Vertraue niemandem. Horst Buchwald

Vertraue niemandem - Horst Buchwald


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Elitesoldaten dazu bringen willst, abzuziehen. Die sind jetzt schon drei Jahre drin und machen ein Riesengeschäft. Sie verfügen über eine perfekte Infrastruktur. Was ist, wenn sie Verstärkung holen? Dann könnte es schnell ein sehr langer Krieg werden.“

      Karin zog die Augenbrauen hoch und begegnete ihm mit ihrem Oberlehrerblick:

      „Okay! Danke für die wertvollen Hinweise. Kleine Korrektur: Das sind keine Elitesoldaten, sondern Eliteterroristen, die tagaus tagein morden. Vor allem aber: Meinst du etwa, wir hätten das nicht alles schon durchkalkuliert?“

      „Und was kam dabei heraus?“

      Karin sah Lisa an, die den Kühler am Tisch hin und her bewegte und gebannt zuhörte. Als sie Karins Blick bemerkte und sich zurückziehen wollte, war es schon zu spät. In eisigem Befehlston sagte sie ihr:

      „Wir möchten uns ungestört unterhalten.“

      Lisa lag die Entschuldigung schon auf der Zunge, aber sie stoppte sich noch rechtzeitig, denn das hätte wie ein Eingeständnis gewirkt. Also drehte sie sich lächelnd um und wandte sich den Gästen am Nebentisch zu.

      In diesem Moment klingelte Karins Handy. Anruf der Kanzlerin. Sie wollte sich mit ihr am nächsten Morgen um halb sieben treffen. Karin mußte eingestehen:

      „Wir sind noch nicht so weit.“ Und wartete ab. Die Kanzlerin legt verärgert auf.

      „Dicke Luft … oder?“, fragte Michael.

      Karin nickte nur. „Sie übertreibt ein wenig.“

      „Vielleicht nicht. Sie befürchtet wohl ähnlich wie ich, daß diese Aktion außer Kontrolle gerät und sehr teuer werden kann.“

      Nun wurde Karin ziemlich ärgerlich: „Du kannst sicher sein, daß wir diesen Fall so lösen werden, daß deine und ihre und weitere Befürchtungen nicht eintreten werden. Und nun beenden wir das Thema und bestellen erst mal etwas zu essen. Sonst gehe ich gleich wieder.“

      Michael Benn öffnete die Speisekarte. Sie bestellten beide Lachsspaghetti und fanden trotz mehrfacher Anläufe kein Thema mehr, daß sie länger als ein paar Floskeln beschäftigte. Dann verabschiedeten sie sich. Lisa half Karin in den Mantel. Sie dankte ihr, gab wie immer 10 Euro Trinkgeld und war weg.

      Elf

      Hans hatte sich am Bahnhof Zoo mit seinem Taxi eingereiht. Es ging wieder mal nur träge voran. 21 Taxis standen noch vor ihm. Er hatte also mindestens eine Stunde Wartezeit und das gab ihm die Möglichkeit, in Ruhe nachzudenken. Wie sollte es mit Lisa weitergehen? Was könnte er unternehmen, damit Karin sich intensiver mit seinen Visionen befaßte? Es entwickelte sich eine chaotische Tagträumerei, bei der ihm plötzlich bewußt wurde, daß er Karin und Lisa miteinander verglich. Sie waren sich durchaus ähnlich. Rauhe Oberfläche, so gut wie unnahbar. Aber wenn sie erst einmal Zutrauen gefunden hatten, bröckelte der dick aufgetragene Kunstlack ab und ihr wirkliches Ich wurde bloßgelegt. Plötzlich waren sie pure Leidenschaft. Und nachdem das Feuer eine Weile lichterloh brannte, wurde es rasch gelöscht und frischer Lack aufgetragen und die Schotten wurden wieder dichtgemacht. Schon seltsam – die Evolution hat es doch so eingerichtet, daß es keine zwei gleichen Lebewesen gibt – schon gar nicht Menschen. Aber Lisa und Karin hatten nun mal überraschend viele Ähnlichkeiten.

      Hans spürte, daß sein Magen knurrte. Zu wenig gefrühstückt. Er scherte aus der Warteschlange aus, fuhr in die Seitenstraße, parkte dort ein und ging ins „Ganymed“. Hier war der Kaffee stark und schwarz und es gab Vollkornbrot mit Schinken und Käse – genau das, was ihm fehlte. Er nahm seinen letzten Schluck Kaffee und wollte gerade an die Theke gehen und zahlen, als er am Nebentisch einen Zweimetermann mit Vollbart entdeckte. Das war Max Scheel, der frühere Sprecher der Linken in der Neue-Welt-Bewegung. Hatte er ihn nicht erkannt, als er sich neben ihn setzte? Max war vollständig in seine Zeitung vertieft. Mit seiner Intellektuellenbrille, die er früher nie trug, wirkte er wie ein Professor, der gerade eine Vorlesung in der Uni abhielt.

