Das schmale Fenster. Friedrich Haugg

Das schmale Fenster - Friedrich Haugg


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dachte er. Die beiden traten durch den gesicherten Laboreingang und nach einer Minute kam der Werkschutzmann wieder heraus. Jetzt wollte Martin unbedingt wissen, wer der Besucher war und betrat selbst den Laborbereich. Er nannte sich einen Narren, weil natürlich Mitarbeiter von Subunternehmen den Labors immer wieder Besuche abstatteten. Er schlenderte durch die Gänge, so als ob er einfach einmal einen unangemeldeten Kontrollbesuch machte, was er eigentlich nie tat. Jetzt müsste ich nur noch ein wenig pfeifen, dann wäre der Lächerlichkeit endgültig genüge getan, dachte er und war von sich selbst peinlich berührt. Er nahm wenigstens die Hände aus den Hosentaschen. Hinter der Glaswand eines kleinen Besprechungsraums sah er August sitzen mit Leutnant Paul, dem Mitarbeiter von Berner. Das war sehr ungewöhnlich, fand Martin. Er ging schnell wieder in seine Bürosuite und bat B-Hörnchen ihn sofort mit Kommissar Berner zu verbinden.

      „Hallo Dylan, hier Martin.“

      „Hallo, Martin, was gibt es so früh?“

      „Was zum Teufel macht dein Lieutenant bei uns im Büro?“

      „Wie bitte? Wer?“

      „Na, dein freundlicher Leutnant, der Paul eben.“

      „Was ist mit ihm?“

      „Was soll mit Ihm sein? Er verhört unsere Leute. Ich dachte, es gibt keinen 'Fall' mehr.“

      „Er tut was?“

      „Jetzt tu nicht so, als ob du das nicht wüsstest. Der macht doch nichts ohne deinen Segen.“

      „Ich schwör's dir, ich weiß davon nichts. Er war bei dir im Büro, hast du gesagt?“

      „Nicht bei mir. Ich habe es nur durch Zufall bemerkt. Bei meinen Leuten.“

      „Das verstehe ich nicht. Ja gut, ich habe mit Andri darüber gesprochen, dass du nämlich neue Anhaltspunkte hast. Er meinte aber auch, das würde nicht genügen, um den Fall nochmal aufzurollen. Wir sind so verblieben, dass wir erst einmal in Ruhe nachdenken und die Akten noch einmal analysieren wollten, das sagte ich dir doch. Ich verstehe das nicht.“

      „Aber er war da.“

      „Ich kann dir im Augenblick nichts sagen. Ich werde mit ihm sprechen und dich dann wieder anläuten.“

      Martins Ungeduld war mit diesem Ergebnis nicht befriedigt. Er beschloss spontan, mit Miriam zu reden. Miriam setzte sich ihm gegenüber und strahlte kühle Sachlichkeit aus.

      „Tut mir leid, Miriam. Das A-Hörnchen lässt mich nicht zu dir.“

      „Was soll das jetzt bedeuten und wer, Himmel noch mal, ist A-Hörnchen?“

      Martin legte den Zeigefinger an den Mund. „Nicht so laut, ich nenn' so meine erste Sekretärin, die meinen Tag verplant, aber verrat' mich nicht.“

      „Und die zweite heißt dann wohl B-Hörnchen.“

      „Genau.“

      „Ist nicht dein Ernst. Aber das wolltest du sicher nicht mit mir besprechen.“

      „Natürlich nicht. Ich wollte wissen, was Paul dich gefragt hat.“

      „Paul, welcher Paul?“

      „Der Leutnant Paul vom Kommissar Berner.“

      „Ich kenn' den kaum. Außerdem ist das schon so lange her. Da warst du noch mit uns zusammen.“

      „Nein, nein, ich meine heute.“

      „Heute, bist du sicher, dass bei dir alles in Ordnung ist? Ich war heute den ganzen Tag an den Geräten und habe niemanden außer Michael, Franz und Nadja gesehen. Alles Leute, die du gar nicht kennst.“ Es klang ein wenig spitz.

