Der meergrüne Tod. Hans-Jürgen Setzer

Der meergrüne Tod - Hans-Jürgen Setzer


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auf Rückmeldungen.

      „Vielen Dank, Herr Professor Meggle, ganz herzlichen Dank für Ihre Ausführungen und die hervorragende Vorarbeit. Gibt es bis hierher Fragen meine Damen und Herren?“ Er schaute kurz in die Runde. „Da dies nicht der Fall ist, wie ich sehe, dürfte ich die Kolleginnen und Kollegen der Abteilung bis zum Ende der Abstimmung in den Warteraum nach nebenan bitten?“ Der Vorstandssprecher deutete nach diesem Satz als Aufforderung kurz in Richtung Tür.

      Professor Meggle, Frau Doktor Köhler und Herr Rathke nahmen etwa fünf Minuten nebenan Platz und warteten auf das Ergebnis der Abstimmung.

      „Herr Professor Meggle, dürfen wir Sie noch einmal kurz vor den Ausschuss bitten?“, fragte die Vorstandsassistentin.

      Er folgte der Sekretärin, die die Abstimmungsergebnisse protokollieren musste, zurück in den Konferenzraum. Seine beiden Assistenten warteten mit Spannung vor der Tür.

      „Herr Professor Meggle, Sie ahnen es sicher, die Abstimmung war einstimmig und, wenn wir ehrlich sind, waren wir eigentlich auch schon vor Ihren Ausführungen überzeugt. Wir kennen uns ja bereits ein paar Jährchen und die Zahlen sprechen eindeutig für Sie und Ihre Konzepte. Die Mittel sind natürlich bewilligt. Viel Erfolg. Machen Sie etwas daraus.“ Der Vorstandsvorsitzende gab Professor Meggle zum Abschluss die Hand und nahm wieder Platz.

      „Danke. Ich wünsche noch einen schönen Tag und ein glückliches Händchen bei der weiteren Mittelvergabe.“ Professor Meggle verließ lächelnd den Raum und zeigte den anderen beiden wartenden Abteilungsmitgliedern den erhobenen Daumen.

      „Glückwunsch, Herr Professor“, sagte Frau Doktor Köhler.

      Herr Rathke schloss sich mit einem kurz Gesagten „Gratuliere“ an.

      „Danke. Kommen Sie, wir trinken darauf ein Gläschen Schampus in meinem Büro.“

      Selbsthilfegruppe www.genug-gezappelt.de in Koblenz

      Leon ging, wie verabredet, zum nächsten Treffen des Koblenzer Selbsthilfeforums. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte er sich telefonisch vorher mit Nicole Berger verabredet und kam mit ihr gemeinsam zum Treffpunkt. Er bat sie, von ihr in die Gruppe eingeführt zu werden, um nicht vor ängstlich verschlossenen Menschen zu sitzen. Er wollte ja echte Insiderinformationen, die es in sich haben sollten. Dafür brauchte er natürlich das Vertrauen und die Offenheit der Betroffenen. Alles andere würde er nachlesen können. Eigene Erfahrungen würden einen Artikel lebendig werden lassen, das wusste er aus seiner langjährigen Arbeit als Journalist.

      „Willkommen zum heutigen Treffen. Ich möchte euch gleich zu Beginn den Journalisten, Leon Walters, vorstellen. Er schreibt einen Artikel für den Koblenzer Tageskurier über ADHS, Infantocalm, Behandlungsansätze der jungen Generation überhaupt. Er würde gerne unsere Gruppe kennenlernen und von unseren persönlichen Erfahrungen profitieren. Vielleicht sollten wir ihn selbst kurz zu Wort kommen lassen, denn er kann seine Arbeit sicher viel besser vorstellen als ich. Es wäre nett von euch, wenn ihr ihn mit offenen Armen empfangen würdet, ich glaube, dass er in unserem Sinne etwas voranbringen möchte. Leon, sagst du selbst ein paar Worte zu deinem Vorhaben?“

      Leon stand auf. „Na klar. Danke, Nicole, und Hallo zusammen. Ich bin Leon Walters, Chefredakteur beim Koblenzer Tageskurier. Eine betroffene Mutter mit einem ADHS-Kind bat mich vor einigen Tagen um Hilfe. Der inzwischen zum Teeny herangewachsene Sohn erhielt jahrelang Infantocalm mit relativ wenig Erfolg und nach dem Absetzen geriet er in schlimme Drogenprobleme. So ging das Ganze eigentlich für mich los. Die Mutter wollte, dass wir die Drogenszene an der Schule hochnehmen, um ihren Sohn und andere Kinder zu schützen.“

      „Was wollen Sie mit Ihrem Artikel denn erreichen und aussagen?“, fragte in kritischem Ton eine Frau, Mitte dreißig.

