Heine hardcore II - Die späten Jahre. Freudhold Riesenharf
oder wie frischer Kaviar, oder wie Trüffel in Burgunder – ja gerade das Interessanteste und Aufschlussreichste an der Geschichte, andernfalls sie ja wohl nicht immer mit so unbeirrbarer Zielstrebigkeit und Monomanie darauf zusteuern würde … –
Das ist aber widersinnig und paradox: Filme zu zeigen, die von der bewussten Sache handeln und mit unbeirrbarer Zielstrebigkeit und Monomanie darauf zusteuern, – dann aber, wenn der Punkt nach manchem Hin und Her endlich erreicht ist, plötzlich auszublenden und den Rest aus falscher Scham, damit der es nicht als unmoralisch empfindet oder ,in seinem sittlichen Gefühl verletzt wird', der Phantasie des Zuschauers zu überlassen. Wer würde durch den Geschlechtsakt schöner wohlgestalter Menschen denn je ,in seinem sittlichen Gefühl verletzt' werden?
Es gibt aber schon in der Stummfilmzeit Lichtspiele, welche die besagte Prüderie nicht teilen und das genannte Potenzial tatsächlich weitestgehend erschöpfen. Das nennt man dann Pornografie.
Der Film ist nämlich in der Lage, das Repertoire der bisher bloß schriftlichen oder bildnerischen Pornografie ganz ungemein zu erweitern, indem er die sexuellen Szenen direkt live auf der Leinwand vorführt. So entstehen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch schon die ersten pornografischen Filme, auch wenn das mit der heutigen Invasion noch nicht vergleichbar ist. Ein Beispiel etwa ist der achtminütige anonyme französische Stummfilmstreifen mit dem Titel Agénor fait un levage – Agénor lässt sich liften – aus dem Jahr 1925 mit eingeblendeten Zwischentexten.
Das findet man heute im Internet: Eine junge hübsche Frau in einem eleganten Kostüm mit einer modischen Mütze und einer Pelzstola kommt unterm lichten Pariser Sommerhimmel, ein zusammengefaltetes Journal in der Hand, mit damenhaft trippelnden Schritten das Seineufer mit seinen hölzernen Bänken entlang. Hinter ihr drein spaziert ein hagerer ältlicher Herr mit Kravatte, dunkler Brille, Hut und Spazierstock. Die Dame setzt sich auf eine Bank und entfaltet ihr Journal, um zu lesen. Der Herr, bestimmt der so genannte Agénor, bleibt bei ihr stehen, zieht wiederholt seinen Hut und stellt sich ihr höflich vor. Die Dame will aber nichts von ihm wissen, winkt ihm, weiterzugehen, und widmet sich angelegentlich ihrem Journal. Dennoch setzt er sich nach einigem Hin und Her aufdringlich zu ihr auf die Bank. Er hat einen mächtigen hellen gezwirbelten Schnurrbart. Je vous offre mon coeur et cinc louis … ca va? lautet sein unmoralisches Angebot, während man hinter ihnen Fahrradfahrer, Kinder und altmodische Autos vorbeikommen sieht. Da ist Mademoiselle dann doch einverstanden und begleitet ihn trippelnd zu einem Hotel, wo er ihr ein charmantes Küsschen gibt, während die Fille de chambre mit ihrem Spitzenhäubchen sie aufs Zimmer führt. Dort legt er Jackett, Hut und Spazierstock ab und knöpft sich die Hose auf. Als Mademoiselle ihr Bonnet abnimmt, sieht man, dass sie kurzgeschnittenes Haar hat. Auf der Bettkante rafft sie, während sie die knielangen Nylonstrümpfe anbehält, sofort ihren Rock über die Hüften hoch und er vollführt, indem er den Rand ihres bauschigen Schlüpfers beiseite zieht, an ihrem stark behaarten Geschlecht zu ihrem sichtlichen Vergnügen einen zärtlichen Cunnilingus. Sie hat, wobei sie sein Schnauzer in den Leisten kitzelt, ein Bein weit abgespreizt und einen Arm hinter dem Kopf. Das – gleichfalls nicht unschöne – Dienstmädchen muss das offenbar noch mitgekriegt haben, da sie beim Verlassen des Zimmers mit einem angeregten Herrjeh! die Hände zusammenschlägt. Gleich darauf geht die Grisette, während er noch angezogen bleibt, an seinem offenstehenden Hosenschlitz zu engagierter Fellatio über. Aber werden es mir nicht die Damen übelnehmen, dass ich Hosen statt Beinkleider sage? Oh, über das Feingefühl der Damen! Am Ende werden nur Eunuchen für sie schreiben dürfen, und ihre Geistesdiener im Okzident werden so harmlos sein müssen wie ihre Leibdiener im Orient.
Irgendwas scheint ihr dabei aber nicht zu behagen, da sie es bald wieder sein lässt und wieder verschwinden will: Puisque tu ne bandes pas, je me debine. Da du keinen Ständer hast, verdufte ich wieder. Sie zieht sich den Rock wieder über die Hüften herab, wobei ihr Schlüpfer sich zwischen den Hinterbacken bauscht, und verschwindet, während er sie händeringend zu halten versucht, aus dem Zimmer. Chérie! ruft er ihr nach und klatscht sich mit den Händen verzweifelt auf die Schenkel. Vergeblich. Va donc, eh! Fondu. Auf dem Bettkästchen bleibt ihr aufgeschlagenes Journal zurück. Als Werbeanzeige für Les pilules Eros liest er: Vous randrons la queue comme un os – ,Sie kriegen einen Schwanz wie ein Knochen'. Sofort nimmt er Jackett, Hut, Stock wieder auf, begibt sich in den Laden und nimmt gleich zwei der vielversprechenden Pillen. Dann holt er auf der Promenade die Fahnenflüchtige mit ihrem kurzen damenhaften Trippeln ein und sucht sie von seinen Forschritten zu überzeugen: Cette fois, ma jolie, je suis au point.
