Homo sapiens movere ~ geopfert. R. R. Alval

Homo sapiens movere ~ geopfert - R. R. Alval


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      Laura verschwand. In dem einen Moment saß sie noch neben mir, im nächsten war sie verschwunden. Na super. Jetzt saß ich allein auf einer Wiese mitten im Nirgendwo.

      Oho, Korrektur!

      So ganz allein war ich doch nicht.

      Am Rand der Wiese tauchte ein Kalb auf.

      Das ist doch ein Kalb, oder?

      Blinzelnd versuchte ich zu erkennen, was da auf mich zukam. Nein, kein Kalb. Die Größe kam zwar hin, aber so wie sich das Tier bewegte, war es etwas anderes. Etwas Gefährliches.

      Ein Raubtier.

      Ich würde gern behaupten, mein Herz klopfte bis zum Hals. Doch ich musste leider feststellen, dass ich keinen Herzschlag besaß. Langsam bewegte sich die riesige Katze auf mich zu. Sie war schwarz. Abgesehen von ein paar Rosetten, die ich sehen konnte, sobald die Sonne direkt auf ihr Fell schien. Ein Panther? Meine Finger kribbelten. Etwas in mir wollte dem Tier übers Fell streichen. Bloß, weil ich wissen wollte, ob es sich so samtig anfühlte, wie es aussah. Andererseits: Ich wollte nicht wissen, ob meine Finger dem Gebiss dieses Raubtiers gewachsen waren.

      Goldgelbe Augen fixierten mich.

      Eigentlich wäre jetzt der Zeitpunkt panisch ums Leben zu rennen. Aber die Katze wäre schneller als ich, und nirgends gab es eine Möglichkeit sich in Sicherheit zu bringen. Lautlos und geschmeidig glitt der Panther auf mich zu, blieb vor mir sitzen und legte schließlich seinen riesigen Kopf in meinen Schoß.

      Ich tat das einzige, was mir in den Sinn kam: Ich legte meine Hände auf sein weiches Fell und glitt streichelnd darüber.

      Weich.

      Warm.

      Genießend schloss ich meine Augen, spürte das seidige Fell zwischen meinen Fingern, hörte das Brummen der Insekten, das Zirpen der Grillen, das Zwitschern der Vögel, das Rauschen des Grases.

      In diesem Augenblick fühlte ich mich vollkommen.

      Doch etwas zupfte an mir; wollte mich von hier wegzerren. Der Panther hatte seinen Kopf gehoben und stupste mich an. Du musst zurück, Sam.

       Jetzt!

      Lauras Stimme.

      Und Alans.

      Komisch, ich hatte ihn gar nicht gesehen…

      Mir war kalt.

      Furchtbar kalt.

      Als hätte ich eine Nacht in einem Gefrierhaus verbracht. Mein Körper zitterte unkontrolliert. Ich schmiegte mich noch enger an den warmen Körper hinter mir. „Hallo Sam, da bist du ja wieder.“ Matthes. Langsam öffnete ich die Augen.

      Was war passiert?

      Nach und nach fiel mir alles wieder ein.

      Sogar meine idiotischen Überlegungen in der Küche. War Laura wirklich da gewesen? Sie hatte gesagt, wir könnten später reden. Das war nicht gelogen, oder? Keine Wunschvorstellung?

      „Du hast uns einen ganz schönen Schreck eingejagt.“ Maya. Ein schwaches Lächeln glitt über mein Gesicht. „Das war verdammt knapp.“ Josh. Noch mehr Gestaltwandler aus Alans Rudel traten an mein Bett. Wo war Alan?

      Oh ... er war doch nicht…

      „Ist dir kalt?“ Ich schluckte. Natürlich würde er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mit mir in einem Bett zu liegen. Am liebsten hätte ich wie eine Furie um mich geschlagen, aber es war schon eine Kraftanstrengung gewesen mich an ihn zu kuscheln. Egal!

      Selbst wenn es Alan war, er war warm. Und mir war furchtbar kalt. Ich nickte, weil ich befürchtete, mir auf die Zunge zu beißen, sollte ich versuchen wollen zu sprechen. „Maya, lass ihr ein Bad ein. Ein heißes.“

      War er bescheuert? Ich würde jämmerlich ersaufen! So sehr wie ich zitterte, war mir klar, dass ich meinen Körper kein bisschen unter Kontrolle hatte.

      Nach und nach verließ das Rudel mein Zimmer.

      Vermutlich auch mein Haus.

