Stein. Sabine Korsukéwitz

Stein - Sabine Korsukéwitz


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wird ja der ‘edle Wilde Amerikas’ zitiert mit den Worten: “ Du verlangst, dass ich die Erde umpflüge! Soll ich etwa ein Messer nehmen und die Brust meiner Mutter zerfleischen? Wenn ich dann sterbe, wird sie mich nicht an ihren Busen zurücknehmen, wo ich ruhen kann.

      Du verlangst, dass ich nach Steinen grabe? Soll ich etwa unter ihrer Haut nach ihren Knochen wühlen? Dann, wenn ich sterbe, kann ich nicht in ihren Leib aufgenommen werden, um wiedergeboren zu werden.”

      Für einige Stämme Nordamerikas mag das ja zugetroffen haben, die Indianer im Südwesten des amerikanischen Kontinents hatten da keinerlei Bedenken. Im Gegenteil: Die Götter hatten ihnen den Türkis geschenkt und es gab keine Erde-Mutter-Parallele, die den Bergbau verhindert hätte.

      Die prähistorischen Indianer durchstreiften das Land mit offenen Augen für alles Brauchbare. Da mag der Eine oder Andere von ihnen auch nach einem Regen auf ein Stück Stein gestoßen sein, ausgewittert aus dem Fels oder in einem Bach fortgetragen, das ihm vorkommen musste, wie ein Stück Himmel oder ein Tropfen grünlichen Wassers, ein kleines Wunder inmitten dieser rotverbrannten Landschaft voller glühender Felsen, Kakteen, brauner Stachelgräser und hartschaliger, schattenloser Joshua Bäume Das konnte nur ein gutes Omen sein, das Geschenk eines wohlwollenden höheren Wesens, eine große Kostbarkeit. Später stießen diese Steinzeitmenschen vielleicht auf eine offenliegende Ader, aus der die blau-grünen Tropfen mit steinernen Faustkeilen herausgelöst werden konnten. Die glücklichen Finder solcher Himmelssteine zeigten sie stolz herum; andere wollten auch so etwas besitzen.

      Die ersten Türkisminen waren Tagebaue. Das Graben in einem Fels schuf vielleicht einen Überhang und man entdeckte, genau wie die Feuersteinsucher in Europa, dass es die umgebende harte Matrix aufschloss, wenn man unter so einem Überhang ein Feuer entfachte, insbesondere bei oder vor einem kalten Regenguss.

      Auch hier führte Wunsch und Notwendigkeit zur Entwicklung geeigneter Werkzeuge: Steinhämmer, Keile, Picken aus Elchhorn, Knochen und feuergehärtetem Holz wurden nach und nach erdacht, sowie Bohrer mit Quarzspitzen, mit denen die Türkise durchlöchert wurden, so dass man sie an Lederbändern aufreihen konnte. Die ersten Schmuckstücke waren sicher einzelne oder in Ketten aufgereihte, unregelmäßige Steine, später stellte man Perlen daraus her, entdeckte Steinschneidekunst, Schliff und besonders die Kunst der Einlegearbeit, deren Meister die Mayas waren. Um die Steine auf ihren Untergrund zu leimen, benutzten die Mayas Rattendreck, während die Indianer weiter nördlich Gummi und Pinienharz verwendeten. Die Motive der Mosaike und die geschnittenen Steine symbolisieren immer wieder das Grundbedürfnis der Indianer nach Wasser: Frösche, Wasservögel und Schildkröten.

      Die meisten alten Türkisminen waren nichts weiter als Untertassen-förmige Tagebaue, aber es gab auch Minenschäfte, ja ganze unterirdische Räume, von Menschenhand ausgehöhlt und sogar mit Holz abgestützt. Um von einem Level zum anderen zu gelangen, benutzten die Indianer dieselbe Art von Hühnerleiter, die auch in den Felspueblos üblich waren.

      Da der Transport von Rohsteinen mitsamt der Matrix mühselig war, wurden die Steine meist an Ort und Stelle zu einem gewissen Grad bearbeitet. Archäologen haben neben manchen prähistorischen Minen die Überbleibsel von Gebäuden gefunden, die wahrscheinlich Werkstätten waren. Man entdeckte auch, dass sich Glanz und Farbe des Steins künstlich verbessern ließen, indem man ihn mit Talg einrieb und polierte. Wollte man ein Stück zum Tauschhandel verwenden, so wurde es oft im Mund getragen, weil Feuchtigkeit das Erscheinungsbild verbessert.

      Hatte ein Stamm einen reichen Fundort entdeckt, so bemühte man sich selbstredend, ihn solange wie möglich geheim zu halten. Aber dann setzte ein ‘Goldrausch’ ein. Der Türkis war ein heiliges Gut. Gruppen von anderen Stämmen musste das Schürfen gestattet werden. Indianer aus Gebieten, die nicht über Türkisstätten verfügten, haben regelmäßig weite Pilgerfahrten zu den Turquoise-Mountains unternommen. Die Besucher waren sicher nicht gerade willkommen, aber vor Ort herrschte eine Art Schürf-Frieden, den alle respektierten. Eine ganz andere Frage war es dann, ob man mit dem Gewinn heil nach Hause kam.

