Terapolis. Tom Dekker
jeden Fall der beste Morgum, den du jemals gegessen hast.“, kicherte Trisha. „Keine Angst, er besteht hauptsächlich aus Möhren, Kartoffeln und Zwiebeln. Und ein paar geheimen Kräutern.“, kokettierte sie.
Greg nickte. „Und was sind das für Wurzeln?“, fragte er neugierig und deutete mit dem Löffel auf den zweiten Topf.
„Schwarzwurzel, Rote Beete und Steckrüben. Ganz frisch geerntet.“, erklärte ihm Trisha stolz. „Sag bloß, die kennst du auch nicht?“ Sie wirkte wirklich erschüttert bei dieser Feststellung.
Greg zuckte nur mit den Schultern. „Ich habe bisher meistens in einer der billigen Suppenküchen gegessen. Da konntest du kaum erkennen, was in der dunklen Brühe herumschwamm. Und abends, in der Gemeinschaft, haben wir meist ein paar Dosen warmgemacht, die Philt aufgetrieben hatte. Viel mehr konnten wir uns nicht leisten.“ Trisha nickte verständnisvoll. Greg spürte erneut einen Stich in seiner Brust. Er wusste überhaupt nicht, wie es den anderen erging. Hoffentlich hatte seine Flucht sie nicht in Probleme gestürzt. Wie konnte er nur erfahren, ob es ihnen gut ging? War es nicht sehr selbstsüchtig gewesen, so Hals über Kopf aufzubrechen, ohne sie wenigstens zu warnen?
Er spürte Trishas aufmerksamen Blick auf sich ruhen. Schnell schnappte er sich den Löffel und schob sich einen Haufen Morgum mit Wurzelgemüse in den Mund, um sich von seinen trüben Gedanken abzulenken. Es schmeckte köstlich, noch besser, als der exotische Duft es bereits hatte vermuten lassen. Begierig schob Greg einen zweiten Löffel nach und ließ die Köstlichkeiten mit einem seligen Lächeln über seinen Gaumen gleiten. Der Rest des Essens verlief, abgesehen vom Klappern der Löffel und Grubs hingebungsvollem Schlürfen, in nachdenklicher Stille.
„So, ich denke, es wird Zeit, dass ich einiges erfahre! Was denkt Ihr, Kinder?“, rief Grub, nachdem er den Löffel geräuschvoll in seinen leeren Teller fallen gelassen und seinem Magen durch einen kräftigen Rülpser Erleichterung verschafft hatte.
Greg hatte sich gerade einen weiteren Löffel des überaus wohlschmeckenden Breis in den Mund geschoben, und war deshalb ausgesprochen dankbar, dass Trisha das Wort ergriff und Grub über die abendliche Versammlung im Gemeindehaus informierte. Obwohl er dabei gewesen war, lauschte Greg gebannt ihren Worten und konnte seinen Blick nicht von ihren unglaublich fein geschwungenen Lippen wenden.
„...und dann haben Pater Elia und Hanson das Ergebnis verkündet. Greg bleibt erst einmal drei Tage bei uns, und alles Weitere werden wir dann sehen.“, beendete Trisha ihren Bericht. Greg hörte auf, den inzwischen beinahe geschmacks- und konsistenzlos gewordenen Brei in seinem Mund zu kauen, und schluckte ihn hastig hinunter. Grub schaute einen Augenblick versonnen in eine nur ihm zugängliche Ferne, dann richtete er den Blick seiner unter buschigen grauen Brauen beinahe verborgenen blauen Augen auf Greg.
„Und wie ist dein voller Name, Greg?“, fragte er freundlich, aber bestimmt.
„Theodor Gregorich Knox.“, brummte Greg verlegen, dem es viel schwerer fiel, diesen alten Mann zu belügen, als am Vorabend die gesamten Repräsentanten der Kolonie.
„Na, kein Grund, so schüchtern zu sein.“, erwiderte Grub in offenbarer Verkennung der eigentlichen Ursache von Gregs Unbehagen jovial. „Bist du zufällig verwandt mit Emmeric Knox, dem berühmten Geigenbauer?“, hakte er mit fast kindlicher Aufregung in der Stimme nach.
Greg schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein. Ich kenne meine Eltern und meine Familie nicht. Ich bin ein Waisenkind.“
„Ui!“ Grub pfiff wissend durch die Zähne. „Da hast du es sicher nicht einfach gehabt. Gab es genug zu essen im Waisenhaus?“
„Ich war nicht lange im Waisenhaus. Bei der erstbesten Gelegenheit habe ich mich davongemacht. Es war wirklich schrecklich dort.“, begann Greg, sich seinen Kindheitskummer von der Seele zu reden. Als er merkte, dass sich dieses Thema hier irgendwie fehl am Platze anfühlte, schloss er kurz angebunden: „Ich habe erst auf der Straße gelebt und dann in einer Gemeinschaft.“
Wieder nickte Grub mit dem Kopf. „In einer Gemeinschaft, soso. Eine feine Sache, so eine Gemeinschaft. Fast wie bei uns, oder?“
Trisha beugte sich neugierig vor, um dem Gespräch über Dinge, von denen sie noch kaum etwas wusste, besser folgen zu können.
