Der Wüstensklave. J. D. Möckli
Sofort kommt ein schwarzhaariger Sklave aus der Scheune und eilt auf sie zu. Aus der Nähe ist zu sehen, dass sich schon einzelne graue Strähnen in seinen Haaren befinden, was für einen Sklaven ungewöhnlich ist, werden doch Sklaven in der Regel nicht so alt, dass sie überhaupt graue Haare bekommen können.
Anders als im Gasthof nimmt Kai Yari eine der Taschen ab und geht dann mit ihm zur Hintertür zu, wo sie schon von einer älteren Frau erwartet werden.
Kaum steht Kai vor ihr, wird er heftig umarmt. »Buena sera, mio Kai. Du musste mehr mangare, sonste du noch dünner werde.«
Geduldig erwidert Kai die Umarmung, ist dann aber doch froh, als er endlich wieder freigegeben wird. »Hallo, Maria. Du weißt doch, ich kann so viel essen, wie ich will, und nehme nicht zu.« Lächelnd sieht er die grauhaarige und ziemlich korpulente Frau an, die ihn mit zusammengekniffenen Augen mustert.
»Trotzdem du musste mehr mangare.« Auf einmal fällt ihr Blick auf Yari. »Das muss tuo Yari sein«, ruft sie. Sofort hellen sich ihre Züge wieder auf. Mit ausgebreiteten Armen geht sie auf ihn zu und zieht auch ihn, trotz der Taschen und des Picknickkorbes, in eine Umarmung. »Buena sera, bello uomo.« Musternd hält sie den jungen Mann auf Armeslänge von sich. »Du haste etwas mehr Muskeln als Kai, aber du musste auch mehr mangare. Viel zu dünn ihr zwei.«
Verkrampft lächelt Yari Maria an. »Buena sera e mille grazie.« Automatisch wechselt er in die Sprache des römischen Großreiches, was ihm noch eine Umarmung einbringt und ihn reflexartig Tasche und Korb loslassen lässt. Deutlich spürt er, wie die Panik in ihm hochzusteigen beginnt. »Kai!«, deutlich ist seine Not herauszuhören, weshalb Kai sich nun sanft aber bestimmt zwischen Maria und ihn drängt.
»Maria … Yari mag es nicht, wenn ihm Fremde so nahekommen.« Ernst sieht er die Köchin und Haushälterin von Hemingway an, ehe er sich besorgt zu Yari umwendet. »Entschuldige, dass ich nicht vorher eingeschritten bin, aber ich habe ganz vergessen, wie herzlich Maria sein kann, wenn sie jemanden auf Anhieb mag.« Sanft legt er die Hand auf Yaris Schulter, der ihn zittrig anlächelt. »Ist schon gut, es war nur etwas zu viel auf einmal.«
Erschrocken über die unterdrückte Panik in den außergewöhnlichen Augen des jungen Mannes, beobachtet Maria, wie sich Kai um ihn kümmert. »Ich gehe Hemingway und den altro Bescheid sagen, dasse ihr angekommen seid.« Eilig schnappt sie sich den Picknickkorb und geht ins Haus.
Nachdem Yari ein paar Mal tief durchgeatmet hat, nickt er Kai zu. »Ich denke, wir sollten langsam mal reingehen. Bestimmt wirst du schon sehnsüchtig erwartet.«
Aufmerksam mustert Kai seinen Liebsten, ehe er die Hand von dessen Schulter nimmt und wieder nach seiner Tasche greift. »Ja, aber sag mal, was hat Maria zu dir gesagt? Buena sera habe ich ja noch verstanden, aber der Rest war mir dann zu hoch.«
»Sie hat mich als schönen Mann bezeichnet und ich habe mich für das Kompliment bedankt – was ich wohl besser nicht gemacht hätte.« Langsam folgt er Kai durch die Hintertür.
»Vielleicht, aber sobald du in ihrer Muttersprache gesprochen hast, war dir die zweite Umarmung sowieso sicher. Denn auch wenn sie schon lange mit Hemingway um die Welt zieht, vermisst sie ihre Heimatstadt Rom doch sehr. Du musst nämlich wissen, dass Hemingway zwar inzwischen seinen Hauptwohnsitz hier hat, aber trotzdem noch viel in fremde Länder reist, um deren Kultur und Geschichte zu erforschen und mit Antiquitäten zu handeln. So hat er es auch zu seinem Vermögen gebracht.«
»Also, Kai, so reich bin ich nun auch wieder nicht. Außerdem solltest du einem Sklaven nicht so viel erzählen, auch wenn er laut deinem Großvater zur Familie gehört«, ertönt plötzlich eine Stimme mit britischem Akzent.
Ein älterer Mann mit Schnurrbart kommt in den Flur. Schmunzelnd sieht er den jungen Mann an, der nun verlegen den Kopf senkt, ehe er ihm die Hand reicht.
