Janas Entscheidung. Gerhard Wolff

Janas Entscheidung - Gerhard Wolff


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      „Aber drüber nachdenken sollten wir vielleicht schon mal! Vielleicht wäre das mal für alle das Beste!“, überlegte Birdie.

      „Vielleicht habt ihr Recht!“, meinte nun auch Anne. „Vielleicht sollten wir mal drüber nachdenken!“

      „Schaut, die da drüben haben nicht solche Luxusprobleme!“ Jana zeigte über die Straße, wo Claudia und Paul gerade mit ihren Kindern heimkamen. „Die waren in diesem Jahr gar nicht in Urlaub. Die Kinder sind am liebsten zuhause, brauchen ihre vertraute Umgebung. Na ja, und mit dem Kindern und dem Hauskauf, da haben die es auch nicht so dicke im Moment, denke ich!“

      „Grauenhaft, wie die festgebunden sind!“, kommentierte Birdie leise. „Das wäre nichts für mich. Sowas macht mir fast Angst!“

      „Tja, wie ich schon vorhin sagte: So ist das mit den Ängsten“, meinte Anne. „Jeder hat eben andere!“

      Da sahen sie sie alle nachdenklich an.

      5

      „Ach bitte, Claudia, sag doch nicht schon wieder nein!“, flehte Jana, nahm ihre Freundin am Arm und drehte sie zu sich. Sie sah ihr mit freundlich bittendem Gesicht in die Augen. „Du kannst doch nicht jedes Mal eine Einladung zu uns ausschlagen. Das ist doch schon unhöflich!“, grinste sie.

      Jana und Claudia waren ebenso, wie ihre Männer alte Freunde. Sie kannten sich schon von der Schule, waren zusammen in gemeinsamen Cliquen, waren nun Nachbarn, hatten sich aber in den letzten Jahren voneinander entfernt. Jana und Birdie waren ständig unterwegs, während Paul und Claudia durch die Kinder mehr und mehr ans Haus gebunden waren.

      „Sei nicht böse!“, meinte Claudia. „Ich will dich wirklich nicht beleidigen. Du warst eine meiner besten Freundinnen und du bist es noch. Es geht halt nicht so einfach für mich, wegen der Kinder, du weißt ja!“ Claudia sah Jana vorsichtig an und hoffte auf Verständnis und Vergebung.

      Aber die gab sich damit nicht zufrieden und hatte beschlossen, nicht locker zu lassen. „Denk doch auch mal an dich, Claudia! Gönn dir doch auch mal was. Gönn Paul auch mal was! Denkt er genauso, wie du? Oder bedauert er es, noch so jung zu sein und durch die Kinder auf so vieles verzichten zu müssen und ständig ans Haus gebunden zu sein!“

      „Der denkt genauso, wie ich!“, beeilte sich Claudia schnell zu sagen, aber sie fühlte, wie sie sich nicht so ganz sicher war.

      „Sicher? Irrst du dich auch nicht?“, fragte Jana auch sofort nach.

      „Ganz sicher!“, konterte Claudia, wurde aber zusehends nachdenklicher.

      „Vermutest du das oder weißt du es?“

      „Ich weiß es!“

      „Habt ihr darüber gesprochen? Hast du ihn gefragt?“

      Ihr wurde bewusst, dass eigentlich immer nur er nach ihrer Befindlichkeit gefragt hatte, aber nie sie nach seiner. „Ja!“, log sie.

      „Und er sieht das so wie du?“

      „Ja!“

      Jana überlegte. „Und du hast auch auf die Zwischentöne gelauscht?“

      „Zwischentöne?“

      „Na ja, ob er es auch meint?“

      Jetzt wurde es Claudia zu viel. „Ja, verdammt noch Mal. Wir haben es besprochen und wir sind einer Meinung und ich habe auch auf die Zwischentöne gelauscht und ich kann nicht kommen, weil ich bei den Kindern sein muss!“

      Jana schwieg kurz, weil sie Claudia nicht ärgern wollte. Dann versuchte sie es noch Mal. „Das ihr nicht auf eure Eltern zählen könnt, ist schade. Aber doch noch mal über einen Babysitter nach!“

      Claudia sah sie empört an. „Ich überlasse meine Kinder nicht wildfremden Menschen! Dabei bleibt es!“

      „Babyphones?“

      „Und wenn die Technik versagt. Oder wenn ein Einbrecher kommt?“

      „Ach, das ist doch alles lächerlich!“, meinte Jana jetzt. „Du wirst doch mal deine Kleinen ein paar Stunden allein lassen können. Es sind doch nur Kinder!“

      Claudia sah sie an, als ob sie von einem anderen Stern sei. „Das, das verstehst du nicht, weil du keine Kinder hast! Du weißt gar nicht, wovon du sprichst!“

      Das saß. Obwohl Jana keine Kinder wollte, schmerzte es sie doch, wenn sie darauf angesprochen wurde.

