Schrecken der Vergangenheit. Nadine Kim Wulf

Schrecken der Vergangenheit - Nadine Kim Wulf


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habe. Meine Freunde mit eingeschlossen. Das wurde mir an diesem Nachmittag erst so richtig bewusst. Noch am gleichen Abend stellte ich Kai zur Rede. Wir hatten einen riesen Streit deswegen.>>

      <<Und du hast dich getrennt.>>

      Thea senkte den Kopf und starrte ihre Hände an. <<Nein. Er erklärte mir, dass alles sei nur passiert, weil er mich so sehr lieben würde und alles dafür tun würde, mich zu beschützen.>> Sie zuckte mit den Schulter. <<Und die kleine, naive Thea hat das geglaubt und ihrem Traumprinzen verziehen.>>

      <<Aber sie lebten nicht bis zum Ende ihrer Tage zusammen, oder?>>

      <<Nein. Er war einfach immer und überall dabei. Rief mich mehrmals am Tag im Bistro, in dem ich zu der Zeit jobbte, an, nur um sicher zu gehen, dass ich auch wirklich da war. Meine Freundinnen traf ich heimlich und wenn er es rausbekam, flogen die Fetzen. Nach knapp einem halben Jahr hielt ich es nicht mehr aus und beendete die Sache. Danach ging es erst richtig los. Ich erhielt Nacht für Nacht Anrufe, ohne dass jemand mit mir sprach. Er tauchte ständig irgendwo auf.>>

      <<Er hat dich gestalkt?>>

      <<Ja.>>

      <<Warum bist du nicht zur Polizei gegangen?>>

      <<Warum willst du nicht über deine Ängste mit mir reden?>>, konterte Thea geschickt und Nik verstand, worauf sie hinaus wollte.

      <<Weil es dir peinlich war.>>

      <<So in etwa, ja.>> Sie schwieg einen Moment, so als wolle sie die nächsten Worte sorgfältig auswählen. << Eines Abends kamen Lydia und ich aus dem Kino. Wir gingen zu meinem Wagen und ich sah sofort die Bescherung. Alle Reifen waren zerstochen und eine Seitenscheibe eingeschlagen. Als ich ins Wageninnere sah, musste ich mich fast übergeben. Darin lag ein riesiger, toter Vogel. Ich glaube, es war ein Falke oder sowas in der Art. Um seinen Hals hing ein kleines Schild. Darauf stand: „ Ich denke an dich“ Wenn ich mich vorher schon nicht mehr alleine aus dem Haus getraut hatte, nach diesem Vorfall konnte ich es erst recht nicht mehr. Zum Glück war Lydia für mich da.>>

      <<Gut, dass du eine solche Freundin hattest,>> flüsterte Nik und schaute stur geradeaus auf die Straße.

      <<So wie du. Du weißt, dass du Karsten alles anvertrauen kannst.>>

      <<Ja. Aber darum geht es jetzt nicht. Was ist aus diesem Kai geworden?>>

      <<Lydia drängte mich dazu, es meiner Familie zu erzählen. Irgendwann gab ich nach und vertraute mich meinem Bruder an.>>

      <<Sekunde. Du hast einen Bruder?>>

      <<Halbbruder. Ja. Sein Name ist Markus. Wir haben allerdings nicht mehr allzu viel Kontakt, da er im Ausland arbeitet. Jedenfalls kannte er damals jemanden bei der Polizei. Karen. Sie riet mir zu einer Anzeige. Was ich dann auch tat. Kai wurde per richterlichem Beschluss untersagt, sich mir weiterhin zu nähern.>>

      <<Und daran hat er sich gehalten?>>

      <<Ja. Man fand ihn ein paar Tage später in seiner Wohnung. Er hatte sich umgebracht. Mit Tabletten.>> Sie schaute stur geradeaus und versuchte, die bitteren Erinnerungen von früher nicht zu sehr an sich heran zu lassen.

      Tränen brannten in ihren Augen und sie brauchte einen Moment, um ihre Stimme wieder neutral klingen zu lassen. < Wie sich herausstellte, war Kai nicht nur besessen. Er war psychisch krank. Davon hatte niemand etwas geahnt. >

      <<Und du hast dir die Schuld daran gegeben. Jetzt verstehe ich, warum du dich für diesen Berufsweg entschieden hast.>>

      <<Das war es nicht. Jedenfalls nicht direkt. Nach dieser Zeit brauchte ich selber Hilfe, Nik. Mein ganzes Leben bestand nur noch darin, Angst zu haben. Schon das Klingeln eines Telefons reichte aus, um mich in die Ecke zu drängen. In der Therapie habe ich dann gelernt mit der Angst umzugehen. Und etwas Positives daraus zu machen.>> Thea schluckte hörbar. <<Ich habe damals nicht erkannt, dass Kai Hilfe brauchte.>>

      <<Du bist für das, was passiert ist, nicht verantwortlich>>, sagte Nik sanft und drückte liebevoll ihre Hand.

