Der Wüstensklave. J. D. Möckli

Der Wüstensklave - J. D. Möckli


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wie es aussieht, hat er sich als Jugendlicher oft in Tanzbars herumgetrieben und das mit einem gefälschten Ausweis.« Grinsend sieht er seinen Großvater an, der schmunzelnd den Kopf schüttelt.

      »Also so wie du auch. Ich kann mich nämlich noch gut daran erinnern, dass ich mal einen gefälschten Ausweis in deiner Hosentasche gefunden habe und mir mehr als einmal anhören durfte, dass du in der Tanzbar Gakusei gesehen worden bist.« Als er von Kai geschockt angesehen wird, kann sich Ren ein kurzes Lachen nicht verkneifen, bevor er seinen Enkel ernst anblickt. »Hast du etwa geglaubt, dass ich nicht gewusst habe, dass du dich nachts rausgeschlichen hast, um tanzen zu gehen? Bevorzugt in den Nächten, in denen diese sogenannten geheimen Schwulennächte stattfanden?«

      Mit hochrotem Kopf wird Kai auf seinem Stuhl immer kleiner, bis er beinahe unter dem Tisch verschwunden ist. »Das ist so peinlich.«

      Kopfschüttelnd lässt Ren seinen Enkel in Ruhe und konzentriert sich wieder auf den Proviant für die zweitägige Reise. Denn auch wenn die beiden in einem Gasthof übernachten werden, wenn es wie geplant läuft, packt er den Jungs lieber genug ein, dass sie nicht darauf angewiesen sind, ihre Vorräte unterwegs aufzustocken.

      Kai sitzt immer noch wie ein Häuflein Elend auf seinem Stuhl, als Yari in die Küche kommt. »Guten Morgen, Großvater.« Erstaunt mustert er seinen Sharik, der immer noch gerötete Wangen hat. »Was ist denn mit dir los?«

      Kai schlägt sich die Hände vors Gesicht und schüttelt nur den Kopf.

      »Ach, ich habe ihm nur gesagt, dass ich schon damals wusste, dass er sich mit sechzehn nachts aus dem Haus geschlichen hat, um in Bars zu gehen, und das bevorzugt, wenn die geheimen Schwulennächte stattfanden«, antwortet Ren schmunzelnd.

      »Aha. Ich nehme einfach mal an, dass du nie etwas dazu gesagt hast.« Yari füllt seine Tasse mit dampfendem Tee und lehnt sich entspannt an die Arbeitsplatte.

      Schulterzuckend nickt Ren. »Kai musste sich austoben und solange die Ordnungshüter nicht vor der Tür standen, war ja alles in Ordnung. Wieso sollte ich mich also einmischen, vor allem weil seine Schulnoten ja nie darunter gelitten haben.« In aller Ruhe legt er das letzte mit Trockenfleisch belegte Brot in den Picknickkorb.

      »Da hattest du deutlich mehr Glück als ich«, sagt Yari und legt Kai die Hand auf die Schulter. »Zwar kann ich mich noch nicht genau erinnern, aber ich weiß, dass mich mein Vater damals ziemlich zusammengestaucht hat, als er meine Discobesuche herausgefunden hatte.« Aufmunternd drückt er kurz zu, bevor er um den Tisch herumgeht und sich auf seinen Stuhl setzt.

      Über das Wort Disco verwirrt, wartet Ren, bis sich Yari hingesetzt hat. »Was ist eine Disco?« Fragend sieht er ihn an.

      »Eine Tanzbar.« In aller Ruhe rührt Yari den Honig in seinen Tee und greift dann nach einem Rosinenbrötchen.

      »Aha, wieder ein Wort gelernt.« Vielsagend sieht er zu Kai, der sich endlich wieder gerade hingesetzt hat und nun leicht den Kopf schüttelt.

      Von Yari unbemerkt, schielt er bedrückt zu seinem Liebsten rüber, der gerade die Augen genießend geschlossen hat. Die Rosinenbrötchen von Ren gehören inzwischen zu seinen Leibspeisen.

      Weil sie bald aufbrechen müssen, greift nun auch Kai nach den Brötchen und beginnt zu essen, obwohl er eigentlich gar keinen wirklichen Hunger hat. Doch das ist bei ihm normal. Immer wenn er nach Edo oder Wladiwostok muss, schlägt ihm das am Morgen regelmäßig auf seinen Magen. Trotzdem zwingt er sich jedes Mal dazu, zu frühstücken.

      Bis auf ein paar wenige Sätze, die sich hauptsächlich um die nächsten Tage drehen, verläuft das Frühstück schweigend und Yari sagt gar nichts mehr, sondern sieht nur immer wieder schweigend aus dem Küchenfenster.

