Homo sapiens movere ~ geopfert. R. R. Alval

Homo sapiens movere ~ geopfert - R. R. Alval


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es nur Glück, dass Bingham mich angetroffen hatte oder hatte er nach mir gesucht? Mir fiel ein, dass das nun eher zweitrangig war. Ich würde meinen Job ruhen lassen müssen, bis Bingham entweder unschädlich gemacht oder von seiner hirnrissigen Idee mich zu bestrafen abgebracht worden war. Denn er hatte mein Blut getrunken.

      Ein unfehlbarer Wegweiser für ihn.

      Eine Leuchtreklame, die ihn jederzeit zu mir führen konnte.

      Ich hatte das zwar schon vermutet, doch Alan bestätigte es mir.

      Wie schön!

      Dabei hatte ich so sehr gehofft, dass sich mein Leben endlich wieder in die richtigen Bahnen lenkte.

      Auch ohne Laura.

      Zu meiner Überraschung war Sven nicht da.

      Dafür zwei andere Angestellte. Der ältere Herr wurde mir als Scott vorgestellt, die junge, recht hübsche Frau als Elaine. Nun, im Gegensatz zu Sven schien Scott von der ruhigen Sorte zu sein. Seine Augen blickten mit einer Ruhe zu mir herab, dass ich mir wie ein kleines Kind vorkam. In ihnen blitzten Intelligenz und eine Weisheit, die das Alter wohl mit sich brachte. Grob geschätzt vermutete ich ihn irgendwo um die 70. Er trug einen Frack und verhielt sich auch sonst recht förmlich und steif, so dass er wie der Butler eines stinkreichen Lords wirkte.

      Ähm ... in gewisser Weise war er das wohl auch.

      Elaine hingegen trug eine Dienstmädchenuniform, die beim Waschen eingelaufen war. Ich fragte mich, ob ihr Busen in diesem winzigen Kleidchen blieb, wenn sie sich bückte. Sie musterte mich, als müsse sie einen Katalog meiner Vorzüge und Nachteile erstellen. Eine Musterung, die mir sehr herablassend erschien.

      Meinetwegen.

      Ich musste sie schließlich nicht mögen.

      „Wo ist Sven?“ Alan schaute mich an, als hätte ich ihm ein Messer in die Brust gerammt. „Wir hatten Differenzen.“ Das sollte wohl beiläufig klingen, tat es jedoch nicht.

      Eher als würde er es bereuen. Denn dass Sven von zwei Personen ersetzt wurde, sagte einiges über dessen Kompetenz aus.

      Beziehungsweise die seiner Nachfolger.

      Obwohl mir die nächste Frage bereits auf der Zunge lag, ließ ich es bleiben. Es ging mich nichts an, welcher Art Differenzen der Personalwechsel zu verdanken war.

      Elaines Frage, ob sie das kleine Gästezimmer vorbereiten sollte, beantwortete Alan mit einem mürrischen Wischen seiner Hand. „Das große, nicht das kleine.“ Da ich wusste, dass beide gleich groß waren, fragte ich mich, wieso sie die zwei Zimmer nicht einfach in das linke und rechte teilten. Zuletzt hatte ich im hintersten Zimmer gewohnt, also dem rechten. Wo war der Unterschied? „Sachen findest du genug im Ankleidezimmer. Oder bestehst du auf deine persönliche Garderobe? Ich kann sie dir holen lassen.“ Ich überlegte nur kurz.

      Es wäre zwar nett, meine eigenen Klamotten zu haben, aber ich entschied mich aus zwei Gründen dagegen: Ich wollte erstens nicht, dass jemand sich durch meine Wäsche wühlte. Zweitens: Sollte ich schnell von hier verschwinden müssen, würde es nicht Wochen dauern, bis ich meine persönlichen Sachen wieder bekam. „Essen für zwei. Bringen Sie es in mein Arbeitszimmer. Das obere.“ Scott senkte leicht den Kopf. „Sehr wohl, mein Herr.“ Ui.

      Ich war baff.

      Das hörte sich an wie tiefstes Mittelalter. Oder zumindest frühes 19. Jahrhundert.

      „Sie sind sich sicher, dass ich das große Zimmer herrichten soll?“, fragte Elaine argwöhnisch, wobei sie Scotts entrüsteten Blick ignorierte. Alan bedachte sie mit einem Stirnrunzeln. „Tun Sie, was ich Ihnen sage. Und stellen Sie nie wieder meine Anweisungen in Frage.“ Das hatte gesessen. Schuldbewusst senkte sie den Kopf, machte einen leichten Knicks und stürmte die Treppen hinauf. Scott war längst verschwunden. Absolut lautlos. Fast wie ein Geist. Der Gedanke an Laura durchzuckte mich. Würde sie wirklich mit mir reden oder hatte ich mir das alles nur zusammen fantasiert?