„Naja.“, sagte Greg und nahm sich kurz Zeit, sich die passenden Worte zurechtzulegen. „So viel habe ich von eurer Kolonie noch nicht gesehen. Aber auch wir beraten uns gemeinsam und helfen einander, wenn es Probleme gibt. Das ist schon ein bisschen so wie bei euch, denke ich.“
„Aber werdet ihr nicht schrecklich unterdrückt in der City und von den Reichen ausgebeutet, damit sie in Saus und Braus leben können?“, fragte Trisha, die es nicht länger aushielt, nur zuzuhören.
Greg schaute sie für einen Augenblick aus großen Augen an, dann fasste er sich wieder. „Ja, das schon. Ihnen gehören die Fabriken, sie leben in riesigen Häusern mit allerlei Luxus und fahren mit ihren Dieselkutschen durch die Stadt. Und wir können froh sein, wenn die Wertmarken für mehr reichen, als dünne Bohnensuppe.“, gab Greg ihr recht. „Aber in unserer kleinen Gemeinschaft ist es nicht so.“ Er stockte kurz. „War es nicht so.“, flüsterte er verlegen und musste dagegen ankämpfen, dass sich eine heiße Träne in sein Auge schlich.
„Ich bin sicher, dass du wieder zu deiner Gemeinschaft zurückkehren wirst.“, antwortete Trisha und zwinkerte ihm aufmunternd zu.
„Womit hast du eigentlich deinen Lebensunterhalt verdient?“, schaltete sich Grub wieder in das Gespräch ein.
„Ich bin Handelsreisender für die Firma Jesua Fingrey.“, hielt sich Greg an die mit Nick verabredete Geschichte.
Grub nickte. „Jaja, das habe ich schon gehört. Ist auch eine gute Tarnung, wenn du in eine City kommst oder an einem Posten vorbei musst. Aber mir kannst du nichts vormachen, mein Junge. So junge Handelsreisende habe ich noch nie gesehen, und ich habe schon einiges gesehen, musst du wissen.“
Greg spürte, wie seine Wangen glühend heiß brannten. Wenn es ihm noch nicht einmal gelang, diesen alten Mann hinters Licht zu führen, wie sollte er es dann schaffen, Polizisten, Soldaten oder Zöllner von seiner Geschichte zu überzeugen.
„Keine Angst, Greg. Dein Geheimnis ist bei uns gut gehütet.“, sagte Grub in besänftigendem Tonfall. „Aber wenn du willst, dass wir dir helfen, dann müssen wir dir vertrauen können. Und du musst uns vertrauen.“
Greg rang mit sich. Wenn er jetzt schon seine Deckung fallen ließ, würde es möglicherweise noch schwerer, unerkannt bis zur Terapolis zu gelangen. Andererseits war er von diesem Schritt ohnehin meilenweit entfernt. Er hatte noch immer nicht einmal den Hauch einer Ahnung, wo er sich überhaupt befand. Um weiter zu kommen, brauchte er also unbedingt Hilfe.
Greg sah lange in Trishas grün-braune Augen und gab sich einen Ruck. „Ich habe Dieselmotoren repariert. Darin bin ich ziemlich gut. Smitty meint, ich hätte ein besonders Geschick für Metall. Egal, was man mir gibt, ich könnte etwas Anständiges daraus machen.“, erzählte Greg nicht ohne Stolz.
„Smitty?“, fragte Grub nach.
„Mein Kollege in der Werkstatt.“, klärte ihn Greg auf. „Einmal hat er mir eine kaputte Spule gegeben. Ich sollte sehen, was sich daraus noch machen lässt. Und es hat gar nicht lange gedauert, da war sie fast wie neu und Smitty meinte, sie würde jetzt sogar noch besser wirken als vorher.“
Grub warf Trisha einen dieser tiefen Blicke zu, bei denen man als Außenstehender merkte, dass die anderen über etwas Bescheid zu wissen schienen, von dem man selbst keine Ahnung hatte.
„Gibt es noch andere Dinge, die du besonders gut kannst?“, fragte Trisha scheinbar teilnahmslos.
Greg überlegte einen Augenblick. „Nein, nicht wirklich. Nicht so gut wie die Arbeit mit Metallteilen. Und das Reparieren von Dieselmotoren.“, antwortete er mit einem leichten Bedauern in der Stimme, so als hätte er Trisha und Grub mit seiner Antwort enttäuscht.
„Hättest du Lust, mir ein bisschen zur Hand zu gehen, so lange du hier bist?“, fragte Grub unvermittelt.
„Zur