Losing Game. Valuta Tomas
verwette auch ich meinen Arsch, dass du alle zwei Wochen die Wäsche vom Gästezimmer und Schlafzimmer wäschst, obwohl gerade im Gästezimmer nicht wirklich viel los ist, oder?« Ein weiteres nüchternes Nicken von Neve.
»Ehrlich gesagt, möchte ich auch nicht in den Gerüchen von Hühnchen und Steak schlafen müssen«, erklärt sich Sam und stupst mit dem Bleistift zwischen Gästezimmer, Schlafzimmer und Küche hin und her.
»Und wenn ich abends fernsehen will, habe ich keinen Bock darauf, das Gejohle von irgendwelchen Gästen zu hören, die unter der Dusche meinen, der nächste bestbezahlte Tenor zu werden.« Sie führt den Stift vom Badezimmer zum Wohnzimmer. Beide Räume liegen direkt nebeneinander. Sam blickt wieder zu Neve hoch und lehnt sich bequem in den Stuhl zurück. Stirnrunzelnd schaut Neve auf das Blatt und muss dieser pubertierenden Göre tatsächlich rechtgeben. Auf dem Blatt sieht es absolut chaotisch aus.
Sam greift nach dem Blatt, dreht es um und zeichnet die Grundmauern des Hauses nochmals auf.
»Ich hätte es stattdessen so gemacht.« Flink malt sie ein paar Striche auf das Papier und beginnt nebenbei alles zu erklären.
»Schlafzimmer und Gästezimmer an die Hausfront, weil dort die Sonne aufgeht, danach das Wohnzimmer. Das Esszimmer kannst du getrost unterteilen und auch noch ein Büro mit einsetzen. Von der Küche aus, würde ich ein großes Loch in die Wand zum Esszimmer reißen. Somit hättest du mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Du hast wegen dem fehlenden Tisch mehr Platz in der Küche und du brauchst das Geschirr nicht immer hin und herschleppen, weil du es durch das Loch reichst. Du kannst daraus auch noch einen schönen Tresen machen. Auf beiden Seiten je zwei Hocker und fertig. Das Bad kommt in den hinteren Teil des Hauses und alles ist tutti«, erklärt Sam ihre Vorstellung von dem Haus. Sie sieht ein ratloses Gesicht von Neve, die diesen Plan in ihrem Kopf durcharbeitet. Neve zeigt auf die Wand hinter Sam und schüttelt den Kopf.
»Da kann man kein Loch rein reißen, das…«.
»Keine Panik, das ist keine tragende Wand«, erklärt Sam kurz. Demonstrativ haut sie mit dem Ellenbogen gegen die Wand. Ein hohles Geräusch erklingt. Erstaunt schaut Neve Sam an.
»Wieso hast du so viel Ahnung davon?«, stellt sie eine berechtigte Frage. Sam schnappt sich das Stück Papier, quetscht es zu einem kleinen Ball zusammen und zuckt beiläufig mit den Schultern.
»Sagen wir es mal so, ich habe ein klein wenig Interesse an der Architektur. Aber dein Haus ist echt der schlimmste Albtraum den ich je gesehen habe«, grinst sie schelmisch. Erwartungsvoll blickt sie zur Kaffeemaschine.
»Darf ich mich bedienen?«, fragt sie vorsichtig. Neve antwortet lediglich mit einem Nicken.
Sam steht auf und öffnet mehrere Küchenschränke. Gleich darauf folgt ein kurzes Kichern.
»Wieso schreiben die Leute eigentlich immer Kaffee auf die Dose, wenn sie diejenigen sind, die den Inhalt dort eingefüllt haben?«
»Vielleicht, um solch neugierigen Menschen wie dir, die Suche zu erleichtern«, murmelt Neve. Sie faltet das Blatt Papier wieder auseinander und betrachtet die Zeichnungen genauer.
In die Zimmeraufteilung vertieft, erschrickt sie, als Sams Arm von hinten an ihr vorbeirauscht. Neve blickt in die Kaffetasse und dann zu Sam hoch.
»Woher weißt du…?« Sam unterbricht sie und zuckt mit den Schultern.
»Keine Ahnung, ich habe geraten, dass du ihn gerne schwarz trinkst«, murmelt sie in ihre Tasse hinein, trinkt einen Schluck und bleibt seitlich hinter Neve stehen.
»Darf ich?«, fragt sie kleinlaut.
»Was?« Sam zupft kurz an Neves Blusenkragen und deutet somit auf das Ergebnis von letzter Nacht hin. Neve dreht sich zu ihr um und grinst fies.
»Masochistisch veranlagt, wie?«, lacht sie schon fast krankhaft. Sam zuckt stumm mit den Schultern. Neve dreht sich wieder zu der Zeichnung um und murmelt »Wenn es dir danach besser geht.«
Zaghaft zieht Sam den Kragen etwas zurück und blickt auf den Rücken. Dieser ist im Schulterbereich tiefblau verfärbt. Die Umrisse der Kugeln, die dort auf ihren Körper prallten, sind erschreckend gut zu erkennen. Sam pustet laut aus und schluckt.