      „Das ist eine gute Frage. Natürlich gehe ich, wie an jeden Fall, unbefangen und offen an die Sache heran. Daher ist es im frühen Stadium nie klar, was dabei herauskommen wird. Ich habe es Nicole schon erzählt: Anfangs war ich völlig gegen Infantocalm eingestellt und dachte, es könnte eine Vorstufe zu Drogenproblemen sein oder diese zumindest begünstigen. Inzwischen bin ich mir selbst unsicher geworden und es ist für mich wieder völlig offen, was im Artikel letztendlich als Endergebnis herauskommen wird.

      Auf alle Fälle sollte es im Artikel um Informationen über ADHS und dessen Behandlungsmöglichkeiten gehen. Deshalb bin ich hier. Ich erwarte Informationen aus erster Hand. Was hilft, was nicht?“

      „In welchem Verhältnis stehen Sie zu Nicole? Kennen Sie sich schon länger?“, fragte dieselbe kritische Dame.

      Nicole sah sich veranlasst, diese Frage selber zu beantworten. „Nein, er hat meine Nachrichten in unserem Forum gelesen. Wir hatten dann Mailkontakt, haben telefoniert und uns einmal getroffen. Ich habe ihn sogar ermuntert, heute mit hierher zu kommen, um einfach die ganze Bandbreite der ADHS-Fälle besser einschätzen zu können.“

      „Also, kurz gesagt, es wäre nett, wenn Sie mich heute Abend ein wenig Mäuschen spielen lassen würden, wenn ich die eine oder andere Frage stellen dürfte? Wenn ich dann einige Antworten mitnehmen könnte, wären meine Erwartungen voll erfüllt.“ Leon lächelte. Das eine oder andere kritische Augenpaar hatte er überzeugt, jedoch nicht alle, so glaubte er jedenfalls.

      „Mich würde interessieren, wovor Sie bei mir Angst haben könnten. Es wäre vorweg sicher hilfreich, das zu klären. Vielleicht lässt es sich ja aus dem Weg räumen.“ Leon freute sich, dass ihm dieser offensive Umgang mit dem Problem spontan eingefallen war. Er hasste ungelöste und unausgesprochene Konflikte und hatte ein gutes Gespür dafür. „Wenn Sie es wünschen, gehe ich ein paar Minuten hinaus. Sie reden kurz untereinander darüber und teilen mir mit, ob ich bleiben darf oder nicht. Wie wäre das?“ Er schaute fragend zu Nicole.

      „Ja, das klingt perfekt. Du kannst dir im Foyer einen Kaffee holen und wir reden ganz offen miteinander. Danke, Leon.“

      Leon ging nach draußen.

      „Sag mal, Nicole, meinst du nicht, es wäre besser gewesen, uns vorher zu fragen, bevor du einen Presseheini anschleppst? Das ist hier unsere Selbsthilfegruppe und nicht dein Wohnzimmer.“ Die kritische Stimme von eben meldete sich wieder zu Wort.

      „Tut mir leid, Sigrid. Ich hätte nicht gedacht, dass es so ein Problem werden würde. Er will einen Artikel mit Informationen und Hilfen für die Eltern schreiben. Genau das ist unser Thema. Wir hätten vielleicht sogar kostenlose Werbung und ein regionales Forum für unsere wichtigsten Inhalte.“ Nicole bekam etwas Farbe ins Gesicht. Sie spürte Wut, fühlte sich tatsächlich bei einem Fehler ertappt und hatte zudem ein schlechtes Gewissen. „Hat denn sonst noch jemand ein Problem damit?“ Es war ein Murmeln in der Menge zu hören, aber keine Wortmeldung kam. „Dann schlage ich vor, wir stimmen ab.“

      „So einfach geht es nicht, Nicole. Meiner Meinung nach muss er draußen bleiben, wenn eine Einzige dagegen ist.“

      „Sagt mal, wovor habt ihr eigentlich Angst? Wollt ihr euch weiter verstecken, Außenseiter sein. Das ist ja unglaublich. Ich glaubte echt, euch zu kennen. Mit so etwas habe ich wirklich nicht gerechnet.“ Nicole verlor so langsam ihre Fassung.

      „Du weißt selbst, welchem Druck unsere Kinder ausgesetzt sind. Den müssen wir nicht verstärken, indem wir uns in der Presse outen.“ Diesmal kam die Wortmeldung von der Nachbarin der Querulantin.

      „Wer verlangt das denn? Hier sollen keine Namens- und Adressenlisten veröffentlicht werden und auch keine Bilder von Betroffenen. Mann o Mann, ich glaube es nicht. Also, ich schlage vor, wir lassen das heute. Wir müssen uns da erst einmal selbst einig werden. Ich schicke Herrn Walters jetzt nach Hause, wir diskutieren darüber und geben ihm dann Bescheid. Niemand soll sich unter Druck gesetzt fühlen.“ Nicole verließ den Raum und suchte nach Leon.

      „Und, was sagte die Mehrheit?“

      „Leon, sei mir nicht böse. Es ist komplizierter als gedacht. Kindergarten. Wir müssen es erst in Ruhe ausdiskutieren und ich melde mich bei dir, sorry.“

      „Kein Problem.


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