Adler und Leopard Gesamtausgabe. Peter Urban
freies Lächeln entgegen. Im Kerzenschein sah er fast wieder das junge Mädchen vor sich, dem er vor so langer Zeit den Hof gemacht und das ihn verzaubert hatte. Er stand auf und bot ihr seine Hand an. Leicht zog er die federleichte Gestalt vom Boden in seine Arme: "Wir haben noch etwas nachzuholen, mein Kleines!", seine Hände glitten sanft über ihren Rücken. Vorsichtig machte er die Perlmuttknöpfe ihres Kleides auf. Er spürte ihr leichtes Maiglöckchen-Parfüm. Sie schien überhaupt nicht ängstlich.
Arthurs letzte freie Tage vergingen damit, dass er Kitty seinen restlichen Freunden in London vorstellte und ihr die Stadt zeigte. Alle schienen glücklich, dass er endlich verheiratet war und das junge Paar wurde mit Einladungen überhäuft. Lady Bessborough und die Herzogin von Richmond boten ihm an, Kitty unter ihre Fittiche zu nehmen. Henry Pagets Frau Charlotte zog mit ihr und dem gutmütig leidenden General durch London, um beim Einrichten des Hauses zu helfen. Arthur war zwischenzeitlich davon überzeugt, dass Kitty in dieser lebhaften Gesellschaft schnell wieder ein normales Selbstbewusstsein entwickeln und das irische Trübsal Blasen vergessen würde. Dreizehn Jahre unter dem Einfluss einer altjüngferlichen, bitteren und bigotten Tante hatten ihn stärker beunruhigt, als alle sonstigen Probleme, die möglicherweise durch die langen Jahre der Trennung geschaffen worden waren. Er hatte Kitty aus diesem Grunde auch ausführlich erklärt, welche Ehephilosophie er hatte und sie schien es im Großen und Ganzen zu verstehen. Es lag nicht in seinen Absichten, sie zu bevormunden oder an ihrer Stelle alle Entscheidungen zu treffen. Arthur schätzte selbstständige Frauen, die eigenverantwortlich durchs Leben gingen.
An seinem letzten, freien Tag nahm er Kitty dann noch mit zu seinem Bankier Mr.Redcliff. Im ehrwürdigen Bankhaus Coutts in der City unterschrieb er eine Vollmacht, damit sie im Falle seiner Abwesenheit über die Konten verfügen konnte. Kitty reagierte entsetzt. Als beide wieder auf der Straße waren, flüsterte sie ihm zu. " Ich habe mich noch nie um solche Dinge kümmern müssen. Ich weiß nicht, ob ich das alleine schaffe."
"Katherine, Du wirst alles ganz schnell lernen. Du hast ein hübsches Haus, Du hast schon eine Hausangestellte. Tue, was Dir Freude bereitet. Besuche nette Leute, lade Bekannte ein…die finanziellen Schwierigkeiten, die uns den ersten Heiratsversuch verdorben haben, sindjetzt ja behoben. Wir sind zwar nicht reich, aber die zehn Jahre Indien haben sich doch ganz positiv auf unseren Konten ausgewirkt."
" Du sagst dauernd ‘uns’, Arthur?"
"Natürlich! Was soll ich sonst sagen. Wir sind miteinander verheiratet. Komm, Du hast den ganzen Tag noch nichts gegessen und bist leichenblass. Außerdem habe ich eine Überraschung für Dich und wir müssen nachher noch ein paar Sachen besorgen." Sie suchten sich ein kleines, französisches Restaurant unweit der Coutts Bank. Kitty war immer dann am Glücklichsten, wenn sie ganz alleine mit ihrem Mann war. Sie war nicht sehr gesellig und fühlte sich in größeren Gesellschaften eher unsicher. Doch sie hatte Besserung gelobt und versprochen, sich wenigstens Mühe zu geben und ihn bei gesellschaftlichen Pflichten zu begleiten. "Du kannst die Geselligkeit gleich üben, Katherine“, erklärte er ihr schmunzelnd beim Kaffee, “ich werde Dich morgen nämlich offiziell Königin Charlotte vorstellen."
" Oh Arthur, ich kann doch nicht...", antwortete sie erschrocken. Er presste fest die Hand seiner Frau: "Natürlich kannst Du! Du hast keinen einfachen Hauptmann irgendwo in der finsteren irischen Provinz geheiratet. Du brauchst Dich hier in London vor niemandem zu schämen oder Dich zu verstecken, Lady Wellesley. Und da ich nicht viel hermache, sollten wir nach dem Essen gleich zum Schneider, damit Dein neues Kleid Dir morgen auch richtig passt." Dann legte Arthur eine ovale Schatulle vor Kitty auf den Tisch. Ein ermunterndes Lächeln und sie öffnete das Geschenk. Ein Paar Kameen-Ohrringe mit kleinen Perlen und die passende zarte Halskette lagen auf dunkelblauen Samt. " Sie sind wunderschön. Ich danke Dir, mein Lieber!" Alle Förmlichkeiten außer Acht lassend umarmte sie den General. Obwohl Arthur eigentlich eine Abneigung gegen öffentliche Gefühlsausbrüchen jeder Art hatte, ließ er sich diese Dinge von seiner Frau seit ihrer Hochzeit gefallen: "Irgendwann werde ich Dir vielleicht einmal Diamanten schenken können, Katherine", flüsterte er ihr zu. Dann legte er den Kopf schief, " wenn Herr Bonaparte und seine Marschälle weiterhin Unfug machen, werden wir möglicherweise... Und die Preisgelder sind immer eine ganz nette Sache!"
