Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
mich.
Julian scheint sich bei meinem ängstlichen Zurückweichen zu besinnen. Er rückt sofort wieder etwas von mir ab, um mir im milden Ton zu versichern: „Ich meine natürlich, dass es deswegen nicht egal ist, weil du dich sonst immer tiefer in diese Träume verstricken könntest. Das wollen wir doch nicht, oder?“
Ich schüttele den Kopf und ziehe die Bettdecke bis unter mein Kinn. Mir ist kalt und ich fange zu zittern an.
„Nah, siehst du! Deswegen solltest du mir besser jeden deiner Träume genau schildern, verstehst du?“
Ich nicke zwar, spüre aber ganz klar einen heftigen Widerwillen gegen Julians Wunsch. Ich kann es nicht genau deuten, aber irgendetwas sagt mir, dass Julian der Letzte ist, dem ich meine Träume genau schildern sollte. Erschreckend baut sich vor meinem inneren Auge wieder das Bild von dem Jungen am Kreuz auf, der mich so eindringlich vor Julian warnte.
Ich schüttele leicht den Kopf, um den Gedanken daran zu vertreiben. Julian würde mir nie etwas zuleide tun.
„Ich habe dir ein Buch gekauft“, raunt der mir zu und ich sehe in seiner Hand ein kleines, blaues Büchlein. „In das schreibst du am besten jeden Traum auf. Dann schaffen wir es bestimmt bald, dich von den Träumen zu befreien.“ Dabei lächelt er mich aufmunternd an. „Glaub mir, das ist wirklich das beste Heilmittel. Besser auf jeden Fall als so ein Quacksalber von Arzt, der deinen Kopf wieder durchwühlt.“
Ich nicke und starre Julian über den Rand der Bettdecke hinweg an.
Mit einem zufriedenen Lächeln zwinkert er mir zu und legt das Buch auf mein Nachtschränkchen und einen Kugelschreiber oben drauf. „Es ist nur zu deinem Besten“, sagt er noch und verlässt mein Zimmer.
Ein schneller Blick auf meinen Wecker sagt mir, dass es schon nach Mitternacht ist. Muss Julian denn nie schlafen?
Ich liege noch einige Zeit wach und versuche zu verstehen, was eigentlich mitten in der Nacht um mich herum geschieht. Was mir die vielen Nächte lang nicht weiter in den Sinn kam, drängte sich mir plötzlich erschreckend auf. Was macht Julian eigentlich immer in meinem Zimmer, egal ob ich böse träume oder nicht? Und … hatte er überhaupt vorgehabt, mich aus dem Traum zu reißen oder saß er nur da, um meine Reaktionen beim Träumen mitzuerleben? Schließlich wurde ich von selbst wach und Julian hatte nur auf dem Ende meines Bettes gehockt und mich angestarrt.
Ich muss wieder an den Jungen an dem Holzkreuz denken. Seine schwarzen Augen waren so voller Schmerzen und sein dunkles Haar vom Schweiß verklebt. Er blutete überall und ließ es sich doch nicht nehmen, mich vor Julian zu warnen.
Ich werfe mich in meinem Bett herum und lasse das Licht lieber an. Mit aller Macht versuche ich den Traum wegzuschieben. Ist ja auch alles zu verrückt.
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