Schrecken der Vergangenheit. Nadine Kim Wulf

Schrecken der Vergangenheit - Nadine Kim Wulf


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nicht übel. Denn um ehrlich zu sein. Nik sah heute besonders zum Anbeißen aus. Er trug ein türkisblaues Poloshirt, eine beigefarbene Chinohose und helle Sneakers. Und er interessierte sich nicht die Bohne für sein Umfeld. Er hatte nur Augen für sie. Auf der einen Seite machte sie das mächtig stolz. Auf der anderen Seite wusste sie, wie verwundbar dieser Mann war. Und hätte auch nur eine dieser neidischen Damen eine Ahnung davon gehabt, was ihm Schlimmes wiederfahren war, sie hätte wahrscheinlich schreiend das Weite gesucht.

      <<Da vorne wird gerade ein Tisch frei>>, sagte Nik und riss sie aus ihren Tagträumen. Sie spürte seine sanfte Berührung an ihrem Rücken und folgte seinem Blick. Der Tisch befand sich am Ende des Biergartens. Halb im Schatten verborgen und mit einem traumhaften Ausblick auf den See. Dort angekommen, zog Nik, wie konnte es auch anders sein, einen Stuhl für sie vom Tisch.

      Thea setzte sich und beobachtete hinter ihrer Sonnenbrille, wie er sich auf den gegenüberliegenden Platz niederließ und versuchte, Winston mit der Leine an den Stuhl zu sichern.

      Doch wie sich schnell zeigen sollte, erwies sich die kleine Bulldogge mehr als unkooperativ. Winston hatte bereits die Jack Russel Dame am Nachbartisch entdeckt und versuchte nun nach allen Regeln der Kunst, auf sich aufmerksam zu machen.

      Kopf schüttelnd ließ Nik die Leine auf den Boden fallen und stellte einfach seinen Fuß darauf. Amüsiert hob Thea einen Mundwinkel und Nik legte den Kopf schief und musterte sie.

      <<Was?>>, fragte er schließlich.

      <<Oh. Nichts>>, gab sie frech zurück.

      <<Du lachst doch über mich. Was ist so lustig?>>

      <<Nein. Tu ich nicht. Aber ich bin jedes Mal überrascht, wie du dir als Vollprofi, von meinem Hund auf der Nase herum tanzen lässt.>>

      Nik beugte sich leicht zu ihr vor. <<Alles nur Taktik. Solange er denkt, er sei der Boss, so lange darf ich sein Frauchen anbaggern. Aber sag ihm nichts davon>>, flüsterte er.

      <<Ich verstehe. Und? Funktioniert es?>>

      <<Bisher? Ich würde sagen, sie fressen mir beide aus der Hand>>, antwortete er und küsste ihre Fingerknöchel.

      <<Ganz schön eingebildet, Dr. Berger.>>

      <<Tja. Entweder man kann es, oder man kann es eben nicht.>>

      An seiner linken Seite tauchte eine junge Frau auf und legte zwei Speisekarten auf den Tisch.

      <<Möchten sie vielleicht schon etwas zu trinken bestellen?>>, fragte sie lächelnd.

      <<Ich nehme ein Weizen. Alkoholfrei bitte>>, antwortete Thea.

      <<Dem schließe ich mich an.>>

      <<Kommt sofort>>, sagte die Servicekraft, nahm die Getränke auf und wandte sich an den nächsten Tisch.

      <<Ich dachte, du magst kein Bier>>, bemerkte Nik und hob überrascht eine Augenbraue.

      <<Tu ich auch nicht. Aber ich habe Durst. Und ein Weizen ist kein Bier, sondern ein Isotonisches Sportgetränk>>, konterte sie und schaute weg. Auch hinter der Sonnenbrille konnte Nik die Sehnsucht in ihrem Blick, deutlich spüren. <<Es ist wirklich schön hier.>>

      <<Hm-hm. Aber nur, weil du da bist.>> Er schob seinen Daumen über ihre Hand und ließ ihn über die Knöchel gleiten.

      <<Ach bitte.>> Sie schnitt eine Grimasse.

      <<Nein. Ganz im Ernst. Ich will mir gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne dich wäre. Ich bin sehr dankbar, dass wir uns begegnet sind.>>

      <<So. Zweimal das Hefeweizen.>> Nik verfluchte die Kellnerin innerlich, ließ sich aber von seinem Unmut nichts weiter anmerken.

      <<Haben sie schon gewählt?>>, fragte sie höflich, während sie Winston eine Schale voll Wasser unter den Tisch schob.

