Stein. Sabine Korsukéwitz
und zu Kunstwerken von angemessener Schönheit verarbeitet werden konnten. Seither ist eine Bezeichnung für Jade auch ‘Stein des Himmels’.
Und tatsächlich, wenn man lange genug in so ein milchiges Stück helle Jade blickt, mit ihrem weichen Glanz, soviel angenehmer und ruhiger als ein funkelnder, grellbunter Edelstein – ist es nicht so, als ob man eine kleine Wolke in Händen hält? Das taktile Erlebnis, wenn man ein geschliffenes Stück Nephrit oder Jadeit in der Fingern hält ist ausgesprochen luxuriös; sie fühlt sich fein an und weich wie Seide, fest und doch nicht hart. Jade erwärmt sich in der Hand, ohne ein gewisses Gefühl von beruhigender Kühle zu verlieren. Man muss es selbst ausprobieren. Die Empfindung lässt sich nicht mit Worten teilen. In der Steilheilkunde soll Jade jähzornige Menschen besänftigen.
Die Besessenheit mit diesem Stein kannte im Alten China keine Grenzen. Ganze Städte wurden für ein gutes Stück Jade eingetauscht, ungefähr so, als ob man Berlin und Potsdam für einen einzigen schön geschnittenen Löwen aus Jade verschenkt hätte, mit all seinen Einwohnern darin.
Die besten Fundstücke hatten den Herrschern ausgeliefert zu werden und deren Sucht danach lässt sich mit simpler Prunksucht überhaupt nicht erklären. Und mit Gewinnstreben schon gar nicht, denn sie war kein gewöhnliches Zahlungsmittel. Der Jade wurden alle möglichen wundertätigen Eigenschaften zugeschrieben. Unter anderem sollte sie den Körper von Toten unverwest erhalten. Prinz Liu Sheng aus der Han-Dynastie wurde in einem Jadegewand begraben, das mit 2156 rechteckigen Stücken besetzt war, von Golddrähten zusammengehalten. Die Arbeitszeit zu diesem Kleidungsstück soll 12 Jahre betragen haben. In der Zeit der Han-Dynastie (206 v.Ch. – 220 n.Ch.) wurde der Taoismus von der Philosophie zur Religion erhoben. Unsterblichkeit wurde zum Hauptziel aller menschlichen Bemühungen – so erklärt sich der Aufwand für das Begräbnisgewand aus Jade.
Erst in späterer Zeit wurde der Edelstein profaniert und begann dem individuellen Schmuck zu dienen. An den Fürstenhöfen kam eine Weile lang die Mode auf, ‘singende Steine’ zu tragen, Gürtel, die durch die Anordnung der Jadestücke angenehme musikalische Tonfolgen erzeugten. So wollte man höflicherweise seine Annäherung ankündigen, damit Anwesende Gelegenheit hatten, eventuell peinlichen Klatsch über die sich nähernde Person zu beenden.
Wir kennen Jade hauptsächlich grün, aber es gibt sie auch in rosé, weiß und gelb. Die am meisten geschätzte Farbe auch von Jade war ‘imperial yellow’, weil alle Chinesen sich als Nachkommen des legendären gelben Kaisers sehen, der 2698 – 2598 v.Ch. die Größe Chinas begründete.
Die feierlichste Zeremonie, die je ein Regierender auszuführen die Ehre hatte, war das Jadeopfer für Himmel und Erde auf dem heiligen Berg Tai. Sie konnte nur stattfinden, wenn die Nation wohlhabend und in Frieden lebte und keine Naturkatastrophen irgendwelche Teile des Reiches verwüstet hatten.
Naturgemäß kam solch eine Gelegenheit nur selten, insgesamt acht mal vom ersten König/Kaiser 221.v.Chr bis Sung Chen Tsung 1008 n.Chr. Er war der Letzte, der die Zeremonie ausführte. Vorher musste er sieben Tage fasten und meditieren und trug dann zwei Sets von Jadebüchern (oder Tafeln) auf den Berg Tai. Sie enthielten Danksagungen und Bitten an die Geister von Himmel und Erde. Ein Set verblieb vergraben auf dem Berg, das zweite wurde wieder mit heruntergebracht und im kaiserlichen Palast aufbewahrt. Nur zwei solcher Tafeln wurden nach langer Zeit wiedergefunden und 1933 von General Ma Hung-kuei außer Landes geschafft. Er deponierte sie als seinen persönlichen Besitz in der Bank von Los Angeles. Seine Witwe gab sie 1971 der chinesischen Republik zurück.
Heutzutage existieren nur noch sehr wenige von den wunderbaren antiken Jadeschätzen in Rot China und das ist wirklich eine Schande, gemessen an der einzigartigen Bedeutung, die Jade für Chinesen hat. Jeder kennt wohl die Geschichte der Eroberung Chinas durch die vereinigten Kolonialmächte, die Geschichte einer einzigartigen konföderierten Strafexpedition gegen ein Reich der Mitte, das sich weigerte, sich in ein Volk von Süchtigen verwandeln zu lassen. Vielleicht wäre die Sache anders ausgegangen, hätten die Herrscher dieses alten Kulturvolks – ebenso wie die jüngeren Nationen – Waffen höher geschätzt als Schönheit.
