Heine hardcore II - Die späten Jahre. Freudhold Riesenharf

Heine hardcore II - Die späten Jahre - Freudhold Riesenharf


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mutandis mit dem Goi identifiziert …

      Ein andermal sieht er dieselbe Debra Paget in dem Indianerfilm Der gebrochene Pfeil als Indianermädchen Sonseeahray an der Seite von James Stewart, und wieder ist er so betört von ihrem Liebreiz, dass ihm bittere Tränen über die Wangen laufen, als sie einem tödlichen Schuss zum Opfer fällt ... –

      Er sieht den amerikanischen Sandalenfilm Quo vadis mit dem gutaussehenden Feldherrn Marcus Vinicius und der hochgeborenen Sklavin Lygia und kann nicht sagen, was ihn mehr enthusiasmiert: die römische Männlichkeit Robert Taylors oder die rothaarige Schönheit Deborah Kerrs. Aber natürlich die versklavte, versklavende Schönheit Lygias, deren holde Ergebenheit gegen ihren Geliebten ihm wie Laudanum ins Blut geht. – Gewöhnlich werden bei diesen Christenverfolgungen, genauso wie in Ben Hur, immer die Christen als die wahren Gläubigen, und die Römer als heidnische Polytheisten hingestellt. In Wahrheit, erkennt er später, ist das eine so verrückt und irrational wie das andre. Im Grunde war ein Römer wie Pontius Pilatus, dem es bloß um die Erhaltung römischer Macht ging, sogar rationaler als seine christlichen Widersacher, die einem irrationalen Monotheismus aufsaßen, der ja um kein Jota logischer ist als die antike Vielgötterverehrung. Vermutlich war Pilatus rationaler als Jesus.

      26: Debra

      Aber auch einheimische deutsche Schauspielerinnen hinterlassen einen unauslöschlichen Eindruck bei ihm. Es ist die Zeit des so genannten ,Fräuleinwunders' der Fünfzigerjahre, als sich die ganze Welt über die mirakulöse Schönheit der jungen deutschen Frauen wundert. Einmal sieht er im Schaukasten eines Düsseldorfer Kinos, wie gebannt von dem bezaubernden Körper, die junge Senta Berger nackt auf einem Liegestuhl in der Sonne liegen. Susanna im Bade. Verschämt geht er vor der Vitrine hin und her, heimlich um sich blickend, ob er nicht seinerseits bei seinem Voyeurismus beobachtet wird. Senta ist aber auch wirklich so ein Fräuleinwunder, dass ihr sogar der bekannte Hollywoodstar Richard Widmark an die Wäsche will.

      Ebenso machen ihn die fränkische Elke Sommer, Karin Baal, Karin Dor, die Österreicherinnen Marisa Mell und Maria Perschy oder die italienische Gina Lollobrigida an. Aber auch Angelika Domröse oder Renée Soutendijk sind sein Typ. Die schöne Schwedin Britt Ekland hat Mitte der 1970er Jahre eine Affäre mit dem englischen Rockstar Rod Stewart, von dem sie sagt, er sei der sinnlichste Mann, der ihr je begegnet ... Harry, der es zufällig in der Zeitung liest, fragt sich gelb vor Eifersucht, wie sie dergleichen behaupten mag, während er selber noch lebt? Der sinnlichste Mann, der ihr je begegnet – ja, weil sie ihm nie begegnet ist, kann sie es nicht besser wissen. Ahnen diese schönen Weiber eigentlich, welche Wirkung sie auf kleine Jungen haben? Wie sie auf erwachsene Männer wirken, wissen sie natürlich. Aber ahnen sie auch, wie sehr sie schon auf die juvenile Sinnlichkeit wirken? Zumindest auf solch geborene Anbeter weiblicher Schönheit wie Harry? Was kann ein Erdensohn mehr verlangen von einem Weibe? Ist ein solches nicht ein wandelndes Paradies?

       Wird er, Ritter von der traurigen Gestalt, jemals eines solchen teilhaftig werden, oder muss er, wie die Weiber im Koran, sich mit dem bloßen Anblick des Paradieses begnügen?

      Viele Filme sind erst ab sechzehn, so dass er nicht hinein darf. Er hat das Gefühl, als würde ihm dadurch etwas vorenthalten, was wesentlich mit zum Leben gehört. Offenbar machen da Männer und Frauen etwas zusammen, was er noch nicht sehen darf. Ein information hiding, das man Jugendschutz nennt. Offenbar soll er davor geschützt werden, das zu sehen, wonach es ihn am meisten verlangt. Das weckt die unwiderstehliche Neigung in ihm, es sich wenigstens vorzustellen. Daher erhebt sich die Frage, ob man es die Jugend doch nicht lieber gleich sehen lassen soll, weil die Vorstellungen, zu denen man sie nötigt, womöglich noch viel gefährlicher für sie sind als das, wovor man sie schützt.