      <<Ich fürchte, wir brauchen noch etwas>>, sagte Nik in der Hoffnung, dass sie nicht weiter nachhakte. Er hatte sich etwas überlegt. Und seine Nerven waren ohnehin zum Reißen gespannt. Wie würde sie wohl auf seine Bitte hin reagieren? Er wartete, bis sie wieder unter sich waren. <<Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja.>> Er räusperte sich kurz.

      <<Ich wünschte, wir könnten mehr Zeit miteinander verbringen.>>

      <<Das wäre schön, ja. Aber wie soll das gehen?>>

      <<Nun. Wir könnten damit anfangen, dass du bei mir einziehst>>, meinte Nik. <<Jetzt, wo Maximilian und Anni bald aus dem Haus sein werden. Für mich alleine, wäre es viel zu groß. Ich würde mich wirklich sehr freuen.>>

      Thea nahm die Brille von ihrer Nase und blinzelte, noch immer sichtlich überrascht von dieser Frage.

      <<Nik. Das ist ein großer Schritt. Wir sollten nichts überstürzen.>>

      Verwundert zog er seine Hand zurück. <<Du willst nicht?>> Thea spürte seine Enttäuschung, obwohl sie noch keinerlei Chance bekommen hatte, dass Thema näher zu erläutern. Ein dumpfes Grollen war von der Straße aus zu hören und kam schnell näher. Was Nik dazu veranlasste, den Kopf von ihr abzuwenden.

      Sie seufzte. <<Das habe ich nicht gesagt.>> Und öffnete den Mund um sich weiter zu erklären, hielt aber inne, da Nik ihr offensichtlich schon nicht mehr richtig zu hörte. Sie legte den Kopf schief, um ihn dazu zu bringen, sie wieder anzusehen. Doch Nik verweigerte sich ihr. Zuerst dachte sie, dass es an ihr lag. Dass sie ihn verletzt hatte. Doch dann erkannte sie, dass er seine Aufmerksamkeit in eine ganz andere Richtung gelenkt hatte. Auf etwas, dass ihm Angst zu machen schien.

      Plötzlich zeichneten sich tausende verschiedene Regungen in seiner Miene ab. Thea wusste, dass es schon längst nicht mehr um sie ging. Sie hatte keine Ahnung wieso ausgerechnet jetzt, aber sie kannte die Symptome nur zu gut. <<Nik? Was ist mit dir?>>

      Er schluckte hart und fixierte angestrengt einen Punkt auf der gegenüberliegenden Straße. Er hörte Theas Stimme nur noch im Unterbewusstsein. Ein anderes Geräusch, weitaus lauter und ihm wohl bekannt, schien auf ihn zuzukommen. Alles um ihn herum rückte in weite Ferne. Und dann nahm das Geräusch, das ihn so unvermittelt aus der Bahn geworfen hatte, eine Form an. Der bullige Dodge, genau wie Nik ihn einst besessen hatte, bog auf den Parkplatz ein. Die gleiche Farbe, dieselben mattschwarzen Zierstreifen über der Haube. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Sein Herz begann zu rasen. Plötzlich war alles wieder da. Bilder tauchten vor seinem geistigen Auge auf und verschmolzen zu einer schmerzhaften und unerträglichen Erinnerung. Wieder hörte er den Schuss fallen, spürte die Todesangst und hörte die Schreie. Er musste hier weg. Sofort. Sein Selbsterhaltungstrieb funktionierte nur noch auf Sparflamme.

      <<Bitte entschuldige mich kurz. Ich.. ich muss auf die Toilette>>, stammelte er vor sich hin und schaffte es irgendwie, sich von seinem Stuhl zu erheben. Thea machte Anstalten, ihn aufzuhalten, aber ein kreischendes Hundegebell ließ sie inne halten. Winston hatte die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und war zu dem Objekt seiner Begierde gerannt. Was die kleine, korpulente Hündin alles andere als lustig fand. Mit gefletschten Zähnen und aufgestellten Nackenhaaren wies sie Winston in seine Schranken.

      Der hingegen verstand die Welt nicht mehr. Ohne jegliche Gegenwähr ließ er sich von seinem Frauchen wieder einsammeln.

      Thea entschuldigte sich höflich bei den Besitzern der Jack Russel Hündin. Zum Glück fanden diese die plumpe Anmache ihres Hundes überaus lustig und machten keine große Sache daraus.

      Verzweifelt drehte sich Thea im Kreis und suchte den Biergarten ab. Von Nik nirgends eine Spur zu sehen. Der Fahrer des Dodge gab die Suche nach einem Parkplatz auf und beschleunigte wieder.

      Im letzten Moment sah auch sie den Wagen und konnte eins und eins zusammenzählen. Aufgeregt kramte sie in der Handtasche nach ihrem Handy. Thea wusste, dass sie jetzt Hilfe brauchte, damit der Tag nicht in einer völligen Katastrophe endete.

      Schwer


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