Der Bund der Katzenfrauen. D. Bess Unger

Der Bund der Katzenfrauen - D. Bess Unger


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nur mein Sonnenschein geblieben? Bist erwachsen geworden, wirst deiner Mutter immerfort ähnlicher.« In der Stimme schwang Stolz und Trauer mit. Innerlich hin- und hergerissen, registrierte er Lenas indigene Gesichtszüge, der Erbteil ihrer indianischen Abstammung mütterlicherseits. »Ava hat die Toilette aufgesucht. Wenn sie auftaucht, sei nett zu ihr. Nicht eure übliche Kabbeleien! Versprich mir das.«

      Lena nickte, das Wort Kabbeleien beschrieb ungemein verharmlosend den Umgang zwischen Mutter und Tochter. Den konnte man im günstigsten Fall mit einem gesellschaftlichem Agreement beschreiben, liebevolle Zuwendung war vonseiten ihrer Mutter nicht mehr vorgesehen, die war an Tante Atridi delegiert worden. »Um Gotteswillen, nein«, beruhigte sie ihren Vater. »Ich bin froh, dass ihr euch zusammengerauft habt.«

      Filippos verzog das Gesicht. Bevor er antworten konnte, betrat ihre Mutter das Gate. »Ava, schau dir unsere Tochter an! Eine wahre Schönheit ist sie geworden, das Ebenbild der Mama!», rief er ihr entgegen.

      »Hi, Mum, schön, dich zu sehen!«

      Eine Spur von Eifersucht über das blendende Aussehen ihrer Tochter unterdrückend, trat Ava lächelnd auf Lena zu und umarmte sie. Ihr Gesicht war sorgfältig geschminkt, in vergangenen Tagen hatte sie das nicht für nötig befunden.

      ›Sollte die Schminke Verräterisches verdecken?‹ Was Lena bei ihrem Vater peinlichst vermieden hatte, tat sie jetzt bei der Mutter. Sie schob die Brille auf die Haare und blickte ihr direkt in die Augen. Wie nutzbringend, dass sie dank des jahrelangen Hapkido-Trainings ihre Emotionen perfekt im Griff hatte! Grau war die Aura der Mutter, zeugte von Überdruss, Hoffnungslosigkeit, Verlassenheit und Trauer. Aber das war es nicht, was Lena erschütterte, es waren die ekelerregenden Gedankenbilder, die auf sie einbrachen. In brutaler Deutlichkeit wurde ihr bewusst, dass Ava ihren Mann noch immer betrog. Nicht mit einem heimlichen Geliebten in der blauen Stunde des Abends, das hätte Lena verstanden, nein, Ava gab sich wechselnden Zufallsbekanntschaften hin. Der brutale Sex zeugte von einer seltsam freudlosen Befriedigung der Lust, die auf Vergessen hoffte. Widerwillig drückte sie ihre Mutter an sich, brachte nur ein gepresstes »Ach, Mum« heraus und wischte sich über die feuchtgewordenen Augen.

      Die scheinbare Rührung ihrer Tochter stimmte Ava optimistisch. »Wunderbar, dass du uns begleitest«, freute sie sich, »Filippos ist selig, dass er sein Mädchen bei sich hat.« Auffordernd blickte sie ihren Mann an, der reagierte nicht, starrte nur stumpfsinnig auf den Boden. »Du wirst sehen, alles wird sein wie in unseren glücklichen Tagen!«

      ›Nichts wird so sein wie ehemals‹, dachte Lena. ›Dad kann dir keine Stütze sein, er ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Und du Mum, du kannst dem zähen Sumpf, in dem du gefangen bist, nicht mehr entkommen.‹ Es war eine vertrackte Situation, im Grunde ihres Herzens fühlte sie, dass ihre Stunde als Tochter geschlagen hatte, jedoch die Umstände ließen es nicht zu. ›Mein Platz ist in Griechenland, nicht hier im kalten Deutschland. Aber die nächsten vier Wochen will ich zumindest versuchen, das Beste zu geben.‹

      Über einen Lautsprecher hörte man eine unverständliche Frauenstimme brabbeln, der Aufruf zum Boarding. Die Menschen im Raum sprangen von ihren Sitzen auf und drängten derart hektisch nach vorne, als gäbe es im Flugzeug nicht für alle Sitzplätze.

      Es hatte zu regnen begonnen. Die dicht fallenden Tropfen wurden von den vielen orangefarbenen Scheinwerfern durchstrahlt und überzogen den Asphalt und die wartenden Flugzeuge vor dem Terminal mit einem matten Glanz.

      »Kommt, gehen wir!«, befahl Ava und stand auf. Resigniert warf Lena den Gurt des Rucksacks über ihre linke Schulter.

      »Nur keine Hektik«, sagte ihr Vater. »Wir sitzen im Flugzeug hinten, da sind wir zuletzt dran!«

      Vor ihren Eltern betrat Lena den Gang der Fluggastbrücke, die das Terminal mit dem Flugzeug verband. Im Schneckentempo schoben sich die Passagiere durch den Tunnel, die einen stumm und betreten, andere blickten ständig auf ihre Bordkarten, wohl um sich die Nummer ihres Sitzplatzes einzuprägen. Am Eingang zum Flugzeug stand eine schwarze Stewardess.