      Soviel unverhüllte Frauenschönheit in den Journalen und auf der Leinwand, und da soll eine so romantische Natur wie die Harrys nicht ein für allemal durch Liebessucht verdorben werden? Geradeso gut könnten Sie einen notorischen Gewohnheitstrinker in Ihrem Weinkeller logieren lassen. Oder mit einem Pollenallergiker auf einer blühenden Wiese herumspazieren. Werden die weiblichen Akte auf den Bildern der alten Meister, die er in der Arche Noä absorbierte, jetzt erstmals in der Geschichte doch gleichsam realiter verkörpert und auf der Leinwand zu leibhaftem Leben erweckt. Im modernen Film ist er wie Pygmalion vor der lebendig gewordenen Statue Galathées.

      Sein römischer Lieblingsdichter, Ovid, schildert es in den Metamorphosen: Der Künstler Pygmalion aus Zypern ist aufgrund schlechter Erfahrungen mit den so genannten Propoetiden – sexuell entarteten Weibern – zum Frauenfeind geworden und lebt nur noch für seine Bildhauerei. Ohne bewusste Absicht, also unbewusst, erschafft er eine elfenbeinerne Skulptur, die wie eine lebendige Frau aussieht. Er behandelt die Figur immer mehr wie einen echten Menschen und verliebt sich schließlich in sie. An einem Festtag der Venus betet er zu der Göttin. Zwar äußert er nicht direkt den Wunsch, seine Statue möge menschlich werden, doch fleht er darum, seine künftige Frau möge so sein wie sie. Als er nach Hause kommt und wieder mal dem Elfenbein schmeichelt, wird dieses allmählich lebendig. Im 18. Jahrhundert erhielt die zum Leben erweckte Statue den Namen Galatea. Harry stellt sich die Freuden Pygmalions mit Galatea ganz realistisch vor.

      Voilá, der alberne antike Mythos ist durch den modernen Film realisierbar geworden! Pygmalions Flehen ward durch die moderne Technik erhört, und was einstmals nur in knöchernem Elfenbein oder Stein oder Marmor erschien, das tummelt sich nun wie es leibt und lebt in Cinemascope im Evaskostüm auf der Leinwand.

      Kann man sich eine schönere Galathée denken als Debra Paget bei ihrem Tempeltanz?

      Gibt es eine echtere Venus génitrice als die schöne Schweizerin Ursula Andress in James Bond jagt Dr. No, wie sie als Muscheltaucherin Honey Ryder in weiß gegürtetem Bikini singend wie eine karibische Aphrodite Anadyomene schaumgeboren dem Meer entsteigt? Davor verblasst sogar noch Botticellis Gemälde mit der schönen Florentinerin Simonetta Vespucci. Sie trägt, da sie den blauen Wassern entsteigt, einen weißen Bikini, darüber um die Hüften einen weißen Gürtel fürs Muschelmesser. Gern würde auch Harry mit ihr nach Muscheln, nach ihrer Muschel, tauchen. Die Andress entwarf den Bikini angeblich zusammen mit dem Regisseur Terence Young, und ein Schneider aus Jamaika hat ihn während des Drehs unter Verwendung eines ihrer diversen Bügel-BH's genäht. Infolge der Szene wird der Bikini mit Gürtel in den 60er Jahren rund um den Globus zur Mode; die gegürtete und bewaffnete Aphrodite illustriert den Frauentyp, der eine sexuelle Revolution einleitet.

      Angelehnt an die Première 1962 wird der Dr.-No-Bikini 2002 modisch reaktiviert. Jetzt ist es die bezaubernd schöne Amerikanerin Halle Berry in Stirb an einem anderen Tag, die im orangefarbenen Zweiteiler, weiß gegürtet, als farbiges Bondgirl dem feuchten Element entsteigt. Hatte Shakespeare eine schönere Kleopatra im Sinn, die in ihrer Barke auf dem Fluss Cydnus treibend dem Antonius den Kopf verdreht, wie er es von seiner Lektüre mit Abbé Daulnoin her kennt? Das Zitieren alter und neuer Bücher ist das Hauptvergnügen eines jungen Autors, und so ein paar grundgelehrte Zitate zieren den ganzen Menschen:

       I will tell you. The barge she sat in, like a burnish'd throne, Burn'd on the water: the poop was beaten gold; Purple the sails, and so perfumed that The winds were love-sick with them; the oars were silver, Which to the tune of flutes kept stroke, and made The water which they beat to follow faster, As amorous of their strokes. For her own person, It beggar'd all description: she did lie In her pavilion — cloth-of-gold of tissue — O'er-picturing that Venus where we see The fancy outwork nature: on each side her Stood pretty dimpled boys, like smiling Cupids, With divers-colour'd fans, whose wind did seem To glow the delicate cheeks which they did cool, And what they undid did.

       Bei Schlegel-Tieck:

      Ich will's berichten. –

       Die Bark, in der sie saß, ein Feuerthron,

       Brannt auf dem Strom: getriebnes Gold der Spiegel,

       Die Purpursegel duftend, dass der Wind

       Entzückt nachzog; die Ruder waren Silber,

       Die nach der Flöten Ton Takt hielten, dass

       Das Wasser, wie sie's trafen, schneller


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