Adler und Leopard Gesamtausgabe. Peter Urban

Adler und Leopard Gesamtausgabe - Peter Urban


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Kinder zu bekommen." Sarah Lennox schlug Arthur kräftig auf die Schulter: "Na so schlimm steht es jetzt auch wieder nicht um Kitty. Und die Sache mit dem Alter ist ein Gerücht… Als erfahrener Arzt bin ich mir allerdings ganz sicher. Die Symptome, die Du beschreibst, sind sozusagen klassisch."

      Kurze Zeit später schneite ein überaus nervöser Arthur Wellesley bereits um fünf Uhr nachmittags in der Harley Street N°11 herein. Im Schlepptau hatte er Sarah Lennox, im strengen, schwarzen Kleid, mit ihrer großen Arzttasche und der Nickelbrille auf der Nase. Bei Sarahs Anblick in dieser beruflichen Verkleidung fühlte Katherine sich sichtlich unwohl. Dr.Lennox mutmaßte, dass Wellesleys Frau Schlimmes befürchtete. Das Vertrauen der Bevölkerung in Bader, Quacksalber und andere Ärzte war sehr begrenzt. Zuerst schickte sie Arthur aus dem Haus in den Garten, um mit seiner Frau ungestört zu sein. " Ihnen ist also schwindlig, Katherine! Und Sie können nichts essen! Sie haben weiche Knie! Sie sind frisch verheiratet! Ich würde sagen, Sie werden Mutter, meine Liebe!" Kitty strahlte Sarah an:" Wirklich?"

      "Wenn ich Sie untersuchen darf, sage ich es Ihnen mit Sicherheit! Seit ich Sie zum letzten Mal gesehen habe, haben Sie außerdem ein wenig zugenommen. Ein verhältnismäßig sicheres Zeichen für Nachwuchs!"

      Eine Stunde später holte Sarah Arthur aus dem Garten. Mit einem entwaffnenden Lächeln erklärte sie ihm, dass im Dezember oder spätestens Januar mit einem Baby zu rechnen sei. "Katherine, wenn Sie vielleicht ein paar Wochen an der See verbrächten, in angenehmer Gesellschaft und so weiter...mit frischer Luft, Sonne und viel Bewegung! Lange Strandspaziergänge sind genau das Richtige für eine werdende Mutter… Also, Sie sind kerngesund und brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen." Sie legte Arthurs Frau die Hand auf den Bauch. " Das Baby hat es da drinnen ruhig und gemütlich. Nur Ihr Körper muss sich noch daran gewöhnen, dass er jetzt zwei Menschen zu versorgen hat. In ein paar Wochen vergeht das Schwindelgefühl. Im Regelfall dann, wenn Sie anfangen, richtig rundlich zu werden, meine Liebe. Ich gratuliere Euch beiden von ganzem Herzen!" Resolut schloss die junge Frau ihre schwarze Arzttasche und verabschiedete sich. An der Tür drehte sie sich noch einmal zu Arthur:"Amüsiert Euch gut weiter. Getrennte Schlafzimmer empfehle ich erst vierzehn Tage vor der Geburt. Außerdem werde ich regelmäßig nach Kitty sehen. Du kannst beruhigt sein. Wir werden den oder die kleine Wellesley schon sicher auf die Welt bringen!"

      Auf dem Heimweg von der Harley Street nach Richmond Palace begegnete Sarah Lennox im St.James Park Freddy Ponsonby. Obwohl sie üblicher Weise ein diskreter Mensch war, musste sie ihm einfach von dem anstehenden, freudigen Ereignis im Hause ihres gemeinsamen Freundes Arthur Wellesley erzählen. Die liebste Aufgabe, die Sarah als Arzt übernahm, war es Kindern auf die Welt zu helfen. Ihre Begeisterung steckte Ponsonby sofort an. Er wusste, dass Arthur in Indien eine geliebte Frau und ein ungeborenes Kind hatte begraben müssen. Am nächsten Tag wusste bereits der gesamte Freundeskreis der Wellesleys Bescheid und eine der Ponsonby-Schwestern, die vier Kindern das Leben geschenkt hatte und als Expertin in Nachwuchsfragen galt, wurde kurzerhand abkommandiert, um mit Kitty nach Brighton an die See zu fahren. Obwohl Arthur sich in diesen Tagen als der glücklichste Mann von ganz England fühlte, war er insgeheim ganz froh darüber, dass seine Frau der Brighton-Variante zugestimmt hatte. Da er eigentlich ganz gerne mit Kitty zusammen war, hatte er seit der Hochzeit sowohl seine Pflichten im Kriegsministerium, als auch im Unterhaus ein wenig vernachlässigt. Doch durch Napoleons neu erwachte Aktivität auf dem Kontinent stand viel Arbeit an. Man hatte ihn beauftragt, für das War Office einen Einsatzplan für ein britisches Expeditionskorps auf dem Kontinent und einen Zweiten für eine mögliche Operation in Übersee auszuarbeiten. Von seiner Hinterbank im Parlament aus, bemühte er sich außerdem redlich, den liberalen Abgeordneten und der Regierung unter Lord Grenville klarzumachen, dass Englands Politik der Isolation vom Kontinent für die Zukunft des Landes schwerwiegende Konsequenzen haben könnte. Trotz der verheerenden Niederlage der Alliierten bei Austerlitz und der Besetzung von Wien durch Napoleons Truppen, waren sowohl England, als auch Russland weiterhin im Krieg mit Frankreich. Die dritte Koalition war zwar am Tod William Pitts zerbrochen, doch an Friedensverhandlungen dachten nicht einmal die amtierenden Whigs und Premierminister Grenville. Den beiden Konservativen Castlereagh und George Canning war es sogar gelungen, den liberalen Außenminister Charles Fox davon zu überzeugen, mit den Verbündeten auf dem Kontinent über eine vierte Koalition gegen Frankreich zu verhandeln. Und Arthur hatte es , dank der Mithilfe von Lord Ponsonby und Lord Uxbridge fertiggebracht, den liberalen Kriegsminister Windham zu überzeugen, dass auf jeden Fall ein vernünftiger Einsatzplan für englische Truppen ausgearbeitet werden musste, falls die Regierung sich zu weiteren Schritten entschloss.

