Das Magische Universum. Christian Sternenfeuer
Gegenstand
aus dem schwarzen Tuch, in dem er eingehüllt war. Zum
Vorschein kam eine Waffe. Augenscheinlich ein langer Dolch, der
sich in einer schlichten Scheide aus Holz befand, dessen Art ihr
unbekannt war. Der Knauf hatte sicherlich sechs Zoll Länge. Außerdem
war am Ende des Griffes ein großes grünes Juwel eingelassen.
Behutsam und vorsichtig zog der Agent den Dolch aus seiner
Schutzhülle. Dabei kamen zwölf Zoll eines silbergrau glänzenden
Metalls zum Vorschein. Die Klinge war beidseitig geschliffen und
mit einer nadelscharfen Spitze ausgestattet. Zusätzlich wies sie auf
beiden Seiten eine tiefe Blutrinne auf. In der Tat, eine wahrhaft
tödliche Waffe.
»Dieser Dolch wurde aus Obsidianerz gefertigt«, stellte Gnorx
nüchtern fest. »Ihr wisst, wie selten dieses Erz ist. Es wurde von
den alten Lemurern auf Naxos verarbeitet und deren Schmiede
müssen auch diesen Dolch hergestellt haben. Er gehörte einem
der mächtigsten Magnate auf Riva und kam ihm …, nun ja, abhanden.
Allerdings war er nicht der eigentliche Eigentümer dieser
Waffe. Einst gehörte sie dem Herrscherhaus von Gondwana, dem
sie vor langer Zeit von einem Meisterdieb entwendet worden ist. Es
ranken sich viele Geschichten und Gerüchte um diesen Dolch, der
von seinem ehemaligen Besitzer Meuchling genannt wurde. Er muss
eine große Bedeutung für ihn gehabt haben, denn es wurde eine
sagenhaft hohe Belohnung für die Wiederbeschaffung ausgesetzt.
So hoch, dass der Meisterdieb, dem dieser Raub gelang, Gondwana
verließ und im Sternenmeer untertauchte. Wie der Dolch
am Ende nach Riva gekommen ist, weiß niemand zu sagen. Der
Tempel erfuhr von seiner Existenz und machte dem Magnaten ein
großzügiges Angebot. Dummerweise beging er den Fehler, es auszuschlagen.
Nun …, nicht viel später wurde ihm der Dolch leider
gestohlen und landete dann auf Umwegen bei mir. Eine wahrhaft
unglaubliche Geschichte, meint ihr nicht auch, Kapitän Lethos?«
Aurelia nickte und konnte sich gut vorstellen, wie die Diebe des
Tempels sich der Waffe bemächtigten ohne selbst in Verdacht zu
geraten. Was ihnen nicht freiwillig überlassen wurde, holten sich
die Rotröcke auf anderen Wegen. Man tat gut daran, nicht ins
Visier des Tempels zu geraten.
»Und was macht den Dolch zu einem interessanten Artefakt
für den Rat, abgesehen davon, dass er aus kostbaren Obsidianerz
besteht?«, versuchte Aurelia zu erfahren. »Nun Kapitän …, genau
dieses Geheimnis gedenken die Gelehrten des Rats zu lösen. Es ist
nicht genau bekannt, über welche magischen Eigenschaften dieser
Dolch verfügt. Das Wissen darum ist leider mit dem Tod des
Magnaten in seiner Gruft verschwunden. Ärgerlicherweise gab es
keine Aufzeichnungen darüber, jedenfalls wurden keine gefunden.
Dabei wird der Tempelrat, wie ihr euch denken könnt, kaum bei
den Königen von Gondwana nachfragen, was es mit dem Dolch
auf sich hat, denn dort sind wir leider nicht mit einer Niederlassung
vertreten. Dieses Volk betet bedauerlicherweise andere Götter
an und die Herrscher von Gondwana haben die Errichtung
einer Mission verboten. Aber, beim einzig wahren Gott Nantau,
der Tempel wird sie eines Tages zum richtigen Glauben führen.«
Der Agent schnaubte wütend und schob die Waffe wieder in die
hölzerne Scheide und betrachtete dabei mit Kennerblick den grün
schimmernden Stein, der im Griffstück eingelassen war.
»Ihr habt von drei Artefakten gesprochen, Agent Gnorx. Ich
sehe nur zwei. Wo ist das Dritte?«
»Ach …, ihr wisst es wirklich nicht«, bemerkte Joliko Gnorx
und eine leichte Überheblichkeit schwang in seiner Stimme mit.
»Ich nahm an, ihr wäret informiert, Kapitän Lethos. Nun denn,
dann will ich euch aufklären, Mylady. Das dritte Artefakt ist diese
Dolchscheide. Zugegeben, sie sieht ziemlich unscheinbar aus und
ist doch das Rätselhafteste der drei Gegenstände. Sie besteht aus
dem Holz eines Orcabaums. Jenem Holz, aus dem die Zauberstäbe
der meisten großen Magier bestehen. Vielleicht wisst ihr, dass
diese magischen Stäbe die Kraft eines Zauberers erheblich erhöht
und die Wirkung seiner Sprüche verstärkt. Der Baum kommt angeblich
nur auf einem einzigen Planeten vor. Allerdings wissen
wir nicht, um welche Welt es sich dabei handelt. Wir wissen nur,
dass der Baum äußerst selten ist und allein in diesem unbekannten
Lebensraum wächst. Alle Versuche, Sämlinge auf einer anderen
Welt anzupflanzen, sind daran gescheitert, dass uns keine Frucht
des Orcabaums zu Verfügung stand. Eine hohe Belohnung winkt
demjenigen, der dem Rat das Heimatsystem dieser Baumgattung
benennen kann. Ich bin schon jahrelang auf der Jagd nach dieser
Information, leider vergeblich. Es gibt jedoch unbewiesene Gerüchte,
dass manche von diesen Stäben zusätzlich von einem …, hmm
… – von einem Geist besessen sind. Dadurch soll der Stab noch
mächtiger werden, weil dieser Geist angeblich die negativen Auswirkungen
neutralisieren kann. Ihr könnt euch sicherlich denken,
Mylady, dass der Wunsch des Rats nach solch einem Stab ziemlich
groß ist, um es vorsichtig auszudrücken. Die Tempelmagier sind
geradezu versessen darauf, endlich einen solchen Verstärkerstab in
die Finger zu bekommen, damit sie ihn untersuchen können. Die
Macht, die er einem zauberkundigen Magier verleihen kann, muss
gewaltig sein und darf nicht in falsche Hände gelangen. Nur bei
den Oberen unseres Ordens ist er gut aufgehoben und kann zum
Nutzen unseres Tempels wirken.«
Mit geradezu fanatischer Begeisterung hatte der Handelsagent
diese Information ausgeplaudert ohne daran zu denken, dass er
sich