»Guten Abend, Hemingway, ich freue mich, dass es dir gut geht.«
Die Augen verdrehend erwidert Hemingway den Händedruck. »Muss ich dir wirklich jedes Mal sagen, dass du mich Andrew nennen sollst?«
Kai will gerade etwas erwidern, als eine rotblonde junge Frau um die Ecke gerannt kommt. »Darling! Endlich bist du da!« Stürmisch fällt sie um Kais Hals, der genervt aufseufzt.
»Hallo, Elaine.« Bestimmt schiebt er sie wieder von sich weg und tritt sogar noch zusätzlich einen Schritt zurück.
Verwirrt blickt Elaine ihn an. »Aber Darling, was ist denn los? Freust du dich gar nicht, mich zu sehen?« Vermutlich in dem Versuch, verführerisch auf ihn zu wirken, neigt sie den Kopf ein wenig zur Seite.
Innerlich zählt Kai dreimal bis zehn und bittet wie immer, wenn er es mit Elaine zu tun hat, sämtliche Götter um Geduld für sich selbst. »Natürlich freue ich mich, aber hör bitte auf, mich ständig Darling zu nennen. Ich bin inzwischen vergeben.«
Gerade will Elaine etwas sagen, als sie Yari bemerkt, der ruhig hinter Kai steht und sie mit stechendem Blick ansieht. »Ist das der Sklave, von dem mir Großvater erzählt hat? Der ist ja ganz schön respektlos.«
Verwirrt blickt Kai zu Yari, der ihn mit hochgezogener Augenbraue ansieht.
»Ich habe sie nur so angesehen, wie ich die Tochter von Tobira angesehen habe.«
Daraufhin kann sich Kai ein Grinsen nicht mehr verkneifen. »Warum machst du eigentlich immer das, was ich gern machen würde?« Als Yari ihn nur breit grinsend und mit den Schultern zuckend ansieht, wendet er sich kopfschüttelnd wieder zu ihren Gastgebern um. »Tja, Elaine, das ist nun mal Yari und ich sage es jetzt ganz direkt: Er muss nur meine Befehle ausführen und ich will nicht, dass er in irgendeiner Art und Weise angefasst wird. Hast du mich verstanden?« Streng sieht er die junge Frau an, die nun zerknirscht nickt.
»Ja, verstanden. Nur verstehe ich nicht, warum du auf einmal deinen eigenen Sklaven mitbringst. Das hast du doch sonst nie getan.«
»Elaine!«, mischt sich Hemingway ein, der sehen kann, dass Kai inzwischen ziemlich genervt ist, dabei ist der Junge noch keine halbe Stunde hier. »Lass Kai erst mal ankommen. Du wirst noch genug Zeit haben, ihm deine Fragen zu stellen. Jetzt geh bitte nachschauen, ob Nancy sein Zimmer so hergerichtet hat, dass der Sklave auch darin schlafen kann.« Streng sieht er seine Enkelin an, die widerwillig nickt.
»Ja, Großvater. Bis nachher Darling.« Kai ein strahlendes Lächeln zuwerfend, wendet sie sich zur Treppe um und erklimmt die Stufen.
»Entschuldige ihr Verhalten, Kai. Eigentlich sollte sie inzwischen alt genug sein, um sich nicht mehr so zu benehmen, aber anscheinend ist sie bei dir immer noch das verliebte Mädchen. Jetzt kommt aber erst einmal mit ins Wohnzimmer. Die Taschen könnt ihr hier im Flur lassen.« Mit der Hand deutet er in den Raum, aus dem er vorhin gekommen ist.
Yari einen Blick zuwerfend, stellt Kai seine Tasche neben der Treppe auf den Boden, ehe er Hemingway folgt.
Er setzt sich auf das braune Ledersofa. »Ist schon gut, Andrew. Anscheinend wird sich Elaine erst damit abfinden, dass sie mich nicht haben kann, wenn ich ihr offiziell meinen Freund präsentiere.« Schulterzuckend greift er nach der Teetasse, die wie immer schon für ihn bereitsteht.
Yari ist Kai gefolgt, aber da er nicht weiß, ob er sich auch hinsetzen darf, bleibt er hinter dem Sofa stehen und wartet darauf, dass ihm jemand sagt, was er tun soll.
Zwar ist er von den beiden Angestellten freundlich empfangen worden, aber nach der Begegnung mit dieser Elaine ist er auch bei Hemingway lieber etwas vorsichtiger.
Verwirrt, weil sich Yari nicht neben ihn setzt, blickt Kai sich um und entdeckt ihn dann hinter dem Sofa stehend. Fragend sieht er ihn an, weshalb Yari sich nur vielsagend an den Hals greift. Erst bei dieser Geste fällt bei Kai der Groschen.
»Yari, setz dich neben mich. Willst du auch einen Tee? Maria hat für dich auch eine Tasse hingestellt.«
Ohne etwas dazu zu sagen, beobachtet Hemingway, wie sich der Sklave nun neben Kai setzt und von ihm eine Tasse Tee entgegennimmt. Erst jetzt, als sie nun gemütlich im hellen Wohnzimmer sitzen, mustert er den jungen Mann, der anscheinend