      Während Charles Fox versuchte, verschiedene deutsche Kleinstaaten, die nicht in die Rheinföderation Bonapartes hineingezwungen worden waren und Preußens König Friedrich Wilhelm III erneut an England und Russland zu binden, hatte der französische Kaiser Marie-Louise, eine Tochter des österreichischen Kaisers zur Frau genommen. Damit hatte der ehemalige Jakobinergeneral aus Korsika erfolgreich in eines der ältesten Herrscherhäuser des Kontinents eingeheiratet. Seine Stellung in Europa wurde dadurch erheblich verstärkt. Napoleon zog immer neue Soldaten für den Dienst in den Streitkräften ein. Seine Offiziere durchkämmten Frankreich und die Länder der französischen Alliierten, um Pferde zu requirieren. Alles deutete darauf hin, dass der Kaiser einen neuen Feldzug plante. Nur mit einem großen Problem hatte er zu kämpfen: Sein Land besaß noch immer keine ernst zu nehmende Flotte. Frankreich hatte sich nie von Admiral Horatio Nelsons Sieg bei Kap Trafalgar erholt. Im Februar 1806 hatte der britische Admiral Sir John Ducksworth dann auch noch eine große Flotte französischer Kriegsschiffe unter Konteradmiral Corentin de Leissegues vor Santo Domingo zerstört und diese Insel und Martinique von ihren Kommunikations- und Nachschublinien mit Europa abgeschnitten. Anfang Juli 1806 hatte Sir John Stuart von Gibraltar aus Kalabrien überfallen und in einem wahren Husarenstück die Truppen des französischen Generals Reynier bei Maida geschlagen. England arbeitete gegen Napoleon mit einer erfolgreichen Politik der kleinen Nadelstiche. All diese Erfolge konnte auch Arthur sich ein wenig auf die Fahne schreiben. Er war im Großen und Ganzen zufrieden, den Schritt in die Parteipolitik gewagt zu haben. Die Konservativen respektierten ihn und mit einer ganzen Reihe von Liberalen hatte er ein sehr zufriedenstellendes Arbeitsklima etabliert. Nur die Radikalen um John Cobbett, den Verleger des Political Register hatten es sich in den Kopf gesetzt, zu einem Kreuzzug gegen die ganze Familie Wellesley aufzurufen. Anlass hierfür war wie üblich ihr ältester Bruder Richard. Lord Mornington hatte seit seiner Rückkehr aus Indien all seine politischen Freunde vor den Kopf gestoßen. Es war nur Arthur und dem jüngsten Wellesley, Henry, zu verdanken, dass man den überheblichen und selbstgefälligen Aristokraten nicht aus der konservativen Partei ausgeschlossen hatte. Doch während Kitty sich noch gemeinsam mit Henry Pagets Schwester in Brighton vergnügte und Arthur zu einer Inspektion seiner Truppen in Hastings aufgebrochen war, explodierte eine wahre Bombe im Unterhaus. Es war dem boshaften Journalisten John Cobbett irgendwie gelungen, einen pensionierten Händler aus Indien aufzuspüren und dieser Mann brachte in die Affäre um Arthurs ältesten Bruder Verwirrung und eine gehörige Portion Zwietracht: Der Händler, ein gewisser James Paull, hatte ein Kontor in der Provinzstadt Oudh verwaltet. Dort hatte er im Lauf der Jahre ein ansehnliches Vermögen erwirtschaftet. Doch immer wieder war seine Niederlassung von Marattha-Banditen geplündert und niedergebrannt worden. Aus diesem Grunde hatte James Paull schließlich den General-Gouverneur in Kalkutta um Hilfe ersucht. Richard Lord Mornington hatte daraufhin seinem jüngeren Bruder, General Arthur Wellesley befohlen, die Marattha-Banditen zur Strecke zu bringen. In Oudh kehrte wieder Frieden ein. Um diese Situation auch für die Zukunft zu sichern, wurde der dritte Wellesley-Bruder Henry beauftragt, einen entsprechenden Vertrag mit dem Nabob auszuhandeln. Nach erfolgreichem Abschluss dieses Vertrages sah sich James Paull allerdings mit einer teuflischen Situation konfrontiert: Einerseits war er gezwungen, Steuern sowohl an die britische Verwaltung als auch an den Nabob abzuführen. Darüber hinaus wurden weitere Handelsniederlassungen in Oudh eröffnet. Angezogen durch den Frieden und die Sicherheit in dieser Region, strömten immer mehr britische und indische Händler in die Provinzstadt, um ihr Glück an der Grenze des Maharashtra zu versuchen. Am Ende verlor James Paull nicht nur seine Monopolstellung. Er sah sich sogar gezwungen, sein Kontor schließen, da er mit den Neuankömmlingen nicht konkurrieren konnte. Voller Hass gegen die drei Wellesley-Brüder, die er für seinen Bankrott verantwortlich machte, kehrte Paull nach England zurück. Als der Händler von der Untersuchungskommission gegen Lord


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