      „Komm mit.“ Alan hielt mir seine Hand entgegen, die ich kühl lächelnd ignorierte. Ich konnte die verdammte Treppe allein hochsteigen.

      Ein amüsiertes Glitzern huschte durch seine Augen, bevor er sich umdrehte und vor mir nach oben ging. Was für ein hinreißender Anblick. Schnell schob ich meine gierigen Fantasien beiseite, die mir seine knackige Kehrseite vorgaukelte.

      Nie im Leben!

      Hoffte ich.

      Aber verdammt nochmal, der Typ war heiß!

      Eine erschreckende Gegebenheit, die meine Nerven aufs äußerste strapazierte und diese verflixten kleinen Biester in mir zu ihrer Höchstform antrieb, die einem verheerenden Amoklauf glich. Reiß dich zusammen! Er ist nur ein Mann. Ein schöner, ja, aber ein Arschloch. Ein blödes, hinterhältiges, widerliches, rechthaberisches, selbstgefälliges, eingebildetes, testosterongesteuertes Arschloch! Ich fühlte mich gleich viel besser.

      Kurzfristig.

      „Setz dich.“ Mit einer schnellen Handbewegung zeigte er auf den Sessel vor seinem Arbeitstisch, bevor er sich auf eben diesen Tisch setzte und hinter sich griff. Zum Vorschein kamen einige Schreiben, die offenbar versiegelt gewesen waren.

      Wie altmodisch war das denn? „Warum hast du auf meine Briefe nicht reagiert?“ Auf die, hm, mal überlegen… „Weil ich mit dir nichts mehr zu tun haben möchte.“ Tief Luft holend seufzte er, vermied jedoch eine Äußerung. „Lies.“

      Damit hielt er mir die Schreiben entgegen, die er eben vom Tisch geangelt hatte. Mit gerunzelter Stirn überflog ich die Papiere, die allesamt mit einer feinen Handschrift aufgesetzt waren und alle denselben Wortlaut besaßen:

       Hiermit fordern wir Sie, Alan Garu, Alpha des Rudels der Bannenden, Samantha Bricks wegen Mordes an einem der Unsrigen innerhalb von drei Monden auszuliefern.

       Hochachtungsvoll, Reesmann

       i. A. d. CdPir

      Das erste Schreiben stammte vom Dezember des Vorjahres.

      Da musste ein Irrtum vorliegen.

      Der Clan der Pir vertrat die hiesige Vampirgemeinde. Ich hatte definitiv keinen Vampir umgebracht. Das wüsste ich doch! Außerdem war ich eine Diebin; keine Mörderin. Ich war mir ganz sicher, keine Herz-Lungen-Maschine geklaut zu haben. Brauchten Vampire so was überhaupt?

      Waren die nicht so gut wie unsterblich und vor menschlichen Krankheiten gefeilt? Ich grub in meinem Gedächtnis… nein – ich hatte keinen Blutsauger auf dem Gewissen.

      Wieso forderten sie dann meine Herausgabe? Sollte ich vor das Gericht der Vampire gestellt werden? Deren Gesetze waren viel zu verworren für mich. Würden die mich als Mensch verurteilen oder als Gestaltwandler?

      Herrje, was dachte ich da eigentlich?

      Ich hatte keinem Blutsauger das Licht ausgeknipst!

      Doch irgendwie hielten sie mich dafür fähig. Sowohl dieser Vampirrat als auch Bingham bezeichneten mich als mordverdächtig.

      Bingham hatte mich sogar schon bestraft.

      Abermals überflog ich eines der Schreiben, doch es änderte sich nichts an dem absurden Inhalt. „Soll das ein Scherz sein?“ Alans Gesichtsausdruck blieb unergründlich. „Ich fürchte nicht. Was meinst du, wieso ich versucht habe dich zu kontaktieren? Aus Spaß? Aus Sehnsucht?“ Er lachte leise, was ich nicht verstand. Hatte er keine Sehnsucht gehabt? Nicht mal ein kleines bisschen? Dabei schien er doch der festen Überzeugung zu sein, dass ich zu ihm gehörte!

      Waren wohl zweierlei paar Schuhe.

      Ich hatte ihn schließlich ebenfalls weder vermisst noch irgendeine Sucht nach ihm verspürt.

      Ich zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, du willst dich einschleimen. Warum hast du nicht angerufen?“ Zugegeben: Ich hätte seinen Anruf ignoriert. Er hätte sich totbimmeln können. Aber der Anrufbeantworter hätte es auch getan. Oder er hätte jemanden vorbeischicken können,


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