Stein. Sabine Korsukéwitz
waren und lange keinen Sold bekommen hatten, machten Yang-kuei-fei für ihre Lage verantwortlich. Sie stellten dem Kaiser ein Ultimatum: Entweder Yang würde auf der Stelle hingerichtet, oder aber sie würden den Kaiser und seine Anhänger im Stich lassen, allein in den Bergen. Bei aller Liebe war dem Kaiser doch der eigene Pelz näher und, nachdem er sich mit einem wunderschönen Liebesgedicht bei Yang-kuei-fei entschuldigt hatte, überließ er sie den Söldnern.
Sie erhielt, wie es Sitte war, einen Seidenschal, an dem sie sich selbst aufzuhängen hatte. Da hing sie nun, an einem kahlen Pflaumenbaum, Heer und Kaiser zogen weiter. All ihr kostbarer Jadeschmuck fiel herab und lag dort im Gras und auf den nackten Felsen. Doch so verhasst war Jade-gekrönte Yang, dass niemand die Schmuckstücke auflas. Wahrscheinlich liegen sie heute noch an der Stelle.
Das Verhältnis der Chinesen zu Jade ist mit der Freude anderer Völker an Schmuck-, Edelsteinen und schönen Dingen nicht zu vergleichen. Für sie besitzt Jade eine Qualität, die man nur als mystisch bezeichnen kann und sie haben eine gerade unheimliche Fähigkeit wahre Jade von ähnlichen Grünsteinen zu unterscheiden. Es ist der Stein des Himmels und mit keinem anderen zu vergleichen. Noch in den 70er Jahren bekam ein Drittel aller neugeborenen Mädchen das Wort Jade als Teil ihres Namens beigefügt: Rote Jade, Jadeschnee..., für Junge suchte man Namen, die Prestige und Macht ausdrückten: Pi (Jadescheibe, die in alten Zeiten hohen Rang ausdrückte), Kuei (Jadeszepter) oder Pu (rohe Jade von hohem Wert). Die chinesischen Schriftzeichen für König und Jade sind sich ähnlich. Sie unterscheiden sich nur durch einen einzigen Punkt. Und das war ganz sicher beabsichtigt. (In alten Zeiten war der König – oder was man bei uns etwa parallel darunter verstand – die höchste Person im Staat; der Begriff Emperor/Kaiser entstand erst später).
Jade war rar im alten China. Als True jade, ‘wahre Jade’ , gilt nur Nephrit, der hauptsächlich in Khotan, der Provinz Sinkiang (Chinesisch Turkestan) gefunden wurde und zwar am White Jade River und im Green Jade River, wo er heute noch abgebaut wird.
Das Verlangen nach dem Besitz von Jade war überwältigend. Frühe chinesische Herrscher richteten ihre Eroberungszüge danach aus, dem Reich soviel Jade-produzierende Gebiete wie möglich hinzuzufügen. Mehrmals sind chinesische Generäle an Burma gescheitert. So groß war die Angst der Generäle vor dem Zorn des Himmelsohns Chien-Kung, dass sie den burmesischen Prinzen hohe Bestechungsgelder zahlten, um Jade heimbringen zu können, die sie dem Kaiser dann als ‚Tribut‘ präsentierten.
Allerdings kommt aus Burma ‘nur’ Jadeit, auch Jadeitit. Der Unterschied zur ‘wahren Jade’ ist wohl nur einem Chinesen verständlich, denn beide sind Silikate mit unterschiedlichen Beimischungen von Magnesium, Eisen, Kalzium und Natrium.
Nephrit, wahre Jade, ist das zäheste Mineral, das wir kennen. Es gehört zur selben Gesteinsgruppe wie Asbest. So hart ist dieser Stein, dass er mit keinem Hammer auf einem Amboss zu zerschlagen ist. Es heißt, dass der Inhaber eines Mineralienkontors bei Bonn um 1910 einen sehr großen Nephrit Block aus China in seinen Besitz bekam. Er wollte ihn natürlich gern in kleinere, besser verkäufliche Stücke zerschlagen und – als die Hammer und Amboss-Methode scheiterte – legte er ihn unter einen Dampfhammer. Der Nephrit blieb unbeschädigt, der Dampfhammer war verbogen!
In China machte man vor 2000 Jahren folgendes Experiment: Ein Nephrit Stück wurde drei mal vierundzwanzig Stunden in einem Kalkofen gebrannt – und kam wie Phoenix aus der Asche heraus, ohne etwas von Glanz und Farbe verloren zu haben. Durch das Glühen wurde er allerdings spröde, so dass er jetzt wenigstens leichter zerteilt werden konnte. Soweit – so gut. Wie aber um alles in der Welt konnte man dieses unglaublich widerstandfähige Material in der Vorzeit bearbeiten? Mit einem unwahrscheinlich hohen Werkzeugverbrauch, feinstem Schleifsand und Kupfersägen, in geduldigster Kleinarbeit, bei der sich Fortschritte nur millimeterweise zeigten. Ein chinesischer Jademeister rechnete für die Fertigstellung eines einziges faustgroßen Stücks ein halbes Jahr.
