Schrecken der Vergangenheit. Nadine Kim Wulf

Schrecken der Vergangenheit - Nadine Kim Wulf


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wieder. „ Gott sei Dank“. Er war also in Sicherheit. Aber er tat sich schwer, die Erkenntnis zu verarbeiten. Sein Verstand sträubte sich dagegen, dass es schon wieder passiert war. Seit Monaten schon, blieb er von diesem Alptraum verschont.

      Doch in dieser Woche war es bereits das dritte Mal, dass ihn seine tote Frau heim suchte. Er merkte, dass er immer noch Angst hatte. Jedoch nicht davor, dass Claudia aus dem Jenseits zurückkehren könnte, um ihr Werk, dass sie vor einem Jahr begonnen hatte, heute zu Ende zu bringen.

      Nein. Die Hand auf der wulstigen Oberfläche der kleinen Narbe verriet ihm, dass er nur knapp mit dem Leben davon gekommen war. Dass es vorbei war. Es war eher die Angst davor, in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Denn sein Leben war nach dem Mordversuch nicht mehr dasselbe wie vorher. Lange hatte er unter Panikattacken gelitten, von den Träumen und den ständigen Schmerzen mal ganz abgesehen. Es war ein langer und beschwerlicher Weg gewesen. Aber er hatte es geschafft. Er hatte sich ins Leben zurück gekämpft.

      Eine leise Bewegung holte ihn komplett in die Gegenwart zurück. Nik schaute über seine rechte Schulter. Thea hatte sich auf die Seite gedreht und schlief seelenruhig neben ihm. Er beobachtete liebevoll, wie sich ihre Nasenflügel bei jedem Atemzug leicht dehnten. Ihr entspannter Gesichtsausdruck half ihm, die schrecklichen Bilder, für den Moment zu vergessen. Noch vor nicht allzu langer Zeit hätte er niemals gedacht, je wieder eine Frau in seiner Nähe ertragen zu können. Doch sie hatte ihn von Anfang an in ihren Bann gezogen.

      Zuerst war sie nur seine Therapeutin, später eine lieb gewonnene Freundin und heute die große Liebe an seiner Seite. Thea war so gar nicht wie Claudia. Sie war unkompliziert. Sie war eben sie. Eine Frau, die man nur lieben konnte. Mit dem Fingerknöchel strich er ihr ganz sanft über die Wange. Thea bewegte sich leicht, wachte aber nicht auf. Auch sein Puls hatte wieder normale Schläge angenommen. Doch an weiteren Schlaf war heute wohl nicht mehr zu denken. Die Angst vor einem weiteren Traum steckte ihm immer noch in den Gliedern. Um sie nicht weiter zu stören, beschloss Nik nach unten zu gehen, um sich mit etwas Arbeit abzulenken. Für gewöhnlich klappte das immer.

      Er stieß noch einmal den Atem aus, stieg aus dem Bett und zog leise die Tür hinter sich zu. Was er nicht bemerkte, ein Augenpaar, das ihm mit sorgenvollem Blick hinterher schaute. Thea hatte keineswegs mehr geschlafen.

       Samstag, 04. Mai, 09 Uhr 45

      <<Frische-Brötchen-Bring-Service!>> Mit je einer Tüte in der Hand, die so voll gestopft waren, dass sie zu platzen drohten, stapfte Karsten durch den Flur. In der Küche angekommen, versetzte ihn der Anblick des üppigen Frühstücksbuffet in Staunen.

      <<Ach du meine Güte, Thea. Hast du die ganze Nachbarschaft eingeladen?>>

      <<Dir auch einen guten Morgen. Und um deine Frage zu beantworten. Nein, habe ich nicht. Aber die Kinder kommen auch gleich>>, sagte sie und widmete sich wieder dem Rührei. In einer separaten Pfanne daneben brutzelten einige Speckstreifen vor sich hin.

      <<Seit wann stehst du denn schon in der Küche? Das sieht nach mordsmäßig viel Arbeit aus. Haben wir das überhaupt verdient?>> Karsten suchte verzweifelt einen freien Platz für die Brötchen.

      <<Mach doch bitte nicht so ein Drama wegen der paar Gurkenscheiben. Ich mag es halt, wenn alles schön aussieht.>>

      <<Und ob es das tut.>> Karsten legte seinen Arm um ihre Schulter und drückte Thea einen freundschaftlichen Kuss auf die Wangen. <<Guten Morgen.>>

      <<Das kitzelt. Wann hast du dich das letzte Mal rasiert?>>

      <<Oh. Ich glaube, ich lass den Bart stehen. Frauen mögen das. Hab ich gehört.>> Er schaute sich in der Küche um. <<Okay. Womit kann ich dir noch helfen?>>

      << Du könntest den Tisch im Esszimmer schon mal decken. Kriegst du das hin? >>

      << Was ist das denn für eine Frage. Ich bin der geborene Großmeister in Sachen Tischdekoration. >>

      << Na dann >>, kommentierte Thea seine Aussage.