      „Ich habe den Paul mit August im Besprechungszimmer gesehen. Da gibt es keinen Zweifel.“

      „Dann musst du schon den fragen. Ich muss jetzt wieder an die Arbeit. Frank wartet.“ Das schlechte Gewissen hinderte Martin, etwas zu erwidern, so dass er nur 'Tschüss' sagte und dabei sehr traurig wurde. Er wusste im Augenblick nicht, wie er Miriam wieder auf seine Seite ziehen sollte. Er hätte gerne noch gefragt, wie es mit Frank so läuft, aber das hätte eifersüchtig geklungen und das wollte er ganz bestimmt nicht.

      Also machte er einen Termin mit August.

      „Grüezi, August, wie geht es so?“

      „Danke, Herr Dr. Hohenstein, es ist schon alles in Ordnung.“ Er wirkte noch unsicherer und energieärmer als früher. Martin meinte sogar, ein leichtes Zittern seiner Hände zu bemerken.

      „Wie geht es mit den anderen?“

      „Ich möchte über die anderen nichts sagen.“

      „Keine Sorge, ich will sie nicht aushorchen. Ich wollte nur wissen, ob sie sich wohlfühlen.“ Ohne es zu merken, hatte Martin auf das 'sie' gewechselt, obwohl sie sich früher alle geduzt hatten.

      „Ja natürlich fühle ich mich wohl. Das ist ein phantastischer Arbeitsplatz.“

      „Eigentlich wollte ich wissen, was Leutnant Paul heute bei ihnen wollte.“

      „Ach der. Der wollte eigentlich nur wissen, wann die nächste Sitzung unserer Gruppe ist. Das hatte mit der Arbeit nichts zu tun.“

      „Ah, sie meinen Ihre Ökobewegung? Was hat denn Paul damit zu tun?“

      „Der ist jetzt auch dabei, bei der 'Ökobewegung', weil er auch hinter unserer Sache steht und viele Leute kennt.“

      Leutnant Paul in einer Ökobewegung. So viel Vorstellungskraft besaß Martin beim besten Willen nicht. Aber es gibt eben Dinge auf Himmel und Erde.. der Rest des Zitats fiel ihm nicht ein.

      „Das ist aber schön“ meinte Martin und nicht einmal August glaubte an die Ehrlichkeit dieses Satzes.

      Martin beließ es dabei. August war immer ein Idealist gewesen, sein Fanatismus hielt sich bei seiner mangelnden Energie aber sicher in ungefährlichen Grenzen.

      Er rief Berner an. „Na, was hat Paul zu sagen gehabt?“

      „Er meinte, er hätte nur den August Maier besucht wegen einer privaten Sache, es ging um irgendeinen Termin für ein Treffen.“

      „Der Ökogrupppe gegen was weiß ich.“

      „Ja, genau.“

      „Maier hat mir erzählt, dass Paul jetzt auch Mitglied sei und hat sich richtig gefreut.“

      „Ja, jeder darf in einer Demokratie außerhalb seiner Arbeitszeit machen, was er will, außer morden.“

      „Er muss es ja sehr wichtig gehabt haben, dass er sogar in die Firma kommt.“

      „Vielleicht war er ja gerade in der Gegend, was weiß ich.“

      Martin fühlte, dass er so nicht weiter kam und beschloss, nur noch eins zu tun, um sich nicht lächerlich zu machen. Er musste mit Frank reden. Er rief ihn an. Ein persönliches Gespräch vermied er, dazu war ihm Frank mit seinem ganzen Gehabe zu unangenehm.

      „Hallo, Frank, Ich habe da mal eine Frage.“

      „Ja bitte, Martin, schießen sie los.“ Vorname und 'sie', was war denn das für eine Art mit ihm zu reden.

      „Du erinnerst dich doch an die Sache mit dem USB-Stick?“

      „Ja, natürlich. Es verlief im Sande.“

      „Hast du ihn wirklich nicht versehentlich mitgenommen?“ Martin wollte direkt sein und ihn in Bedrängnis bringen. Es wäre besser gewesen, dabei sein Gesicht zu sehen. So gab er ihm leider die Chance einer Denkpause.

      „Natürlich nicht. Aber ich habe viel darüber nachgedacht, wer es hätte sein können.“

      „Und zu welchem Ergebnis bist du gekommen?“

      „Bei der damaligen Anwesenheit kommen nur Miriam und August infrage. Eine Auswertung des Zugangsprotokolls schließt auch einen weiteren Unbekannten aus.“ Lass bloß Miriam in Ruhe, dachte


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