      Gerade als sie dabei sind, die Küche aufzuräumen, fällt Ren noch etwas ein: »Ach ja, Yari, ich habe dir noch das Ölzeug von Kais Vater auf die Ladefläche gelegt. Damit du auch etwas hast, um dich zu schützen, falls es regnen sollte.«

      Erstaunt sieht Yari zu Ren. »Danke, Großvater. An die Öltücher, um die Ladefläche abzudecken, und an Kais Ölzeug habe ich gedacht, aber nicht daran, dass ich auch welches gebrauchen könnte.«

      Schmunzelnd sieht Ren ihn an. »Das habe ich mir schon gedacht, als ich gestern Abend gesehen habe, was du in die Kutsche gelegt hast. Wenn wir dir Winterkleidung machen lassen, soll Aja dir auch gleich passendes Ölzeug schneidern, denn das von Kazuki ist dir bestimmt wieder ein wenig zu groß.«

      Nachdem sie alles aufgeräumt haben, gehen sie zu dritt in den Hinterhof, um gemeinsam die Pferde vor die Kutsche zu spannen. Yari geht allerdings noch mal ins Haus, um ihr Gepäck und den Picknickkorb zu holen.

      Mit feuchten Augen umarmt Ren seine beiden Enkel kurz, ehe er sie mit ernstem Blick ansieht: »Passt gut auf euch auf und fahrt vorsichtig. Vor allem mit Verstand.« Kai mit beiden Händen an den Schultern fassend, sieht er seinen Enkel ernst an. »Grüße Hemingway von mir und lass dich von Elaine nicht zu sehr ärgern. Denk daran, du bist nicht mehr vierzehn.«

      Die Augen verdrehend nickt Kai. »Ja, Großvater. Wir werden vorsichtig sein und ich werde Hemingway von dir grüßen. Das andere hängt auch von Elaine ab.«

      Amüsiert beobachtet Yari die beiden und ist froh, dass er sich nicht so einen kleinen Vortrag anhören muss.

      Doch dann legt Ren auch ihm die Hände auf die Schultern. »Und du pass gut auf Kai und natürlich auch auf dich auf. Elaine ignorierst du am besten, denn sie hat sich schon mit sieben Jahren in den Kopf gesetzt, dass sie Kai heiraten wird, wenn sie erwachsen ist. Wir beide wissen ja, dass sie bei ihm nie eine Chance hatte und außerdem keine Konkurrenz für dich ist.«

      Grinsend erwidert Yari den Blick Rens. »Keine Angst, ich werde aufpassen, dass niemand Kai zu nahe kommt. Auch nicht diese Elaine.« Vielsagend blickt er nun zu Kai, der ergeben den Kopf schüttelt und zur Kutsche geht.

      Wenn sie nämlich nicht langsam losfahren, kommen sie in den starken Morgenverkehr, der an jedem Arbeitstag und besonders an den Samstagen die Straßen Izusans verstopft. »Yari kommst du?« Auffordernd sieht er ihn an, während er darauf wartet, dass Yari zu ihm auf den Kutschbock steigt.

      Mit einer letzten Umarmung löst sich Yari schweren Herzens von Ren und steigt neben Kai auf den Kutschbock. »Also, Großvater, halt die Ohren steif. Wir sehen uns voraussichtlich am siebten August wieder. Mach’s gut.«

      Es fällt Kai jedes Jahr schwer, sein Zuhause zu verlassen, weshalb er nun eilig nach den Zügeln greift und die ungeduldigen Pferde in Richtung Tor lenkt.

      »Mach’s gut Gros… Ren.« Im letzten Moment kann Yari sich noch korrigieren, hat er doch im Augenwinkel gesehen, dass gerade viele Leute am Tor vorbeigehen.

      Trotzdem winkend schaut Yari den alten Mann an und löst den Blick auch erst von ihm und seinem Zuhause, als sie komplett in die Seitenstraße eingebogen sind, die sie zur Hauptstraße führen wird.

      Sich nun auf die Straße stellend, sieht Ren seinen Jungs nach, bis sie um die Kurve verschwunden sind. Langsam geht er zurück in den Hinterhof und dann ins Haus, um den Laden zu öffnen.

      Kai lenkt die Pferde hoch konzentriert durch den dichten Morgenverkehr und ist wieder einmal froh, dass die beiden Wallache durch kaum etwas aus der Ruhe zu bringen sind. Im Gegenteil. Während andere Pferde scheuen oder unruhig werden würden, bahnen sich die beiden in aller Ruhe ihren Weg durch die vielen Transport- und Personenkutschen. Sogar die Reiter, die manchmal in einem unmöglichen Tempo an ihnen vorbeirasen, ignorieren sie weitgehend. Darüber kann Kai nur den Kopf schütteln, ist es doch lebensmüde auf dem glatten Pflaster zu galoppieren, so wie es hier einige immer wieder gern machen. Eigentlich grenzt es schon an ein Wunder, dass die Pferde nicht öfter ausrutschen und schwer stürzen.

      Schließlich erreichen sie das östliche Stadttor, was Kai erleichtert aufatmen lässt, denn schon kurz außerhalb der Stadt ist der Verkehr deutlich weniger dicht und bald sind sie beinahe alleine auf der Straße unterwegs.

      Erst jetzt sieht Yari zu Kai. »Sag mal, wie ist dieser Hemingway eigentlich? Ich meine, muss ich das Halsband da wirklich andauernd tragen?«


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