      Im Gebiet der Shoshonen machten weiße Archäologen unserer Tage einen grausigen Fund: Massen von Menschenknochen, offenbar waren sie alle an dieser Stelle eines gewaltsamen Todes gestorben, Knochen waren gebrochen, Schädel zertrümmert, Pfeilspitzen lagen noch zwischen den gebleichten Rippen. Die Machart der Stoffe und Gegenstände, die bei den Skeletten erhalten geblieben waren, suggerierte, dass es sich um eine unglückliche Gruppe von Hopis gehandelt haben muss, die auf dem Heimweg von Shoshonen massakriert wurden.

      Einige Minen wurden, nachdem sie soweit wie möglich ausgebeutet waren, einfach verlassen. Andere wurden wieder aufgefüllt, eine mühselige Arbeit. Ob das getan wurde, um den Fundort geheim zu halten, oder vielleicht doch um die Natur zu heilen und zu versöhnen, lässt sich heute nicht mehr feststellen.

      Als die Spanier Mexiko unterworfen und reichbeladene Schiffe in ihre Heimat geschickt hatten, richtete sich ihr gieriger Blick nach Norden.

      1536 tauchte ein halbverhungerter, völlig abgerissener Abenteurer in Ténochtitlan auf (Mexiko-Stadt ), ein gewisser Alvar Nunez Cabeza de Vaca. In seiner Begleitung war ein schwarzer Sklave mit Namen Estevan. Acht Jahre lang hatten sie sich durch Dschungel, Fels und Halbwüsten nach Florida gekämpft von Stamm zu Stamm. Manchmal gelang es ihnen, sich als Abgesandte von Göttern auszugeben und die Gastfreundschaft der Indianer zu genießen, manchmal trieben sie Handel und einige Male mussten sie monatelang Sklavenarbeit verrichten, um sich am Leben zu erhalten.

      De Vaca war ein gewaltiger Aufschneider und Märchenerzähler. Die Reichtümer der westlichen Indianerstämme müssen bei jedem neuen Vortrag angeschwollen sein, bis der Vizekönig selbst, Don Antonio de Mendoza den Abenteurer an seinen Hof bringen ließ, um den Bericht mit eigenen Ohren zu hören. Und wieder schmückte de Vaca die Erzählung aus. So wurden mit der Zeit aus ein paar Zuni-Dörfern die Sieben Goldenen Städte von Cibola. Niemanden störte es offenbar, dass de Vaca für all seine Mühen nichts vorzuweisen hatte außer einer Handvoll von Türkisen. Er zeigte auch überhaupt kein Verlangen danach, die Reise zu wiederholen. Also schickte ihn Mendoza mit der nächsten Galeone nach Spanien, um seine Geschichte Karl V. zu erzählen.

      Der Mohr Estevan dagegen, der als ‘Abgesandter von Göttern’ ein vergleichsweise gutes Leben geführt hatte, ließ sich gern einer Expedition von Fray Marcos de Niza als Übersetzer und Scout zuteilen. Und so wurde Estevan der Gruppe jeweils ein paar Tagereisen vorweg geschickt, mit dem Auftrag, durch indianische Kuriere Nachrichten zurückzuschicken. Waren die zu erwartenden Gewinne mittelmäßig, so sollte er dem Indianer ein Kreuz in Handteller-Größe mitgeben mit entsprechender Steigerung. Man kann sich denken, dass die Zeichen, die Estvan sandte, mehr als optimistisch waren. Weiter und weiter lockte er die spanische Truppe.

      Inzwischen ließ sich Estvan überall feierlich empfangen und mit Türkisen und Frauen beschenken. Natürlich waren die Spanier an Türkisen nur mäßig interessiert. Was sie suchten, waren Gold, allenfalls Silber und Smaragde. Dennoch: Türkise waren besser als nichts und wurden eingesackt.

      Als Estevan bei Cibola ankam, hatte sich wohl die Kunde von den grausamen Göttern schon verbreitet. Götter gaben normalerweise Geschenke und verlangten keine. Außerdem fanden die Zuni es ausgesprochen unglaubwürdig, dass ein schwarzer Mann behauptete, er sei der Vorbote von weißen Göttern. Und als er schließlich unverschämt wurde und Geschenke von Türkis und Frauen verlangte, da sperrten ihn die Zuni kurzerhand außerhalb der Stadtmauern in einen Käfig. Seine angesammelte Beute wurde konfisziert, er selbst und seine Begleiter bei einem Fluchtversuch getötet.

      Als die spanische Expedition dann Cibola erreichte, müssen sie sehr enttäuscht gewesen sein: Zwar waren die Einwohner gut genährt und gekleidet, aber von Gold keine Spur. Man gab ihnen einige Türkise, aber die besten Stücke waren vor der Ankunft dieser gierigen Götter versteckt worden.

      Auch Fray de Niza verheimlichte dem Vizekönig das Desaster. Der sandte noch eine weitere Expedition nach. Als dann das ganze Ausmaß von Lügen und Prahlerei offenbar wurde, schickte man Fray de Niza in Unehren nach Spanien. So brachte die Prahlerei von drei Männern den Indianern Krieg, Tod und Sklaverei. Nach all dem Aufwand wollte man nun doch etwas davon haben. Truppen wurden losgeschickt, um die Dörfer zu plündern, egal, was es brachte. Irgendwas würde schon dabei heraus kommen.

      Der


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