Heil mich, wenn du kannst. Melanie Weber-Tilse

Heil mich, wenn du kannst - Melanie Weber-Tilse


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du kannst doch nicht einfach alles, was zwischen uns war, so einfach wegschmeißen!«

      »Oh doch, ich denke, das kann ich, David! Werd endlich erwachsen und ruf mich nie wieder an, hast du verstanden?«, fauchte sie in den Hörer und beendete das Gespräch. Fast sofort fing es erneut an, zu klingeln. Ein frustriertes Grummeln entwich ihr.

      »Weißt du, wie man mit sowas wirklich umgeht, La?« Juliette erhob sich, nahm ihr das Smartphone aus der Hand und sorgte mit wenigen Wischbewegungen dafür, das der Anrufer gesperrt wurde. Mit offenem Mund sah Laura ihre Freundin an. »Was?«, grinste diese. »Wenn du mit dem reichen Partner einer Holding zusammen bist, lernst du ein, zwei Kniffe und vor allem lernst du, wie man unliebsame Anrufer loswird!«

      Ein Kichern löste sich aus Laura. »Danke, Jules«, lachte sie und fiel ihr um den Hals. »Das geht seit drei Tagen so! Baby, es tut mir leid ... Baby, ich liebe doch nur dich! Das hätte er sich überlegen können, bevor er die rothaarige Schlampe vögelt. In meinem Bett!«

      »Laura! Er hat nicht wirklich ...« Juliette riss die Augen auf.

      »Oh, doch. Er hat! Da half auch sein Schatz, es ist nicht so, wie es aussieht nichts mehr.«

      Kopfschüttelnd ließ Jules das Handy zurück in Lauras Tasche fallen. »Sachen gibt’s«, murmelte sie. »Manchmal hat man das Gefühl, das es nur noch Vollidioten auf der Welt gibt!«

      »Anwesende hoffentlich ausgeschlossen«, erklang in dem Moment die amüsierte Stimme von Patrick St. Claire, Jules Freund, von der Tür her und die beiden Frauen fuhren herum. In den Händen hielt er zwei Tüten eines Lieferservice, aus denen es verführerisch duftete. »Immerhin hat der Vollidiot was Leckeres zu essen mitgebracht!«

      Jules und Laura sahen erst einander an, dann zu Patrick und wie auf Kommando fingen alle drei an, zu lachen.

      ***

      Ein Blick auf die Uhr zeigte Laura, dass es fast halb sieben war und noch immer war keine Spur von Ryan zu sehen. Darauf bedacht, alles richtig zuzuordnen, legte sie die Medikamente zurecht, die wie jeden Morgen an die Patienten zu verabreichen waren. Nachdem sie sich mehrfach vergewissert hatte, dass alles seine Richtigkeit hatte, schloss sie den großen Medikamentenschrank wieder ab. Sie ergriff das Tablett, wandte sich um und wäre fast in Ryan hineingeprallt.

      Völlig übermüdet sah er aus und blinzelte ihr aus kleinen Augen entgegen. »Was machst du da?«, murmelte er und gähnte herzhaft.

      »Wonach siehts denn aus?«, konnte sie nicht verkneifen, zu fragen.

      »Ich brauche einen Kaffee, vorher kann ich so schwere Fragen noch nicht beantworten.«

      Laura schnaubte. »Na, da bin ich ja mal gespannt, welche meiner Schwesternschülerinnen heute Morgen noch zu spät gekommen ist«, sagte sie leise und wollte an ihm vorbeigehen, doch mit einem schnellen Griff an ihren Arm hielt Ryan sie auf.

      »Du warst es jedenfalls nicht!«, zischte er sie an und stellte sich ihr in den Weg. »Bildest du dir eigentlich immer so schnell ein Urteil?«

      Laura fand sich dicht vor seiner Brust wieder und ließ ihren Blick nach oben wandern. »Seit wann sind wir beim Du?«, wollte sie spitz wissen und versuchte, ihren Arm aus seiner Umklammerung zu lösen, was ihr jedoch nicht gelingen würde, ohne die Medikamente größtenteils umzuwerfen. »Lass mich gefälligst los.«

      Er starrte sie finster an, ließ aber gehorsam ihren Arm los und raufte sich dann die Haare. »Mann ey, sowas schon am frühen Morgen! Ich bin müde, brauche einen Kaffee und muss mich auch noch mit einem vorurteilsbehafteten Giftzwerg abgeben. Da kommt richtig Freude auf!«, knurrte er, trat zur Seite und ließ Laura stehen.

      Verblüfft sah sie ihm nach, bis er im Aufenthaltsraum verschwunden und das Schließen der Tür deutlich zu vernehmen war. Vorurteilsbehafteter Giftzwerg? »Warum zur Hölle bekomme eigentlich immer ich die Pflegefälle zugeteilt?«, murmelte sie leise vor sich hin, aber noch während sie den Gang hinunter marschierte, wurde ihr die Zweideutigkeit ihrer Aussage klar und ein leichtes Grinsen legte sich auf ihre Lippen. Dem würde sie noch zeigen, wie das hier zu laufen hatte!

