Der Bund der Katzenfrauen. D. Bess Unger

Der Bund der Katzenfrauen - D. Bess Unger


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gegenüber könnte einen Hexer auf deine Spur hetzen. Denke daran, solange du lebst!«

      Lena nahm die Hand der Frau, die wie versteinert neben ihr saß, und drückte sie sanft. »Die Gefahr ist nicht so enorm, wie du jetzt möglicherweise denkst«, versuchte sie sich selbst und Pamela zu beruhigen. »Vor Sternenstaubträgern, wie wir beide es sind, geht für uns keine Gefahr aus, die magische Energie schlummert friedlich in uns und wird mit unserem Tod vergehen. Vor Weißen Magiern werden wir ebenfalls keine Angst haben müssen. Ich denke, dass nur Schwarze Magier Gewalt anwenden. In meinem Leben bin ich bisher nur einem solchen Wesen begegnet, einer furchtbaren Frau. Überleg mal, du als Stewardess siehst täglich viele Menschen und ich bin jetzt die erste Sternenstaubträgerin, die dir über den Weg gelaufen ist! Beherzige meine Ratschläge und sei vorsichtig, wenn du auf der Stirn eines Menschen erneut einen solchen Stern sehen solltest. Suche auf der Stelle das Weite!«

      »In Ordnung, ich verspreche es dir«, sagte Pamela und nestelte in ihrer Handtasche herum. »Komm, lass uns E-Mail-Adressen und Telefonnummern austauschen.«

      Prompt packte Lena ihr Handgelenk. »Nein«, stieß sie hervor, »Bitte, nur das nicht!«

      Verständnislos blickte die Stewardess Lena an.

      »Verstehe«, flüsterte Lena beschwörend. »Wir könnten persönlich der Schwarzen Magie verfallen! Wir wären dann eine Gefahr füreinander, wenn wir unberührten Sternenstaub bräuchten. Besser wir wissen voneinander nicht, wo wir zu finden sind.«

      Gehorsam schob Pamela die Visitenkarte in ihre Tasche zurück.

      »Pamela, genug von den schrecklichen Dingen! Ich geh jetzt zu meinem Platz zurück und versuche zu schlafen.«

      Sie standen auf. Das achtzehnjährige Mädchen und die dreiunddreißigjährige Frau standen sich wortlos gegenüber, dann umarmten sie sich.

      Die Lichter im Flugzeug waren heruntergedimmt, die Jalousien vor den Fenstern heruntergezogen. Die meisten Passagiere hatten Decken über sich geworfen und schliefen, auch Lena lag zugedeckt in ihrem Sitz.

      Während das Flugzeug in elftausend Meter Höhe über die Sahara raste, peinigte sie seit langer Zeit wieder der Albtraum, der über viele Monate hinweg ihr nächtlicher Begleiter gewesen war: Lena kauerte in einer dunklen Höhle, ein raschelnder Ton in ihrem Rücken ließ sie erstarren. Sie nahm eine Bewegung wahr, sah einen monumentalen Skorpion vorschießen und seinen Giftstachel in einer Vene ihrer linken Hand versenken. Sie spürte, wie sich das Gift siedend heiß in ihr Blut ergoss. Trotz der beginnenden Muskelkrämpfe und ihres gefühllos werdenden Arms schleppte sie sich mit letzter Kraft nach draußen, dort brach sie zusammen. Die Welt nahm sie nur verschwommen wahr. Ihr Herz begann zu rasen, ihr wurde furchtbar übel, Schweißausbrüche überfielen sie, das Gefühl von Taubheit und bitterer Kälte kroch in ihren Körper hinein. Das Blau des Himmels bekam einen Stich ins Rote, wandelte sich in Violett. Die braune Erde wurde schwarz. Himmel und Erde, Schwarz und Violett begannen sich zu drehen, bildeten einen rasenden Strudel, der sie in sich einzusaugen begann. Sterbend flog Lena durch einen dunkelvioletten Tunnel auf einen von Licht erfülltem Ausgang zu. »Nein, nein, ich will nicht sterben«, wollte sie rufen, doch ihr Mund blieb stumm, kein Glied konnte sie rühren.

      Um 2 Uhr 30 glitt Pamela auf ihrem Kontrollgang an der Sitzreihe 48 vorbei. Sie blieb vor Lena stehen und schaute der Schlafenden ins Gesicht. ›Nein, das kann nicht sein‹, dachte sie. ›Das Mädchen hat zu viel Fantasie, für die Sache mit den Sternen muss es eine vernünftige Erklärung geben.‹ Sie wollte schon weitergehen, als sich Lenas Gesichtszüge wie unter einer entsetzlichen Qual verzerrten. Pamela strich ihr sanft über das Haar, sofort entspannte sich die Frau und schien in einen traumlosen Schlaf zu fallen.

      Um 5 Uhr 45 graute der Morgen und eine dreiviertel Stunde später schimmerte eine blassrote Sonne aus einem blaugrauen Wolkendunst hervor. Die Passagiere wurden allmählich munter. Auch Lena erwachte. Verärgert registrierte sie, dass die angeregte Unterhaltung zweier Passagiere daran schuld war.