»Schmerzt es sehr?«, haucht sie beschämt. Achtlos nuschelt Neve ein »Ich bin hart im Nehmen!« und spürt, dass Sam den Kragen an die alte Position zurücklegt. Schweigend geht sie mit ihrem Kaffee zur Arbeitsplatte. Eine drückende Stille kehrt zwischen beide Frauen ein.
»Bist du direkt nach der Schule zur Polizei gegangen?«, fragt Sam plötzlich leise, worauf Neve nur mit einem Nicken reagiert. Sie scheint die Frage nicht wirklich zu überraschen.
»Ist es das was du willst? Ich meine, wofür du lebst und jeden Tag aufstehst?« Wieder nickt Neve, stellt die Tasse auf den Tisch und legt das Papier zur Seite.
»Und genau aus diesem Grund, solltest du jetzt besser gehen.« Anstatt zu fragen weshalb, sieht Neve, dass Sam ihren Kaffee mit einem Zug leert und die Tasse in das Spülbecken stellt. Neve verfolgt Sams Handlungen und muss plötzlich an ihren Chevy denken. Wie ordentlich und sauber der Wagen war, als sie kurz hineingeblickt hat. Und jetzt stellt Sam wie selbstverständlich die Tasse ins Spülbecken, nur um Ordnung zu halten. Welche unterschiedlichen Verhaltensweisen bei einem einzigen Menschen aufeinanderprallen, ist unglaublich.
Neve begleitet Sam zur Haustür. Sie dreht sich zu Neve um und schaut sie bittend und bettelnd an.
»Darf ich mir noch einen Kuss von dir klauen? Nur einen, ohne irgendwelche Hintergedanken, Hoffnungen oder Verpflichtungen. Ich werde meine dämlichen Sprüche auch sein lassen«, lächelt sie verschmitzt. Neve weiß nicht was sie dazu sagen soll.
Sie denkt auch nicht darüber nach, als sie Sam an die Hand nimmt, vorsichtig an sich zieht und für einen winzigen Augenblick verharrt. Neve überlegt für diesen kurzen Moment, ob diese Handlung wirklich richtig ist. Auch wenn es falsch wäre, küsst sie Sam zaghaft und zurückhaltend. In keinster Weise tauschen die beiden diesen intimen Moment stürmisch miteinander aus. Nichts wiederholt sich von dem, was sie vorletzte Nacht in dem Club veranstaltet haben. Es scheint, als wenn sie zwei schüchterne Teenager wären, die das erste Mal in ihrem Leben feststellen, wie wunderschön der Mund eines anderen Menschen sein kann.
Als Sam spürt, dass ausgerechnet dieser sanfte Kuss sie bis ins Mark erregt, reißt sie sich von Neve los. Hilflos und laut schnaufend, blickt sie verschämt durch die Nacht.
»'Tschuldigung!«, pustet sie schwer.
»Bis morgen, schlaf schön und danke.« Neve ist überrascht, dass Sam sich wirklich an ihre eigene Abmachung hält und sich sogar für den Kuss bedankt. Verdammt, muss sie denn unbedingt so jung und dann auch noch kriminell sein?
Sam dreht sich um und steuert auf ihren Wagen zu. Als Neve die Tür schließen will, klingelt plötzlich ein Handy. Wie auf Befehl bleibt Sam stehen, greift in die Hose, zieht ihr Handy heraus und meldet sich mit einem kurzen »Ja A.J.?« Neve sieht, wie Sam dem Gesprächspartner zuhört, nickt und dann auflegt. Sie blickt auf das Handy, senkt den Kopf und dreht sich zu Neve um.
»Ähm, Matt unser sogenannter Ober-Guru…,«. Bei dem Wort muss Neve kurz schmunzeln. Sam lächelt verschmitzt.
»war jetzt einige Tage nicht da und ist eben wiedergekommen. Er gibt eine Party.«
»Und?«, fragt Neve trocken.
»Ich gehe da jetzt hin und wollte dich fragen, ob du vielleicht mit möchtest.« Bei dieser Frage entgleiten Neve sämtliche Gesichtszüge.
»Du verarscht mich jetzt, oder? Ich bin Bulle und glaube, dass ich der letzte Mensch bin, der von euch an so einem Ort gesehen werden will.« Sam lächelt.
»Da hast du zwar recht, aber solange du nicht mit deiner Marke herum wedelst und an meiner Seite bleibst, wird dir nichts passieren. Ich bin Matts rechte Hand. Sollte jemand Zweifel an meiner Begleitung haben, greift diese Person indirekt auch ihn an und das wagt keiner.« Neve schmunzelt.
»Schön zu wissen, dass ausgerechnet du um