      »Guten Morgen, Laura! Wo haben Sie denn ihren Supermann gelassen?«, empfing sie Philip mit einem breiten Lächeln. Das hatte noch gefehlt, wurde der Kerl etwa wirklich vermisst?

      »Der hatte heute Nacht ganz offensichtlich eine Begegnung mit Kryptonit und dabei ist ihm ein großer Teil seiner Superkräfte verloren gegangen!« Sie hatte nur geflüstert, aber scheinbar besaß Phil ein gutes Gehör, denn er lachte laut auf. Dann surrte es leise und das Kopfteil seines Bettes richtete sich auf, während Laura das Betttablett umklappte und den kleinen Becher mit den Medikamenten, die er einnehmen musste, darauf abstellte.

      »Gehen Sie nicht so hart mit ihm zu Gericht!«

      »Warum sollte ich nicht? Bislang liefert er wenig Grund dagegen«, sie warf ihm einen fragenden Blick zu, füllte ein Glas mit Wasser und stellte es zu der Medizin.

      »Weil man mit Speck Mäuse fängt, Laura und nicht mit Rattengift.«

      Mit zuckenden Mundwinkeln richtete sie Phils Kopfkissen und verbiss sich das Grinsen. »Rattengift? Bringen Sie mich nicht auf Ideen! Aber mal im Ernst, Ihre Verteidigung des männlichen Geschlechts in allen Ehren ...«, sie setzte sich vorsichtig auf den Bettrand und griff nach dem Handgelenk ihres Patienten, um den Puls zu kontrollieren. »Ich habe schon mit einigen Zivis zusammengearbeitet, die von sich selbst glaubten, sie seien der Nabel der Welt. Und meine Erfahrung hat eindeutig gezeigt, dass das Prinzip Zuckerbrot und Peitsche am besten funktioniert!«

      »Und das Zuckerbrot lassen Sie dabei am liebsten zu Hause, nicht wahr?«, ertönte es trocken von der Tür. Dort stand Ryan, zwei Tassen in der Hand, aus denen es kräftig dampfte. »Ich vermute, Sie trinken keinen Kaffee, denn Energie besitzen Sie offensichtlich genug. Daher habe ich für Sie einen Beruhigungstee mitgebracht!«

      Laura klappte der Mund auf und sie starrte den Zivi sprachlos an.

      Philip hingegen prustete laut los. »Touché, Supermann!«

      ***

      Nachdem Ryan noch ein oder zwei Mal versucht hatte, ihr den Grund für sein Zuspätkommen zu erklären, war es Laura irgendwann schließlich zu bunt geworden. »Ihre Eskapaden außerhalb der Arbeitszeit interessieren mich nicht. Sehen Sie einfach zu, dass Sie ab sofort pünktlich sind!«, hatte sie ihn angefaucht und einfach stehenlassen. Der Rest des Vormittags war in unangenehmem Schweigen verlaufen. Allerdings konnte sie nicht umhin, zuzugeben, dass sich der Zivi diesmal zumindest Mühe gab, freundlich und positiv mit den Patienten umzugehen.

      Die angespannte Stimmung drückte Laura aufs Gemüt und sie beschloss, die Pause im großzügigen Park des Zentrums zu verbringen. Doch kaum, dass sie sich auf einer Bank bei den künstlich angelegten Teichen niedergelassen hatte, ertönte eine Durchsage. »Schwester Higgins bitte zum Eingang kommen, Schwester Higgins bitte!« Stirnrunzelnd erhob sie sich wieder und betrat das Gebäude.

      Schon während sie noch auf dem Weg zum Haupteingang war, konnte sie das Gezeter hören, das dort herrschte. Eine dumpfe Ahnung befiel sie, und kaum, dass sie um die Ecke gebogen war, bestätigte sich diese.

      »Ich w... will, dass Sie Laura herholen, v... verdammt!«, lallte David der Empfangsdame Jeanette entgegen und Laura lief ein kalter Schauer den Rücken herab. Ihr Exfreund war sichtlich betrunken und baute sich bedrohlich vor Jeanette auf.

      »David?«, bemühte sie sich um einen ruhigen Ton.

      Dieser fuhr herum und starrte sie aus glasigen Augen an. »Baby, die wollten mich n... nicht zu dir r... rein lassen!«, jammerte er vorwurfsvoll.

      »Und das wundert dich wirklich?«, fragte sie, noch immer darum bemüht, ihre Wut auf ihn nicht durchblitzen zu lassen. Zuerst musste sie dafür sorgen, dass ihre Kollegin in Sicherheit war. »Danke, Jeanette, ich kümmere mich darum«, wandte sie sich mit einem verzweifelten Lächeln um und trat auf sie zu, um sie von David wegzuschieben. »Es tut mir leid«, wisperte sie. »Gehts dir gut?« Etwas blass um die Nase nickte die Kollegin.

      »B...


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