Sie lässt sich, nicht ohne einen vergewissernden Blick auf die Pillen, überreden und folgt ihm zurück ins Hotel. Da packt sie ihn am Sack und scheint überzeugt. Diesmal entkleiden sich beide gleich zu völliger Nacktheit, wobei sie ihm gar beim Schuheausziehen hilft. Sie deckt das Bett halb auf, sie legen sich darauf und umarmen sich. Dann deckt sie das ganze Bett auf, und wieder spreizt er ihre Beine zu einem Cunnilingus an ihrem üppigen Busch. Einmal sieht man sie vom Oberkörper aufwärts, den Achselflaum unter abgespreizten Armen, wie sie sich unter seiner Zunge windet, ihr Antlitz ihre Lust widerspiegelt und ihre schönen weichen Brüste wabbeln. Etwas wirft sie den Kopf hin und her. Es ist, als Harry den Film später sieht, seine Lieblingseinstellung; dagegen schien Hedy Lamarr, die ihr Potenzial ja nicht voll ausgeschöpft hatte, auch wenn sie noch hübscher ist, eine wahre Anfängerin.
Dann gehen sie in die 69er-Stellung, hier ihr blühender Rosenbusch über seinen Lippen, dort sein Gemächt in ihrem Mund. Jetzt erst sieht man, mit was für einem mächtigen Pimmel der schmächtige Alte aufwarten kann: prall und strotzend ragt es zwischen seinen dünnen Beinen auf und ist so lang, dass die Grisette den Hals nicht voll genug davon kriegt. Diesmal klappt ihre engagierte Fellatio, wobei sie mit hängenden Brüsten seine vollen Hoden in der Hand wiegt. Als sie sich, rittlings auf ihn aufhockend, sein Ding einzuführen versucht – wobei man sie von hinten sieht –, ergibt sich eine Schwierigkeit. Offenbar ist es nicht glitschig genug, da sie erst wieder herabsteigt und ihm mit einem Gleitmittel die Eichel einsalbt; Harry, als er den Film sieht, kann nicht genau erkennen, womit. Aber auch dann ist es noch schwierig genug, seinen Schaft in ihre Muschi zu kriegen. Bei solcher Länge kann sie, auch als er schon zur Hälfte darin verschwindet, den Rest immer noch mit der ganzen Hand halten. Danach reitet sie mänadisch auf ihm, bevor sie sich vornüber neigt und er sie aus der Hüfte heraus rammelt wie in Karnickel. Man sieht ihn aber nicht ejakulieren. In der nächsten Einstellung zieht sie sich wieder an. Agénor, der offenbar noch nicht genug von ihr hat, versucht vergeblich, sie zu halten. Chérie! – „J'en ai marre de ta saucisse. Ich habe genug von deiner Wurst“, meint sie.
Zur Abhilfe klingelt er – Appelons la Boniche! – dem Dienstmädchen. Als sie erscheint, fällt er sofort über sie her und vögelt sie, die ihm nicht widerstrebt, voll angezogen und während sie ihr Spitzenhäubchen aufbehält, quer überm Bett. In Paris ist offenbar jedes Zimmermädchen zu haben. La bonne à tout faire. Wieder zuerst Cunnilingus, dann Fellatio unterm Spitzenhäubchen, wobei sie routiniert seine Eier krault. Grand travail! Erst dann zieht sie sich ganz aus, wobei er ihr lüstern zur Hand geht, und legt sich aufs Bett. Er kniet sich weit vorn über sie und lässt sein Genital in ihren Mund hängen. Erst dann besteigt er sie, in Missionarsstellung, in the state of the art ... Da kehrt mittendrin die vorige Mademoiselle zurück: Retour imprévu! Offenbar hat es ihr doch besser gefallen, als es den Anschein hatte. Er fällt gleich wieder über sie her, woraufhin die beiden Grisetten in eine lesbische 69er-Stellung gehen, die Boniche mit ihren vollen Brüsten oben. In Paris verstehen Mesdames sich offenbar instinktiv. Agénor schaut eine Weile zu, dann bockt er auf die Boniche auf und rammelt sie von hinten, man sieht nicht genau, ob anal oder vaginal. Mit dieser frenetischen Drei-Schichten-Ansicht endet der Film. Ein Mann zusammen mit zwei Frauen, denkt Harry, das ist genau ein Mann zu wenig!
Der 1925 entstandene Film enthält bereits alle Zutaten und Ingredienzien des modernen Pornos: Koitus in unterschiedlichen Stellungen, Fellatio, Cunnilingus, 69er, lesbische Szenen, Analverkehr, Gruppensex. Solche Filme, die man ja im Bordell drehen kann, muss es schon damals in rauhen Mengen geben, auch wenn die öffentliche Vorführung verboten ist. Die ersten pornografischen Filme entstehen im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, die Vorführung erfolgt in speziellen Kinos. Verboten wird die filmische Darstellung