      <<Heute ist mir das bewusst, aber damals? Ich hatte immer das Gefühl, etwas wieder gut machen zu müssen. Nämlich anderen zu helfen, denen etwas Ähnliches passiert ist.>>

      <<Was für ein Glück für mich>>, bemerkte er. Thea zog die Brauen hoch, was Nik ein Lächeln auf die Lippen zauberte. <<Wir wären uns vermutlich nie begegnet.>> Seine tiefe Stimme und sein verführerischer Mund jagten ihr einen Schauder über den Rücken.

      <<Würdest du mir einen Gefallen tun?>>, fragte sie mit einem mehr als anzüglichem Grinsen.

      <<Was denn?>>

      <<Da vorne rechts ist ein kleiner Abzweig. Ich möchte dir gerne etwas zeigen.>>

      Leicht irritiert zog Nik eine Augenbraue hoch. <<Ich dachte, du wärst noch nie hier gewesen?>>

      Ihre Augen begannen zu leuchten. <<Das stimmt.>> Sie hatte die Worte praktisch geschnurrt. Die Ernsthaftigkeit schien wie weggeflogen. Mehr noch. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass Thea in Spiellaune war. Also gehorchte er und lenkte den schweren Wagen auf einen schmalen, unbefestigten Weg, der mit unzähligen, kleinen Schlaglöchern gesäumt war.

      <<Wohin fahren wir?>>, fragte er neugierig.

      <<Mal sehen>>, antworte sie knapp und hielt sich an ihrem Sitz fest, als eine weitere Unebenheit, das Innere des Wagens durcheinander wirbelte. Nik beschleunigte leicht, um über die Anhöhe, die sich vor ihnen präsentierte, zu kommen. Der SUV bewältigte auch dieses Hindernis mit spielerischer Leichtigkeit und nach wenigen Augenblicken endete der Weg und sie erreichten eine kleine Lichtung. Die abendliche Sonne hatte bereits an Kraft verloren und tauchte Teile des in der Ferne liegenden Möhneufer in ein Farbenmeer aus roten und gelben Silhouetten.

      Das Motorengeräusch erstarb und für einen kurzen Moment genossen beide den Anblick und lauschten der Ruhe und Stille um sich herum.

      <<Nett>>, bemerkte Nik, << und was wolltest du mir nun zeigen? >> Er sah ihr stirnrunzelnd nach, als sie bereits die Tür geöffnet hatte und ausstieg, um im nächsten Moment auf der Rücksitzbank wieder Platz zu nehmen. Ihre Blicke begegneten sich im Rückspiegel.

      <<Was ist? Brauchst du eine Extraeinladung?>>, neckte sie ihn.

      Ein Schauder durchlief ihn. Er hatte keine Ahnung, was für ein Spiel sie da gerade mit ihm trieb, aber er war neugierig. Also folgte er Thea und setzte sich neben sie auf den Rücksitz. <<Mach die Tür zu>>, befahl sie ihm. Nik stieß einen genervten Seufzer aus, gehorchte aber erneut.

      <<Also? Was ist hier hinten so Besonderes?>>

      Ihre Augen blitzten gefährlich auf und er erkannte, dass sie ihn herausforderte. <<Getönte Scheiben>>, murmelte sie und fing an, zuerst sein Kinn, dann sein Ohrläppchen mit sanften Küssen zu bedecken.

      Unbehagen machte sich in ihm breit. Sein ganzer Körper verspannte sich. <<Ich weiß, dass der Wagen welche hat. Sie waren Teil der Ausstattung>>, sagte er, ohne dass es eine Bedeutung gehabt hätte.

      <<Dann hab ich jetzt wohl Glück gehabt>>, flüsterte sie und rollte sich auf seinen Schoß. <<Und was man dahinter so alles verbergen kann>>, hauchte sie und berührte dabei seinen Hals mit ihren Lippen. Nik schloss die Augen und tat alles, damit sein Verstand die Kontrolle behielt.

      <<Bitte Thea. Was soll das? Wenn uns jemand sieht.>> Sie hob den Blick und lächelte ihn an. So geheimnisvoll, so verführerisch.

      <<Wenn hier wirklich jemand nur auf uns gewartet hat, dann sollten wir ihm auch was bieten. Findest du nicht?>>

      Um Selbstbeherrschung ringend hielt er den Atem an, als er ihre Hand zwischen seinen Beinen spürte. Er schluckte hart,


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