      Nur Matthes und Alan blieben. Und Maya. Aber die war in meinem Bad. „Matthes, dreh die Heizungen auf. Alle. Auch oben.“ Heizung.

      Heizung klang gut.

      Viel vernünftiger als ein Bad, obwohl auch das sehr verlockend schien. Nur würde ich allein nicht aufrecht sitzen können. Maya könnte mich festhalten. Ja, das wäre einleuchtend.

      „Sam, ich werde dich ausziehen.“

      ‚Untersteh dich’, wollte ich fauchen. Aber welche Sprache auch immer ich dabei fabrizierte, sie war nicht mal in meinen Ohren verständlich. „Schsch, ganz ruhig. Ich werde die Situation nicht ausnutzen. Versprochen.“ Wenigstens hatte Alan nicht verlangt, dass ich ihm vertraute.

      Er zog mich so behutsam aus, als wäre ich zerbrechliches Porzellan. Sofort war mir noch kälter. Aber er nahm mich auf seine Arme und wickelte eine große Decke um uns beide. Mein Kopf rollte gegen seine Brust.

      Ah, die kannte ich.

      Er hatte mich also vorhin auch schon getragen. Nur dass ich jetzt wieder einigermaßen klar denken konnte, mich nicht mehr wie eine Nudel al dente fühlte – oder zumindest nicht mehr allzu sehr – und ich beziehungsweise wir beide vorhin sicher nicht nackt gewesen waren. Mit leisen Worten scheuchte er Maya aus dem Bad. „Handtücher liegen auf dem Stuhl. Ich setze ihr noch einen Tee an, dann gehe ich.“ Alan nickte.

      Oh hey… er bedankte sich sogar!

      Meine Ohren mussten kaputt sein.

      „Sam, kannst du dich an mir festhalten?“ Er machte wohl Scherze. Immerhin schaffte ich es, meine Augen vor Entrüstung weit aufzureißen: Ganze zwei Millimeter!

      Die Idee, mit ihm in die Wanne zu klettern war gar nicht so schlecht, fand ich. Er hatte genug Kraft, um mich nicht untergehen zu lassen.

      Nur der Gedanke, mich an ihm festzuhalten war absurd. Dazu müssten meine Arme nämlich gebrauchsfähig sein. Das waren sie nicht. Genauso wenig wie meine Beine. Selbst mein Kopf war viel zu schwer. Mein Körper war eine einzige Mischung aus Beton und Gelee. Ein katastrophaler Zustand, von dem ich mich hoffentlich bald erholte.

      Herrlich warmes Wasser umspülte mich. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie Alan mit mir in die Wanne gestiegen war. Er saß hinter mir, die Arme über meinen Brüsten verschränkt, sein Gesicht in meiner Schulterbeuge vergraben. Es war mir ein Rätsel, weshalb ich nicht protestierte. Es fühlte sich richtig an. Als ob es genau so sein müsste. Wahrscheinlich war mit meinem Gehirn auch nicht alles in Ordnung.

      Das Zittern ließ allmählich nach.

      Ob das am warmen Wasser oder an Alans beruhigendem Streicheln lag, war mir einerlei. Hauptsache war, dass es funktionierte. Mir war zwar noch kalt, aber nicht mehr so sehr. Vorsichtig hob Alan mich aus der Wanne, setzte mich langsam auf den Stuhl – hey, ich konnte tatsächlich ganz allein sitzen – rubbelte mich sorgfältig und behutsam trocken, nahm dann das zweite Handtuch und trocknete sich ebenfalls ab. Seine Blicke, die voller Sorge, aber auch Zärtlichkeit auf mir ruhten, sagten mehr als Worte. Sowie er fertig war, nahm er mich wieder auf die Arme, hüllte uns in die Decke und trug mich zurück ins Bett, in dem er hinter mich glitt, mich fest an sich zog und uns zudeckte.

      Es dauerte nicht lang und ich fiel in einen tiefen Schlaf.

      Als erstes bemerkte ich, dass etwas Pelziges auf meiner Zunge saß. Schmatzend versuchte ich es, zu vertreiben. Doch das Biest hielt sich hartnäckig.

      Als zweites stellte ich fest, dass ich derart durstig war, dass ich einen See hätte leer trinken können.

      Oder zwei.

      Als drittes fiel mir auf, dass ich allein im Bett lag und meine Arme und Beine wieder funktionierten. Zu gern hätte ich mir eingeredet, dass alles nur ein Traum gewesen war. Leider wusste ich es besser.

      Bedächtig


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