Der Wüstensklave. J. D. Möckli
ich sagen? Hemingway ist im Großen und Ganzen ein anständiger Mensch. Er behandelt seine Sklaven gut und eigentlich auch wie Menschen, aber nicht wie Gleichgestellte. Darum wirst du wohl das Halsband tragen müssen, sobald du unser Zimmer verlässt. Ich werde zwar versuchen, mit ihm zu reden, aber er ist nun mal der Meinung, dass die Leute ein Recht darauf haben, jederzeit zu wissen, welchen Stand eine Person hat. Das ist eine etwas seltsame Logik, weil es im Haus ja sowieso jeder weiß, aber so ist er nun mal.«
Entschuldigend sieht er kurz zu Yari, konzentriert sich aber sofort wieder auf die Straße. Noch teilen sie sich diese nämlich mit den wenigen Autos, die erst in ein paar Kilometern auf eine separate Straße wechseln können, um dort deutlich schneller zu fahren.
»Verstehe.« In Gedanken versunken blickt Yari nach rechts, wo er durch die Bäume hindurch das Meer erkennen kann. Nur am Rande bekommt er mit, dass Kai die Pferde in einen gleichmäßigen Trab fallen lässt, den die Tiere über einen sehr langen Zeitraum laufen können, ohne dabei zu ermüden.
Auf einmal spürt er eine Hand auf seinem Bein und wendet sich wieder zu Kai um, der ihn lächelnd ansieht.
»Das ist kein Grund, Trübsal zu blasen. Wir kommen schließlich erst morgen Abend an und fahren schon am Samstagmorgen wieder nach Hause.«
Nach Kais Hand greifend senkt Yari den Blick. »Das ist es nicht. Ich habe nur irgendwie ein ungutes Gefühl, das ist alles. Und das Leder wird langsam unangenehm auf der Haut. Ich bin es nicht mehr gewohnt, das Halsband so lange zu tragen.« Genervt zupft er an dem Leder rum, was ihm leider keine wirkliche Erleichterung bringt.
»Es tut mir leid, Yari. Nur ist die Wahrscheinlichkeit extrem groß, dass wir unterwegs Leuten begegnen, die ich kenne und die sich vielleicht auch an dich erinnern.«
Mit einem Seufzen legt Yari nun den Kopf auf Kais Schulter. »Ich weiß, das Risiko ist wirklich zu groß. Trotzdem bleibe ich jetzt so sitzen.« Ein leichter Trotz ist bei dem letzten Satz aus Yaris Stimme herauszuhören, der Kai schmunzeln lässt.
»Ja, mach das.«
Nach etwa der Hälfte der Strecke lenkt Kai die Pferde von der Straße auf einen Feldweg, der nach ein paar Metern zu einer Wiese an einem kleinen See führt. Erleichtert lässt er die Pferde anhalten und zieht die Handbremse der Kutsche an.
Erst als sie sicher stehen, berührt er Yari vorsichtig an der Wange, ist sein Liebster doch schon vor einiger Zeit an seiner Schulter angelehnt eingeschlafen. »Yari, wach auf, wir machen jetzt eine kleine Rast.«
Murrend öffnet Yari die Augen. Sich aufrichtend mustert er nun seine Umgebung. »Das ist aber nicht der Gasthof.« Noch nicht wirklich ganz wach reibt er sich den etwas steifen Nacken, dem die seltsame Schlafposition nicht wirklich gutgetan hat.
Grinsend steigt Kai vom Kutschbock. »Wir haben erst etwa die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Die Pferde brauchen eine Pause und ich ehrlich gesagt auch.« Er nimmt die beiden Wassereimer von der Ladefläche und geht mit ihnen runter zum See.
Als er den ersten Eimer gefüllt ans Ufer stellt, nimmt Yari ihn ihm ab. »Ich mach das schon. Wenn du fährst, dann kann ich mich ja wohl um die Pferde kümmern.« Kai jetzt auch den zweiten Eimer abnehmend, dreht sich Yari zu den Pferden um und geht zu ihnen.
Er hat die Wassereimer kaum hingestellt, als Blacky und Rocky auch schon durstig anfangen zu trinken.
Während die beiden ihren Durst stillen, holt Yari zwei Futtersäcke von der Ladefläche. Einer davon wird ihm von Kai abgenommen, sodass sie bequem beide Pferde gleichzeitig füttern können.
»Mach nachher die Zügel ab und löse die Handbremse ein wenig, dann können die beiden noch etwas von dem Gras hier fressen, während wir unsere Brote essen.«
»Okay«, nickt Yari, während er darauf achtet, dass ihm Blacky in seiner Gier nach dem Futter den Sack nicht aus den Händen reißt.