      Karsten holte aus dem Schrank auf der gegenüber liegenden Seite, die nötige Anzahl an Tassen und Tellern heraus und verschwand ins Esszimmer. Kurze Zeit später war er zurück und kramte in einer Schublade nach dem Besteck.

      <<Wo ist eigentlich unser Sonnyboy?>>

      Er hörte Thea kurz seufzen. << Nik ist heute schon sehr früh mit dem Rad aufgebrochen. Aber ich denke, dass er bald zurück sein wird. >>

      Als Polizist war ihm der leichte Stimmungswechsel nicht entgangen. Mit der Zeit hatte Karsten feine Antennen und ein Gespür dafür entwickelt, wenn etwas nicht stimmte. Er setzte sich auf einen der Stühle und schaute ihr zu, wie sie eine weitere Ladung Rührei in die Pfanne goss.

      <<Was ist denn los? Habt ihr euch gestritten?>>

      <<Was? Nein. Wie kommst du darauf?>>

      <<Naja. Der ganze Aufwand hier. Du kannst es mir ruhig sagen.>>

      <<Was kannst du ihm sagen?>>, fragte Nik, der unterdessen klammheimlich durch die Terrassentür ins Haus gekommen war. Er war verschwitzt und hatte den Reißverschluss seines Trikots bis unter die Brust gezogen. Und sah unverschämt gut damit aus.

      <<Er will unbedingt das Rezept für mein Rührei haben>>, antwortete Thea gedankenschnell. Sie lächelte zu ihm auf und begegnete seinen Lippen mit den ihren. Seine braunen Augen faszinierten sie noch immer, deshalb bemerkte sie erst viel zu spät, dass Nik bereits seine Finger in der Schale mit dem fertigen Rührei vergraben hatte. Gerade noch rechtzeitig schaffte er es, sich das Ei in den Mund zu stecken, bevor Theas Kochlöffel auf seinem Handrücken landen konnte. <<Finger weg, du Schuft. Geh erst mal unter die Dusche, bevor du mit deinen verschwitzten Händen das Frühstück ruinierst.>>

      <<Jawohl Ma´am!>> Mit einem spitzbübischen Lächeln wandte er sich zu seinem Freund um.

      <<Herr Gott nochmal. Könntest du dir bitte etwas anziehen?>>, schimpfte Karsten gespielt und hielt sich eine Hand vor die Augen.

      <<Was macht der schon wieder hier?>>, fragte Nik. <<Hast du kein eigenes Zuhause?>>

      <<Doch. Aber bei dir ist es schöner. Ich hab nicht aufgeräumt, weißt du.>>

      <<Mh.>> Nik kniff leicht die Augen zusammen. <<Was ist das da in deinem Gesicht?>>

      <<Weitläufig sagt man Bart dazu. Es mag dir noch nicht aufgefallen sein, aber du trägst auch sowas in deiner Visage.>>

      <<Und Frauen stehen ja bekanntlich darauf. Hast du ihm den Quatsch eingetrichtert?>>, fragte Thea ohne die beiden zu beachten.

      <<Magst du meinen Bart denn etwa nicht?>>, hakte Nik nach.

      Grinsend schaute sie ihn nun an. <<Und ob ich das tue. Ich liebe jedes Haar an dir.>>

      Er schürzte die Lippen und nickte anerkennend. <<Cool.>>

      Vom Flur aus hörte man das schneller werdende Tapsen eines Hundes. Theas braune Bulldogge trampelte durch die Küchentür und hatte nur noch Augen für den Weidenkorb in der Ecke. Die Zunge hing Winston aus dem Maul und reichte fast bis auf den Boden. Der korpulente Hund hatte sich allem Anschein nach komplett verausgabt.

      <<Hallo Kröte>>, sagte Karsten. Aber die Bulldogge trottete lustlos an ihm vorbei. Mit einem tiefen Seufzer ließ sich der Hund in sein Körbchen fallen.

      <<Mein Armer Schatz>>, sagte Thea und musterte Winston aufmerksam. <<Sag nicht, du hast ihn mit zum Radfahren genommen.>>

      Nik prustete los. <<Was denn, die Wurst? Der würde nicht mal einen Kilometer mithalten. Ich habe nur ein bisschen mit ihm und seinem Ball gespielt. Was denkst du denn von mir? >>

      Thea kraulte Winston hinter den Ohren. Dieser rollte sich theatralisch auf den Rücken,


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