Homo sapiens movere ~ geopfert. R. R. Alval

Homo sapiens movere ~ geopfert - R. R. Alval


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Samantha. Wie geht es Ihnen?“ Wow, so was von freundlich! Die Worte waren gut gewählt, aber in der Art, wie er sie sagte, hätte er mich auch fragen können, wem ich gern mal das Gesicht streicheln wollte ... mit einem Vorschlaghammer. „Danke, ganz gut. Und Ihnen? Was… verschafft mir die… ähm, Ehre Ihrer Anwesenheit?“

      Hoffentlich nicht noch ein Wandler. Von denen hatte ich die Schnauze gestrichen voll.

      „Nun, ich möchte mich mit Ihnen unterhalten, meine Liebe.“

      Irgendwas an seinem Auftreten war nicht ganz koscher. Ich wusste nur nicht was. Im Bruchteil einer Sekunde stand er hinter mir. Sein Arm lag um meinen Hals. Er hielt mich so, dass ich mich nur bewegen könnte, sofern ich vorhatte mich zu strangulieren. „Eigentlich bevorzuge ich gar nicht zu reden. Sie haben kein Recht zu leben, Samantha. Eine Mörderin wie Sie muss bestraft werden. Aber ich habe nicht die erforderliche Geduld, um auf die langsam mahlenden Mühlen des Gesetzes zu warten.“ Keuchend schnappte ich nach Luft, als er seinen Arm lockerte, wobei er mit seiner Linken in meine kurzen Haare griff und meinen Kopf zur Seite riss. „Es könnte schnell gehen. Aber ich will, dass Sie leiden.“

      Mir schwante nichts Gutes.

      Besonders weil ich keine Möglichkeit fand, mich gegen ihn zu wehren. Ich musste seine Energiepunkte schon sehen, um ihre Namen zu erkennen. Denn in meiner Panik erinnerte ich mich blöderweise an keinen einzigen. Doch da er hinter mir stand – und ich keine Augen am Hinterkopf besaß – war das unmöglich.

      Ich versuchte zu sprechen, zu schreien, zu brüllen ... doch kein Wörtchen entrang sich meiner Kehle. Mein Herz klopfte derart laut in meinen Ohren, dass ich darauf gefasst war, dass es jeden Moment aus meinem Brustkorb sprang.

      Oder aus meinen Ohren.

      Um kreischend im Zickzack in die Sicherheit zu hüpfen.

      Und dann traf mich unvermittelt ein stechender, ziehender Schmerz. Bingham gaukelte mir nicht einmal vor, dass sein Biss etwas anderes war als das. Ich hörte das Schmatzen, als er mein Blut trank. Das hämmernde, rasende Klopfen meines Herzens, das immer lauter wurde, obwohl ich das nicht für möglich gehalten hätte. Ich fühlte den pochenden Schmerz an meinem Hals, an dem seine Zähne meine Haut durchbohrten. Zur Bewegungslosigkeit verdammt, konnte ich nichts dagegen unternehmen.

      Ich lag an seiner Brust wie eine Strohpuppe.

      Obwohl ich wusste, dass seine Zähne eigentlich nur etwa zwei Zentimeter lang – und außerdem verdammt spitz – waren, fühlte es sich an, als reichten sie bis zu meinen Fußsohlen.

      Ebenso der Schmerz, der wie ein reißender Fluss durch meinen Körper raste. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis er endlich von mir abließ. Wie ein Sack Zement knallte ich auf den Boden. „Auf das Sie in der Hölle schmoren mögen.“, zischte er leise, bevor er auf dieselbe Weise verschwand, auf die er gekommen war.

      Schnell und lautlos.

      Verdammt!

      Warum ich?

      Was hatte ich denn getan, dass ich sowas verdiente?

      Es war einem Vampir bei Strafe verboten, einen movere zu beißen. Bingham hatte sich jedoch nicht nur an mir genährt, er hatte mich bestraft. Nur ... wofür? Warum ging er dafür nicht den Weg des Gesetzes? Ein Missverständnis, ganz sicher.

      Wen sollte ich seiner Meinung nach denn ermordet haben?

      Ich könnte nicht sagen, wie lange ich meinen Fußboden ansah, der – nebenbei bemerkt – ein interessantes Holzmuster besaß. Fast so, als würden einen Augen anschauen. Jedenfalls schaffte ich es irgendwann, mich aufzurappeln. Ich war am Verdursten. Außerdem machte es mich verrückt, dass das Haus begann, sich um mich zu drehen.

      Ich taumelte, mehr als dass ich aufrecht lief, in Richtung Küche. An deren Eingang musste ich mich kurz am Türrahmen anlehnen. Mein Kopf fuhr Karussell.