Kultgegenstände aus Nephrit hat es mindestens schon seit der Jungsteinzeit gegeben. Sorgfältig geschliffene und geglättete Dolche und Äxte aus Grünstein sind aus Gräbern in Sachsen, Südeuropa, Dalmatien, Mähren, Ungarn, Schlesien, Österreich und der Schweiz geborgen worden. Gefunden wurde er in Europa aber nur sehr selten, in südlichen Geröllen und als Adern in der Schweiz. Alles weist also auf einen Fernhandel aus Asien hin. Das hat man sich anders vorzustellen, als Handel heute. Es dauerte vielleicht einige Jahrhunderte, bis so ein Gegenstand von Hand zu Hand ging und immer weiter gen Norden wanderte, getauscht, geraubt, geplündert wurde, bis er schließlich als Prunkaxt am Gürtel eines Sachsenhäuptlings hing.
Eine regelrechte Nephrit Kultur ist sonst nur aus Neuseeland bekannt, wo Grünstein in großer Menge vorkam, aber wegen der unendlichen Mühseligkeit seiner Bearbeitung nur zu besonderen Zwecken verwendet wurde, beispielsweise zur Ahnenverehrung. Äxte aus Nephrit waren Häuptlingsprivileg.
Im Altertum rechnete man auch grünen Jaspis zu den Grünsteinen. Jaspis, ein Silicium Oxid das wesentlich leichter in die gewünschte Form zu bringen ist. Heute werden Fälschungen angeboten aus gefärbtem Marmor, Serpentin, Aventurin, Chrysopras, Rhodonit oder einfach aus Glas. Man ist also gut beraten, wenn man ein wirklich teures Stück erwirbt, sich auf der Kaufquittung versichern zu lassen, dass es sich um echte Jade handelt, so dass man den Kaufpreis reklamieren kann, wenn es sich als Fälschung herausstellt. Bei Groschenartikeln, wie man sie in vielen Steinläden und auf Flohmärkten findet, lohnt sich dieser Aufwand sicher nicht.
In der Antike war ‘Grünstein’ sehr beliebt. Er wurde von den Ägyptern, den Griechen und später den Römern abgebaut. Plinius der Ältere, General und Naturforscher, beschreibt ihn in seinen Steinbüchern so:
“Im Morgenland soll man den Jaspis, welcher dem Smaragd ähnlich ist, und der mitten querdurch mit einer weißen Linie gezeichnet ist, auch Monogrammos heißt, oder wenn er mehrere solcher Linien enthält und dann ‘der Vielbeschriebene’ heißt, als Amulett tragen.”
Die Stämme Israels lernten ihn wahrscheinlich in der ägyptischen Gefangenschaft kennen. Anschließend trug der Hohepriester der Juden in seinem Brustschild einen als ‘Jaspis’ bezeichneten Stein, der wahrscheinlich Nephrit war. Für das wichtige Ritual der Knabenbeschneidung wurden Messer aus Nephrit verwendet. In Persien wurde dieses Mineral als yeschem bezeichnet – Sprachforscher machen daraus den ‘hebräischen Jaspis’. Im alten Assyrien galt der Nephrit als geburtsfördernder Stein. Eine Keilschrift von Ischtars Höllenfahrt erwähnt einen Gebärgürtel aus Nephrit. Man kann sich allerdings auf die Übersetzungen nicht unbedingt verlassen, weil es im Altertum mit den Bezeichnungen und Einordnungen für Steine und Minerale bunt durcheinander ging. Die Wertschätzung für milchig-grüne Steine war allerdings bei allen Völkern der Frühzeit hoch, viel höher als die für alle Edelsteine, die im Westen heute Frauenherzen und Kapital in Bewegung setzen.
Laut singhalesischer Überlieferung soll sich Gautama, als er zum Buddha wurde, auf einen Thron aus durchscheinendem grünem Stein gesetzt haben. Der Thron stand im Himalaya-Gebirge und soll bis in den Himmel gereicht haben. Ob es sich dabei um Nephrit gehandelt hat?
Einzig Chinesen wussten offenbar schon immer genau den feinen Unterschied festzustellen. Der chinesische Philosoph Kvan Chung (7.Jh vor unserer Zeitrechnung) erklärte die überragende Bedeutung dieses Steins so: “In seiner glänzenden Glätte erkennt man das Sinnbild des Wohlwollens (der Götter), in seinem leuchtenden Schliff ist das Wissen verkörpert, in seiner unbiegsamen Festigkeit die Gerechtigkeit.” Sein chinesischer Name ist auch yu , ‚Edelstein der Edelsteine‘ oder ‚hohe Wahrheit‘.
Diese Steine sind so einzigartig, weil aus märchenhaften und zauberischen Vorzeiten stammen. Eine Schöpfungsgeschichte:
In der frühesten Zeit kämpften zwei mächtige Anführerinnen um die Herrschaft über das Reich der Mitte. Nach langem Streit besiegte endlich die Gute die Schlechte. Aber leider wurde bei dem heftigen Kampf eine der vier Säulen des Himmels beschädigt, so dass ein Teil des Firmaments einstürzte. Die neue Herrscherin war darüber traurig und sehr bestürzt und bat ihre Untertanen ihr aus allen Teilen des Landes Steine von höchster Qualität zu bringen, aber was man ihr brachte war nicht schön genug. Da verbrachte sie viele Tage damit, sie so zu verfeinern, dass sie der Farbe und Beschaffenheit des Himmels gleich kamen. Als endlich die Reparatur beendet war, freute sich