Als auch der letzte Halm verschwunden ist, löst er die Zügel von den Trensen und lockert die Handbremse so weit, dass die Pferde den Wagen zwar bewegen können, aber gleichzeitig auch nicht zu weit weglaufen. Erst danach geht er zu Kai, der schon eine Decke im Gras ausgebreitet und einiges von ihrem Proviant darauf verteilt hat.
»Das sieht ja lecker aus.« Grinsend greift er nach einer der Erdbeeren, die Ren gestern noch auf dem Markt gekauft hat, und hält sie Kai vor den Mund.
Schmunzelnd beißt Kai ein Stück ab und sieht dann kauend zu, wie sich Yari den Rest in den Mund schiebt. »Die müssen wir heute essen. Man merkt, dass es die Letzten in diesem Jahr sind, und diese Wärme tut ihnen auch nicht gut.« Kai nimmt nun auch eine der Beeren und hält sie seinem Liebsten hin, der seinerseits ein Stück abbeißt.
So füttern sie sich lachend gegenseitig, bis sie alle sechs Erdbeeren gegessen haben.
An einem Rosinenbrötchen knabbernd legt sich Yari auf den Rücken und genießt die warmen Sonnenstrahlen, deren Kraft durch den leichten Wind, der vom Meer auf der anderen Seite der Straße zu ihnen herüberweht, auf ein angenehmes Maß gemildert wird.
Als er schon eine Weile mit hinter dem Kopf verschränkten Armen und geschlossenen Augen daliegt, spürt er plötzlich ein Gewicht auf seinem Becken. »Sharik, was hast du vor?« Fragend sieht er Kai an, der ihn frech angrinst.
Sich links und rechts von Yari auf dem Boden abstützend, beugt sich Kai nach vorn. »Nach was sieht es denn aus?« Auf einmal wird er herumgewirbelt und findet sich nur einen Augenblick später unter seinem Liebsten liegend wieder, der ihn nun ernst grinsend ansieht.
»Du weißt genau, dass ich es nicht mag, ohne Vorwarnung unter dir zu liegen.«
Noch bevor Kai etwas darauf erwidern kann, wird er leicht in den Hals gebissen, was ihn seufzend den Kopf etwas zur Seite drehen lässt. Wie er es doch liebt, wenn Yari so bestimmend ist, zeigt es ihm doch, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Außerdem muss er sich so keine Sorgen machen, dass er ihn überfordert. Die Zeit, in der er dann auch mal das Sagen haben wird, ohne dass er Angst um Yari haben muss, wird sicher noch kommen und darauf freut er sich jetzt schon.
Auf einmal lässt Yari von seinem Hals ab und sieht ihn zufrieden an. »So, jetzt bist du auch auf dieser Seite markiert.« Ihm noch einen Kuss auf die Lippen hauchend, setzt er sich auf und lässt sich dann neben Kai auf den Boden sinken. »Wann müssen wir weiter?«
Kai blickt in den Himmel, um am Stand der Sonne abzuschätzen wie spät es ist. Zwar findet er es schade, dass sich Yari wieder etwas zurückgezogen hat, aber so in der Öffentlichkeit wäre auch er nicht weiter gegangen. »So ungern ich es zugebe, aber wir sollten wirklich langsam zusammenräumen und aufbrechen, wenn wir am späten Nachmittag im Gasthof ankommen wollen.« Er beginnt, die Reste ihres Picknicks wieder in den Korb zu räumen.
Inzwischen gibt Yari den Pferden noch einmal frisches Wasser und befestigt die Zügel wieder an den Trensen. Routiniert kontrolliert er danach noch schnell die Hufe, ob die gerade mal drei Tage alten Eisen auch noch richtig sitzen, aber Yu hat wie immer ausgezeichnete Arbeit geleistet. Zufrieden und erleichtert, dass die beiden sich gut ausgeruht haben, sammelt er die leeren Eimer ein und verstaut sie wieder auf der Ladefläche.
Unterdessen hat Kai fertig zusammengepackt und stellt den Korb auf die Kutsche.
Als alles sicher verstaut ist, löst Kai die Handbremse und lenkt die Pferde wieder zurück auf den Weg.
Nun betrachtet Yari aufmerksam seine Umgebung, die abwechselnd aus Feldern und kleinen Wäldchen besteht. In der Ferne kann er ab und zu Dörfer oder kleine Höfe entdecken. Die Straße führt sie dabei immer wieder an die Küste. Meistens kann er nur schroffe Felsen erkennen, die steil ins Meer abfallen, nur ab und zu gibt es Strände, auf denen er Leute sehen kann, die das schöne Wetter genießen.
Weil sich Kai auf den Weg konzentrieren muss, sprechen sie nicht wirklich miteinander. Nur wenn sein Sharik etwas zu trinken haben möchte, wird das Schweigen unterbrochen. Doch das stört keinen der beiden, ist die Stille doch nach ihren letzten hektischen Tagen einfach nur angenehm und entspannend.
Mit nur zwei kleinen Pinkelpausen fahren sie die nächsten beinahe vier