      Links herum.

      Mein Körper in die entgegengesetzte Richtung.

      Jeder kann sich vorstellen, was für ein Gefühl sich dadurch in der Halsgegend bildete.

      Ich holte Luft oder versuchte es zumindest, aber der Sauerstoffgehalt meiner Wohnung schien auf ein Minimum gesunken zu sein. Obendrein war ich undicht: Ich tropfte.

      Ich spürte das warme Blut deutlich, das an meinem Hals nach unten lief und mein Shirt versaute. Vielleicht könnte ich die Löcher irgendwie stopfen? Ach was, die… ein Tuch vielleicht?

      Egal, erstmal trinken.

      Es fühlte sich an, als würde mein Mund eine Wüste beherbergen.

      Keuchend schleppte ich mich zur Anrichte, angelte mit klammen Fingern ein Wasserglas und hielt es zitternd unter den Wasserhahn. Leider scheiterte ich sowohl daran, den Wasserhahn zu öffnen als auch daran das Glas festzuhalten. Nicht nur, weil meine Hände glitschig waren von meinem eigenen Blut. Mir fehlte jegliche Kraft dazu. Scheppernd fiel das Glas in die Spüle und zersprang in tausend Stücke.

      Angestrengt schaute ich auf die Scherben, in denen sich das Licht spiegelte; dieses funkelnd zurückwarf. Die Farben, die sich dabei bildeten, konnten unmöglich echt sein. Besonders nicht, da sie anfingen, wie Dampf aufzusteigen und durcheinanderzuwirbeln. Das Kichern, das aus meiner Kehle drang, klang erstickt und blechern. Mühsam zwang ich meine immer tauber werdenden Beine, sich aufrecht zu halten, schätzte die Entfernung zu meinem Küchentisch, der seltsam schwankte und waberte, stieß mich von der Anrichte ab und torkelte auf diesen zu.

      Unendlich erleichtert ihn endlich erreicht zu haben, ließ ich mich auf den Stuhl sinken, legte die Arme und den Kopf auf den Tisch und versuchte meine Atmung zu beruhigen. Würde ich einen Marathon rennen, wäre ich nicht mal annähernd so fertig.

      Darauf könnte ich einen Eid schwören.

      Ich könnte den sogar auf die Bibel schwören. Ehrenwort. Ich war fix und alle und fertig.

      Warum hatte Bingham mich gebissen? Wen sollte ich umgebracht haben? Mich durchzuckte die Idee, dass er Nicoletta Devereaux gemeint haben könnte.

      Es fiel mir zusehends schwerer, einen klaren Gedanken zu fassen. Mein Oberkörper war sicher mit Blei gefüllt. Möglicherweise stand ein Baufahrzeug auf meinem Rücken.

      Oder der gesamte Fuhrpark einer Baufirma.

      Verflixt!

      Ich wollte nicht sterben.

      Nicht so.

      Nicht mit gerade mal 29.

      Mein Atem rasselte, als hätte ich einen Teich mit Fröschen leer getrunken, die sich jetzt alle in meiner Kehle versammelten. Meine Augen gaukelten mir seltsam hüpfende Lichter vor, bevor ich sie für eine Sekunde schloss. Es war viel zu anstrengend sie offen zu halten. Meine Beine und Arme fühlte ich gar nicht mehr. Würde ich nicht sitzen, kämen mir Zweifel, ob ich überhaupt ein Hinterteil besaß. Zu spät fiel mir ein, dass ich jemanden anrufen könnte. Aber das Telefon lag in der Wohnstube.

      Glaubte ich zumindest.

      Im nächsten Moment war ich mir nicht einmal mehr sicher, was ein Telefon eigentlich war.

      Mein Gehirn war ein einziger Brei, der in meinem Kopf hin und her schwappte. „Sam, mach die Augen auf.“ Ein hysterisches Glucksen kroch aus meinem Mund, als ich ihre Stimme hörte. Denn das bedeutete, dass ich entweder schon tot war oder halluzinierte. „Sam, na los. Sieh mich an! Du lässt dich von ein bisschen Vampirgift doch nicht unter die Erde bringen.“ Mit einem Kraftakt, der ans Gewichte stemmen erinnerte, hob ich die Augenlider.

      Sie stand vor mir.

      Mit einem besorgten Lächeln und ihren strahlend blauen Augen. „Laura?“ Mein Mund war trocken. Eine Wüste voller Sand, der auf meiner Zunge rieb. „Ja. Ich bin hier. Komm Süße, setz’ dich richtig hin. Wir müssen reden.“ Ja, genau. Das mussten wir.

      Aber nicht jetzt.

      Ich war beschäftigt.

      Mit wach bleiben.

      Mit


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