jahren sinnlosen Abschlachtens sorgen wir dort unten für Ruhe und Frieden. Das wird unser Image erheblich anheben und es wird auch unseren wirtschaftlichen Interessen in Afrika nützen.“

      Die Kanzlerin blieb ungehalten, überlegte nun aber, wie sie ihr Unbehagen formulieren sollte. Schließlich meinte sie:

      „Deine Ankündigung war vorschnell und nicht reiflich überlegt. Wenn du mit deinen Experten in den nächsten zwei Tagen eine überzeugende Analyse vorlegst, halte ich mich mit öffentlichen Äußerungen erst einmal raus.“

      Sie erhob sich und verabschiedete Karin ohne Lächeln.

      Neun

      Sie klingelte pünktlich und energisch. Als Kolbe seine Wohnungstür öffnete, stand Lisa Mohn in einem kornblumenblauen, luftigen und durchsichtigen Sommerkleid vor ihm. Die Krönung aber war der extravagante Strohhut und das verschmitzte Lächeln. So viel Ausstrahlung, so viel Selbstbewußtsein und dann diese ungehemmte Präsentation ihrer weiblichen Reize – Kolbe war schon lange nicht mehr derart fasziniert. Und er spürte, wie seine Schwingungen auf sie übertragen wurden und bei beiden eine beträchtliche Menge Lustgefühle freisetzt wurden. Dennoch fielen sie sich nicht spontan in die Arme. Hans servierte Spaghetti „Bolognese“. Sie war begeistert: „Das wird jetzt mein Lieblingsgericht!“ Nachdem sie zwei riesige Teller verputzt hatte und schließlich auch den Rotwein lobte, meinte sie:

      „Weißt du, warum ich meinem bisherigen Freund Dieter endgültig den Laufpaß gegeben habe?“

      „Nein, woher sollte ich das? Entschuldige bitte, aber ich kenne weder dich noch ihn.“

      „Klar, aber ich kann mir vorstellen, daß du es wissen willst.“

      „Sicher … ich kann mir dann von dir ein viel besseres Bild machen.“

      „Genau … also: Viele Männer betrachten ihre Freundinnen und Frauen nur als sexuellen Spielball. Und leider lassen sich allzu viele Frauen immer noch darauf ein. Ich hoffe, ich täusche mich nicht, wenn ich glaube, du bist anders?“

      Hans erkannte: Sie war raffiniert. Sie unterstellte ihm scheinbar etwas und zwang ihn dann, das zu beweisen. Ein platte Antwort würde sie negativ auslegen. Also gab er ihr eine ehrliche Antwort: „Kein Mensch ist perfekt. Auch bei mir lief nicht jede Beziehung glatt. Brüche, Liebeskummer, Enttäuschungen, vielleicht auch mal Eifersucht … ja, das habe ich alles schon erlebt.“

      Lisa schien das schon zu reichen: „Ich will dich nicht unterbrechen, aber von all den Männern, die ich bisher kennengelernt habe, bist du eine totale Ausnahme, weil ich nicht das Gefühl habe, daß du mich nur als sexuelle Spielpuppe betrachtest. Ehrlich, ich mag Sex sehr.“ Sie schaute ihn nun sehr direkt und herausfordernd an, so daß er zu seiner eigenen Überraschung sogar so etwas wie Unsicherheit verspürte.

      „Aber ich mache es nicht nur aus Lust, sondern zugleich, weil ich den Partner schätze. Und genau das war bei Dieter nicht mehr der Fall. Er hat am Anfang gut geschauspielert, und als er glaubte, ich sei von ihm abhängig, da warf er plötzlich seine Maske ab und nun konnte ich erkennen: Auch er ist die übliche Fratze. Nein, mit solchen Männern kann man keine Partnerschaft aufbauen, heiraten, Kinder kriegen und was so dazugehört.“ Sie holte plötzlich tief Luft und schaute ihn jetzt an wie eine Polizistin, die sich auf ein Verhör vorbereitet. Hans war perplex von dieser Verwandlungskunst im Sekundentempo.

      „Trotzdem würde ich gern von dir wissen, warum du dich getrennt hast? Was war da los?“

      Hans zögerte nicht: „Es hing mit meinem Job als Leiter der psychologischen Beratung des Polizeipräsidenten und des Innensenators zusammen. Ich kann dir nicht sämtliche Einzelheiten erklären, weil ich immer noch an die Dienstgeheimnisse gebunden bin. Nur so viel: Es ging um einen Terroristen, der bei einem Ausbruchsversuch aus dem Gefängnis zwei Gefängniswärter als Geiseln genommen hatte. Der Innensenator und ich hatten über seine Absichten entgegengesetzte Ansichten. Ich glaubte, durch Verhandlungen könnten wir ihn zur Vernunft bringen und dann festnehmen. Ich wollte ihm klarmachen, daß seine Flucht aussichtslos


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