      „Hallo Max!“, begrüßte ihn Hans und legte seine Hand auf dessen Schulter. Max schaute erstaunt auf, er überlegte und dann erkannte er ihn.

      „Positive … nein, äußerst positive Überraschung.Ich habe gerade an dich gedacht … weil … ich das hier gelesen habe.“

      Er reichte Hans die Zeitung. Es war ein Bericht über Karins Aufstieg und ihre Interventionspläne in Afrika. Hans nickte. Wollte das aber nicht kommentieren. Max beobachtete seine Reaktionen und meinte dann:

      „Was ist aus deiner ehemaligen Frau bloß geworden? Sie war ja immer schon sehr ehrgeizig, aber jetzt steuert sie mit Riesenschritten auf den Kanzlerthron zu.“

      „Langsam, langsam. Zum Glück ist die Kanzlerin noch da. Die wird ihren Posten nicht räumen.“

      „Aber was Karin Hausner da plant, ist doch kaum zu kontrollieren. Wenn ich mich recht entsinne, haben Europäer bisher jedes militärische Engagement in Afrika mittel- oder langfristig bereut. Es hat viel Geld gekostet und nichts gebracht. Afrika ist wahrscheinlich nie kontrollierbar.“

      „Leider ist unsere Bewegung ziemlich zerbröselt. Vor zwei Jahren hätten wir sie gestoppt.“

      „Klar, wir müssen sie auch jetzt stoppen. Aber wie?“

      „Darüber sollten wir ein anderes Mal ausführlich diskutieren, wenn du Interesse hast? Ich muß wieder los – Geld verdienen.“

      „Warum nicht? Gern sogar.“

      Kolbe gab ihm seine Visitenkarte. „Ruf mich an, wenn du mal Zeit hast. Ich habe mich schon mal bemüht, direkt an sie ranzukommen. Das werde ich auch weiterhin versuchen.“

      Max kniff die Augen zusammen: „Sehr interessant. Ich melde mich dann mal.“

      Zwölf

      Nachdem die Kanzlerin am Morgen an der Sitzung des Europarates in Brüssel teilgenommen hatte, flog sie am frühen Nachmittag zurück nach Berlin. Sie landete auf dem Regierungsflughafen in Tegel. Kaum saß sie in ihrem Dienstwagen, teilte sie ihrem Fahrer mit, er solle sie sofort in das Außenministerium fahren.

      Karin war ziemlich überrascht und sie spürte, daß die Kanzlerin diesmal nicht mit einem Cappuccino locken würde. Also nun erst recht: geschmeidig bleiben! Und sie nutzte ihren Vorteil, denn Generaloberst Gerd Johannes, der ihr gegenüber saß, hatte vor einer halben Stunde eine erste Analyse über den Einsatz im Kongo auf den Tisch gelegt.

      Für die Kanzlerin faßte er die wesentlichen Punkte zusammen:

      „Wir haben es im Kongo mit einem privatisierten Krieg zu tun. Geführt wird er von Golden Security, einer Truppe, die sich aus Elitesoldaten verschiedener Länder zusammensetzt. Ihre Kennzeichen sind: mindestens drei Jahre Kampferfahrung. Die Köpfe oder Bosse von Golden Security sind Manager. Ihr einziges Ziel: reich werden. Politische Motive haben sie nicht. Sie sind Bestandteil eines transnationalen Netzwerks organisierter Krimineller. Ihre Aktivitäten sind Menschen-, Drogen- und Waffenhandel sowie die gewaltsame Aneignung und Ausbeutung von Bodenschätzen. Sie betreiben eine sogenannte entzivilisierende Kriegführung. Das bedeutet: Massenvertreibungen, Massenvergewaltigungen, terroristische Akte gegen Zivilisten aller Art wie gezielte Tötung, Verstümmelung, Enthauptung. Militärisch gesehen setzen sie vor allem leichte Waffen und Gerät ein. Daraus ergibt sich unsere Überlegenheit, denn wir werden über sie ein Drohnen-Netz spannen, so daß wir in der Lage sind, unsere Kampfroboter gezielt gegen sie einzusetzen. Nachdem diese das Gröbste erledigt haben, kommen unsere Spezialeinheiten zum Einsatz, die den Rest erledigen.“

      Die Kanzlerin hörte zunächst zu und sprach dann den aus ihrer Sicht wichtigsten Punkt an:

      „Sehen Sie das nicht zu positiv? Welche Risiken sind am wahrscheinlichsten?“

      Der General blätterte in seinen Unterlagen. Zu lange, denn schon hatte die Kanzlerin den nächsten Punkt. „Ich will außerdem wissen, welche außenpolitischen Konsequenzen damit verbunden sind.“

      Karin war bemüht, den Spitzen, die die Kanzlerin in ihre Richtung abschoß,


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