"Oh, Arthur! Sage nicht so etwas! Ich brauche keine Diamanten. Und ich möchte nicht die Witwe eines gefallenen Helden sein!"
"Du bist ein gutes Mädchen, Kitty ! Komm, wir müssen zum Schneider. Das Kleid ist fast fertig, aber jetzt braucht er Dich um alles ordentlich anzupassen. Die Königin soll morgen die schönste Frau Londons kennenlernen!"
"Arthur, warum hast Du mich eigentlich bis heute weder Deiner Mutter, noch Deinem Bruder, Lord Mornington vorgestellt?", Kitty hatte sich untergehakt und sie durchquerten die City zu Fuß auf dem Weg zu einem Schneider in der High Street. "Ich habe zu beiden kein gutes Verhältnis und möchte so wenig, wie möglich mit ihnen zu tun haben. Es gibt einen guten Grund, warum ich jeden Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen habe. Und Mornington ist ein altes Ekel. Mit ihm gibt es dauernd nur Streit. Lass gut sein! Wir werden unsere eigene Familie haben. Gerald kennst Du ja aus Dublin, Henry und William sind ganz erträglich und wir haben einen wirklich liebenswerten Freundeskreis hier in London."
Kapitel 7 Das indische Pulverfass
Kitty kam morgens einfach nicht mehr aus dem Bett. Jedes Mal, wenn sie versuchte aufzustehen, knickten ihre Beine unter dem Körper weg. Arthur zog die Decke über sie und strich ihr sanft die langen Haare aus dem Gesicht. Dann öffnete er das Fenster, damit frische Frühlingsluft ins Schlafzimmer kam. "Du solltest vielleicht mehr Spazierengehen oder draußen im Garten arbeiten, anstatt Dich dauernd im Haus zu vergraben, Katherine." Sie seufzte:" Ich traue mich kaum noch einen Meter von einem Stuhl oder Sessel weg, Arthur. Mir ist dauernd schwindelig."
"Warte. Ich werde Dir Deinen Tee und Toast nach oben bringen. Wir werden hier gemeinsam frühstücken, bevor ich ins War Office muss. Ich werde heute Abend eine gute Freundin mitbringen. Lady Sarah Lennox ist nicht nur die Tochter meines alten Freundes Richmond, sondern auch ein ausgezeichneter Arzt. Vielleicht weiß sie ja, was mit Dir los ist." Arthur sorgte sich um seine Frau. Er fühlte sich ein wenig mitschuldig an ihrem geschwächten Zustand. Seit sie in London angekommen waren, zog er sie jeden Abend mit; auf Bälle, in die Oper, ins Theater, zu Essen mit Freunden oder zu gesellschaftlichen Verpflichtungen, die er als hoher Offizier wahrnehmen musste. Selbst am Wochenende schleppte er sie zu Bootsfahrten auf die Themse oder zu Jagdgesellschaften nach Kent. Es kam selten vor, dass sie einmal vor zwei Uhr morgens ins Bett gingen. Und ans Schlafen dachten sie dann auch nur ganz selten. Er hatte die gute Absicht gehabt, sie abzulenken und zu amüsieren und ihre Lebensgeister zu wecken. Dabei hatte er sie vielleicht einfach körperlich überanstrengt. Wellesley hatte plötzlich solche Angst um seine Frau, dass er an diesem Tag dem War Office und seine Pflichten früher den Rücken kehrte, als sonst. Auf direktem Wege begab er sich zur Universität von London im Stadtteil Bloomsbury. Die Mitarbeiter des Lehrstuhls von Prof. Dr. James McGrigor kannten ihn schon seit Langem und Dr.Hume, ein junger Mediziner aus Schottland holte Sarah Lennox aus dem Laboratorium. Sie umarmte Arthur herzlich: " Die Ehe bekommt Dir, alter Freund. Du siehst ausgezeichnet aus! "
" Und trotzdem habe ich Sorgen, Sarah. Kitty fühlt sich seit ein paar Tagen gar nicht gut. Ihr ist dauernd schwindelig. Sie kann nicht essen, ohne dass ihr dabei fürchterlich schlecht wird. Mir wäre wohler, wenn Du sie Dir einmal ansehen könntest!" Sarah schmunzelte schelmisch. Dann schloss sie die Tür ihres Büros. "Kommt ihr beide gut miteinander aus, Arthur?", fragte sie ihn gespielt streng. Wellesley nickte brav. " In jeder Beziehung?" Wieder nickte er. "Das Gefühlsleben?" Er errötete leicht. "Was meinst Du damit, Sarah?" "Habt ihr getrennte Schlafzimmer?" Arthur schüttelte den Kopf. Seine Wangen waren feuerrot angelaufen. "Meine Ferndiagnose ist in diesem Fall: Du wirst Vater! Ich vermute, ihr spielt nicht nur eine Runde Whist miteinander, bevor Ihr einschlaft!” Sarah schüttelte den Kopf. Das Grinsen war breit und schlitzohrig. ”Ich komme aber trotzdem mit und sehe mir Deine Frau einmal an. Aber ich habe das Gefühl, dass Du ganz beruhigt sein kannst: Ihr habt im April geheiratet und wir haben jetzt August. Kitty geht es den Umständen entsprechend sicher glänzend." Der Offizier war verwirrt und stotterte." Glaubst Du wirklich, Sarah? Sie ist zart