      »Es stimmt, meine Liebe«, sagte ein Mann zu der Nachbarin gewandt, »Das haben Sie korrekt verstanden, wir alle sind aus Sternenstaub gemacht. Ja, der Sternenstaub! Ich sage Ihnen, bei seiner Zusammensetzung hat sich der Weltenlenker trefflich angestrengt.«

      Entsetzt drehte Lena ihren Kopf nach rechts und fixierte den Sprecher. Sie sah einen Mann mittleren Alters mit Stirnglatze, Brille und einem Drei-Tage-Bart. Lebhaft gestikulierend redete er auf die Nachbarin ein. ›Bitte, bitte‹, flehte Lena, ›die Sache mit Pamela hat mir schon gereicht, keine zusätzlichen Katastrophen!‹

      »Wie meinen Sie das, Herr Professor?«, erwiderte die Frau. »Was haben wir Menschen mit Sternenstaub, wie Sie sich poetisch auszudrücken belieben, zu tun?«

      »Nun ja, die schweren Elemente sind vor Milliarden Jahren in sterbenden Sonnen erbrütet worden. Durch fein abgestufte Kernprozesse sind aus Heliumatomen die Bausteine des Lebens in genau der passenden Menge zusammengebacken worden, vorwiegend Kohlenstoff und Sauerstoff. Der Sternenstaub wurde ins Universum abgestoßen und daraus ist unsere Sonne mit den Planeten und unserer Wenigkeit entstanden. Wunderbar, nicht wahr?« Man konnte die Begeisterung, die aus dem Mann sprach, spürbar greifen. »In Johannesburg treffen wir Astrophysiker uns zu einem Meeting«, fuhr der Professor fort, »Ich werde einen Vortrag über die vier grundlegende Kräfte halten. Ich sage Ihnen, die Welt, wie wir sie kennen, war nur um Haaresbreite vom Nichts entfernt!«

      Erleichtert wandte sich Lena ab. ›Nur ein Wissenschaftler, der von Physik redet und nicht von Magie. Gott sei Dank! Merkwürdig, dass der Begriff Sternenstaub für so verschiedene Dinge verwendet wird. Ist das Zufall?‹

      »Hast du schlecht geträumt?«, unterbrach Dad ihre Gedanken. »Mir war, als hättest du im Schlaf irgendetwas von einem Tunnel gemurmelt.«

      Lena musste nachdenken. Stimmt, ihr vertrauter Albtraum hatte sie gepeinigt, aber kurz vor ihrer Erlösung hatte es einen Filmriss gegeben. »Mag sein, irgend so ein wirres Zeug, lohnt nicht, darüber nachzudenken«, erwiderte sie gegen ihre Überzeugung.

      Pünktlich um 8 Uhr 25 setzte die Boeing auf dem Flugplatz von Johannesburg auf. Als die Räder auf der Landebahn aufsetzten, klatschten manche Passagiere.

      Ava wunderte sich, dass sie keine Probleme mit ihren Ohren hatte. »Kein Wunder«, sagte ihr Mann. »Die Stadt liegt 1 800 Meter über dem Meeresspiegel!«

      Ava schien nicht beeindruckt. »Was du alles weißt«, erwiderte sie schnippisch und puderte sich die Nase.

      Kaum stand die Maschine, sprangen die Menschen von den Sitzen empor, rissen die Gepäckklappen auf, zerrten ihre Sachen heraus und drängten zu den Ausgängen. An Lenas Ausstieg stand Pamela. Die Beiden umarmten sich und flüsterten sich etwas ins Ohr. Ihre Mutter und einige Passagiere schauten befremdet zu.

      2. Chief Innocent

      Im Eiltempo schob Filippos den Gepäckwagen aus dem Terminal zu den Taxiständen hin, die beiden Frauen trotteten hinterher. Alle Taxis waren weg. »Verdammt, wo steckt der Bursche nur!« Ungehalten blickte er um sich.

      »Erwartet uns Dads Freund hier in Johannesburg?«, fragte Lena ihre Mutter verwundert. »Ich dachte, der wohnt in der Nähe von Durban.« Die war außer Atem und konnte nicht antworten.

      »Passt auf das Gepäck auf«, befahl Filippos. »Die Afrikaner klauen wie die Raben! Ich geh Geld wechseln.«

      Von einem sommerlichen Afrika konnte keine Rede sein, die Luft war kühl, es nieselte leicht. Lena blickte zu dem trüben Himmel empor und zerrte ihre unter den Koffern eingeklemmte Jacke hervor. »Hoffentlich beeilt sich Dad«, stöhnte sie und warf sich die Jacke über die Schultern. »Warum hat er nicht schon zuhause Euros in Rands gewechselt?«

      Ein stämmiger Mann mit einer Hautfarbe mehr Umbra als Schwarz steuerte geradewegs auf die Beiden zu. Je mehr er sich näherte, desto breitgezogener wurde sein Lächeln. Er blieb vor ihnen stehen


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