Man erzählt sich, dass die Kaiserin-Witwe Cixi wie alle Bewohner der Verbotenen Stadt vor ihr, nach ihrem persönlichen Geschmack und ohne Rücksicht auf die Kosten, luxuriöse Umbauten und Verschönerungen vornehmen ließ. Entgegen dem Rat ihrer Beamten befand Cixi, dass ihr himmlisches Reich gegen eine Handvoll stinkender Barbaren keine Flotte benötigte und zog das Silber aus der Kriegskasse ab. Als die Umbauten im Vergnügungsgarten des Sommerpalastes beendet waren, lud sie die Edlen des Reiches zu einem Fest und präsentierte ihnen stolz einen künstlichen See in dessen Mitte marmorne Schiffe elegant ihre Segel blähten.
“Seht her: Das ist meine Flotte!”, soll sie lachend gerufen haben.
Mitte des 19.Jh war das Reich der Mitte besiegt und gedemütigt, weil seine altertümlichen Segler den dampfbetriebenen europäischen Kanonenbooten keinen nennenswerten Widerstand entgegenzusetzen hatten. Ich weiß nicht, ob diese Anekdote so ganz der Wahrheit entspricht. In der Regierungszeit der letzten Qing wurde die Armee nämlich mit großem Aufwand modernisiert. Wie auch immer: Die Kriegsdschunken der Qing wurden versenkt. 1858 marschierte Lord Elgin in Peking ein. Und nun fielen natürlich die ‘stinkenden Barbaren’ über die Schätze des Sommerpalastes her. Unbezahlbare Jadekostbarkeiten, die seit hunderten und tausenden von Jahren im Besitz chinesischer Fürsten gewesen waren, verschwanden in den Hosentaschen englischer und französischer Marodeure. Die wertvollsten und größten Stücke wurden säuberlich in Kisten verpackt nach England und Frankreich verbracht, wo ein geringerer Teil in Museen, der weitaus größere Teil in Privatsammlungen landete.
Erst danach, nachdem einiges von den Beutestücken ausgestellt und beschrieben worden war, kam Jade auch in Europa in Mode. Die Preise zogen an. 1863 verkaufte der König von Annam (heute Vietnam) aus einer Geldverlegenheit heraus dem Kaufmannhaus Siemssen, das eine Niederlassung in Kanton unterhielt, einen eineinhalb Kubikfuß großen grünen Stein. Wenig genug mag der Kaufmann dafür angeschrieben haben, denn ihm war Wert und Geschichte der Ware nicht bewusst. Später stellte sich heraus, dass er ein gutes Geschäft gemacht hatte: Der Stein wurde auf 36 000 Dollar taxiert.
Was bei der ersten Plünderung des Sommerpalastes hatte versteckt und gerettet werden können, verschwand 1900 während des Niederschlags des Boxeraufstands durch englische Truppen. Aber kein langnäsiger Eroberer, sondern Mao gab dem Jadekultur den Todesstoß, indem er die Bevölkerung zwang zum Wohle der Revolution all ihren Jadeschmuck herauszugeben. Da kamen dann die letzten fein geschnittenen Jadeblüten zum Vorschein, die Dolche, Vasen, Schalen, Schmetterlinge, Vögel und mythischen Tiere, Einhörner und Phoenix, Miniaturlandschaften, antike Steine von ungewöhnlicher Farbe, manche mit winzigen Einschlüssen von Gold Diese mussten an die Partei ‚gespendet‘, um gegen Devisen ins westliche Ausland verhökert zu werden.
Offiziell wurde der Jade Kult verpönt. Als während der Kulturrevolution dem damaligen Staatoberhaupt Liu Shao-Chi der Prozess gemacht wurde, zählte zu den Anklagepunkten die Tatsache, dass er Jade-Antiquitäten gesammelt hatte, Beweis seiner bürgerlichen Dekadenz.
Heute ist zwar immer noch Hongkong die Jade-Hauptstadt der Welt. Kenner und Sammler aus aller Welt besuchen dort Auktionen auf denen ungeheure Preise für historische und besondere Stücke gezahlt werden. Und die Jade, die heutzutage in Khotan gefördert wird, erzielt durchaus vergleichbare Preise. Aber es gibt nicht mehr so viele zahlungskräftige Kunden. Große Steine werden oft zerschlagen, weil sie in mehreren kleineren Teilen leichter verkäuflich sind und es gibt, dank der Kulturrevolution, nur noch wenige Jademeister, die in der Lage wären, den Stein des Himmels zu bearbeiten wie in alter Zeit.
Nur ein anderer Stein wurde in der Frühzeit in ähnlich spiritueller Weise von einem Volk geschätzt: Der Himmelsstein der Indianer, der Türkis oder chalchihuitl.
Das heutige Gebiet der Bundesstaaten Neu Mexiko, Arizona, Colorado, Utah, Nevada und Kalifornien war bewohnt von asiatisch-stämmigen Menschen, die vor 40.000 Jahren eingewandert waren, auf der Flucht vor dem sich ausbreitenden Eis. Die Beringstraße war zu dieser Zeit trocken gefallen und zu Fuß überquerbar. Einige der Stämme zogen in den südlichsten Teil von Nordamerika. Im Laufe der Erdentwicklung stellte sich heraus, dass sie Eis für Feuer eingetauscht hatten. Ihre neue Heimat war eine unbarmherzige