      Claudia merkte es. „Entschuldige, ich wollte dich nicht verletzen!“

      „Schon gut!“, meinte Jana scheinbar gleichgültig. „Wir brauchen also nicht für euch planen. Ich weiß Bescheid.“

      „Sei bitte nicht beleidigt!“, meinte Claudia schnell und hielt Jana am Arm fest. „Es ist ganz besonders lieb von dir, von euch, uns immer und immer wieder einzuladen. Und ich sehe ja auch, dass ihr von uns immer und immer wieder vor den Kopf gestoßen werdet.“

      „Das kannst du wohl laut sagen!“, brummte Jana.

      „Ich glaube, ich glaube, es ist einfach so, dass ich mir aus euren Partys, ich meine aus Partys überhaupt nichts mache. Nein, ich glaube, ich sehe einfach keinen Sinn in dem Leben, das ihr führt!“ Sie erschrak über ihre eigenen Worte und sah ängstlich zu Jana, um zu sehen, wie sie ihre Offenheit aufnehmen würde.

      „Keinen Sinn?“ Jana sah sie verwirrt an. „Aber es geht nur um Partys. Es geht doch nicht um einen Sinn!“

      „Das sehe ich anders.“ Claudia sah an Jana vorbei ins Leere und dachte laut nach. „Ich glaube, hinter allem steckt ein Sinn. Alles hat Sinn, nur eben für jeden etwas Anderes!“

      Jana schwieg kurz nachdenklich. „Und was macht für dich Sinn, Claudia?“

      Claudia lachte ein bisschen verlegen. „Nichts Besonderes, Jana. Ich wage es kaum zu sagen.“

      „Raus mit der Sprache!“, drängte nun Jana interessiert.

      „Na, meine Familie eben, was sonst!“ Claudia atmete erleichtert darüber aus, weil sie froh war, dass sie es gewagt hatte, so etwas Banales als Lebenssinn anzugeben. „Meine Kinder und Paul, meine Familie eben. Und etwas Anderes brauche ich nicht!“ Neugierig beobachtete sie Janas Reaktion.

      „Das ist ja ganz schön spießig, Claudia!“, schüttelte Jana den Kopf. „Und ein bisschen sehr von gestern, meinst du nicht?“

      „Es ist das einzige, was mich glücklich macht!“, rief Claudia begeistert aus. „Es ist der einzige Sinn, den ich im Leben erkennen kann. Warum sollte ich ihn nicht leben?“

      „Weil dir so viel vom Leben entgeht, Claudia!“, hielt nun Jana laut dagegen. „Du nimmst ja gar nicht am Leben teil. Am Ende hast du gar nicht gelebt!“, rief sie mit lauter Stimme und ehrlich um Claudias Glück besorgt aus.

      „Ich denke, dass nur das das Leben ist, Jana! Du brauchst dir um mich keine Sorgen machen. Ich mache mir eher um dich Sorgen!“, warf Claudia ein.

      „Du dir um mich. Das ist ja lächerlich!“, erwiderte Jana nun ein bisschen beleidigt. „Wieso denn das?“

      „Weil ich den Eindruck habe, dass du nicht so recht weißt, was du vom Leben willst!“

      „Also, also das ist ja echt frech!“, schätzte Jana Claudias Antwort nun ein. „Da will man einer Freundin helfen und am Schluss wird man noch belehrt!“ Sie warf verärgert den Kopf nach hinten.

      „Dann sag mir doch einfach, was dein Lebenssinn ist, Jana!“, drängte Claudia nun weiter.

      „Weißt du was, weißt du was?“, stammelte Jana überrumpelt. Sie wand sich hin und her, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen und ärgerte sich, weil es ihr nicht gelang. „Ich glaube, das geht dich gar nichts an!“

      „Ich glaube, du weißt es einfach nicht, Jana!“


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