      Als Lena an der Frau vorbei schlich, fixierte sie ihren Blick gewohnheitsmäßig unmittelbar über deren Nasenwurzel. Ebenhin wollte sie zu einer knappen Begrüßungsfloskel ansetzen, da blitzte auf der Stirn der Stewardess ein weißer fünfzackiger Stern auf. Die Worte blieben Lena im Hals stecken, das Blut wich ihr aus dem Gesicht, aschfahl geworden blieb sie stehen und starrte erschrocken ins Gesicht der Schwarzen.

      Auch die SAA-Angestellte verhielt sich seltsam. Mit ihrer Rechten hatte sie so ruckartig ihre Augen bedeckt, als hätte sie ein Blitz geblendet, sodann sank ihre Hand wieder herunter. Sie versuchte ein entschuldigendes Lächeln, das ihr nur unvollkommen gelang.

      Von hinten im Gang hörte man das nervöse Gemurmel der nachdrängenden Passagiere. Lena fühlte sich von ihrem Vater ungeduldig ins Flugzeuginnere hinein geschoben.

      »Kanntest du die Frau? Warum habt ihr euch derart seltsam angestarrt?«, fragte ihre Mutter erstaunt. »Du bist kreidebleich! Ist dir schlecht?«

      Lena schüttelte den Kopf. »Nein, Mum«, erwiderte sie knapp.

      Ihre Mutter fragte nicht nach, für welche Frage das Nein die passende Antwort war. Sie warf ihrem Mann einen auffordernden Blick zu, der nahm Lena bei der Hand und führte sie zu ihren Sitzen auf der linken Fensterseite. »Hier ist Reihe 48. Willst du am Fenster sitzen?«, gab er sich betont fürsorglich.

      Ablehnend winkte Lena ihre Mutter auf den Fensterplatz. »Nein, Dad«, sagte sie mit gequält wirkender Stimme. »Wenn es dir nichts ausmacht, bevorzuge ich den Platz am Gang.« Sie spürte einen misstrauischen Blick auf sich ruhen. »Falls ich zur Toilette muss, mir ist flau im Magen«, setzte sie hinzu, um keine zusätzlichen Fragen beantworten zu müssen.

      Nein, ihr Magen war in Ordnung, der reine Horror hatte sie aus heiterem Himmel angefallen. Zum ersten Mal seit zwei Jahren hatte sie im Gesicht eines Menschen einen fünfzackigen Stern aufblitzen sehen! Im Grunde hatte sie zwar gewusst, dass das jederzeit geschehen könnte, jedoch unverwandt versucht, das Wissen darum zu verdrängen. Und jetzt das!

      Das Flugzeug war gestartet, den Passagieren wurden Getränke angeboten. Auf ihrem Gang bediente ein farbiger Steward, die schwarze Stewardess hatte auf dem gegenüberliegenden Gang ihre Arbeit in diesen Minuten erledigt und schob den Servicewagen zurück in die Bordküche.

      War die Jagd der Schwarzen Magier auf sie eröffnet? Furcht kroch im Schritttempo in Lenas Körper und begann an ihrem Selbstbewusstsein zu nagen. ›Nein, ich muss mir Klarheit verschaffen‹, beschloss sie. ›Sofort, andernfalls drehe ich durch.‹ Über den vor sich hindösenden Vater lehnte sie sich zu ihrer Mutter hinüber. »Ich frag die Stewardess, ob sie eine Tablette für meine Magenprobleme hat, Mum«, sagte sie kaum vernehmlich. Ava nickte zerstreut und tätschelte ihrer Tochter zustimmend die Hand.

      Wo zum Kuckuck sollte sie die Stewardess finden? Im Ruheraum? Wo war der? Hinten im Flugzeug? Lena stand auf und machte sich auf den Weg. Sie registrierte die bewundernden Blicke der jugendlichen Buren, die nach einem Urlaub in Europa jetzt zurück in ihre südafrikanische Heimat flogen. Das achtzehnjährige Mädchen war aller Beachtung wert, eine exotische durchtrainierte Erscheinung. Dass sie im abgedunkelten Flugzeug eine Sonnenbrille trug, ließ an ein prominentes Fotomodel denken. Flüchtig scannte Lena ihre Auren, sofort wandten sich ausgesprochen sensible Männer ab und glotzten auf ihre eingeschalteten Monitore.

      Im Bereich des Heckleitwerkes fand Lena einen Raum, dessen Zutritt durch eine Tür versperrt war, anscheinend der Ruheraum des Begleitpersonals. Sie klopfte. »Hallo, darf ich kurz stören?«, fragte sie auf Englisch, das sie ihrer amerikanischen Mutter wegen, perfekt beherrschte.

      Die Tür öffnete sich, die schwarze Stewardess trat heraus. »Ach, Sie sind das!« Ein erkennendes Lächeln zeigte blendend weiße Zähne. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie vorhin nicht begrüßt habe. Irgendetwas muss mich geblendet haben, vielleicht eine Spiegelung in Ihren Brillengläsern.«

      »Mag sein«, sagte Lena und spulte ihre Standardausrede ab: »Die dunklen Gläser brauche ich wegen eines Augenleidens.« Sie schob die Brille auf ihre Haare empor und sah der Stewardess geradewegs in die Augen.

      Eine Aura in


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