Götzendämmerung III. Jörg Werner

Götzendämmerung III - Jörg Werner


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      „Bertie, kann ich die Zeitung…?“

      „Aber ja. Wissen sie, um so einen Abschlag aus der Küche heraus zu spielen, müssten sie einen verflucht guten Golfschwung haben, ein perfektes Muskelgedächtnis. Wissen sie, wie viele Informationen bei so einem Abschlag vom Gehirn an ihren Körper weiter geben werden müssen? Da muss jedes Rädchen ihres Körpers optimal ineinandergreifen. Da müssen sie mental total stabil drauf sein. Sie müssen im Moment leben, Schläger, Ball, Fairway, Green und ihr Kopf, alles muss zu einer Einheit verschmelzen. Wissen sie, manchmal glaube ich man müsste hier oben …“ dabei tippte Bernie sich an die Stirn „… so ein kleines Implantat einsetzen, was alles Überflüssige ausblendet und nur den Golfschlag steuert. Verstehen sie, eine Art Golfhirnprothese.“

      „Für so eine Prothese würde Bernie sogar mich verkaufen, stimmt’s Honey?“

      „Ist halt Golfer durch und durch dein Gatte.“

      Der Majorin war vor Schreck die Kinnlade herunter gerutscht. Bertie konnte sprechen und selbst Golfspieler träumten jetzt schon von so etwas, wie den Gottesmodulen. Ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter. Nicht das Modul war das gefährliche, sondern der Glaube an künstlich gesteuerte Perfektion oder die Delegation von Selbstbestimmtheit an ein Implantat.

      Sie nahm die Zeitung entgegen, die Kosmische Allgemeine Allerlei, eine Publikation, der eine gewisse Nähe zur Macht nachgesagt wurde, was sich häufig in der Formulierung: aus meist gut unterrichteten Kreisen verlautet, niederschlug.

      Bertie beobachtete über den Golfteil seiner Zeitung hinweg die Majorin. Er wurde aus der Frau nicht schlau und das beunruhigte ihn, denn normalerweise verfügte er über ein untrügerisches Gespür für andere Engel oder Humanoiden. Bertie hatte mit seinem Einfühlungsvermögen ein immenses Vermögen gemacht. Im Bergbau der Wüsten Zone war es ihm spielend gelungen soviel Reichtum zu schürfen, dass er jetzt über einen riesigen Minenkonzern, eine Transportraumflotte und etliche satte Medienbeteiligungen verfügte. Trotzdem zog er es vor unauffällig zu bleiben, denn er hing der Theorie nach, dass wahre Macht nur im Dunkeln gedieh, im hellen Licht der Öffentlichkeit löste sie sich auf, wie Frühnebel. Bescheiden und unauffällig reisen, die alltäglichen Geschäfte und die politische Schmutzarbeit seiner Stabsabteilung überlassen, Elsbeth möglichst ignorieren und Golfen, wann immer es ging, das waren seine Regeln. Doch die Majorin, die sich ihnen am Anfang der Reise mit Debora Zack vorgestellt hatte, entzog sich jeder Wertung. Besonders ihr einfacher, eleganter Habit mit grauer Kukulle und die grundlos dunkle Schneebrille, verunsicherten ihn und jetzt interessierte sich die Frau auch noch für Politik.

      „Debora darf ich sie fragen, was sie an Politik finden?“

      Die Majorin lächelte nachsichtig. „Gefallen, ich finde Gefallen daran zuzusehen, wie erwachsene Intelligenzen sich für Nichtigkeiten herumschubsen, ruinieren oder bis aufs Messer bekriegen.“

      „Garçon …“ Elsbeth wedelte schon wieder den Oberkellner herbei „… die Götterspeise schwimmt.“

      „Sehr wohl gnädige Frau, in Vanillesoße.“

      „Die Speise schwimmt nicht nur, sie säuft quasi ab.“

      „Flut, es ist Flut, bei Ebbe schaut mehr heraus.“

      „Gut dann nehmen sie die Flut wieder mit und bringen mir eine Götterspeise bei Ebbe.“

      „Sehr wohl gnädige Frau, aber da müssen wir noch etwas warten.“

      „Luise, Honey, hast du das gehört, man lässt uns warten.“

      „Ja, auf Ebbe.“

      Bertie senkte seine Zeitung, ein untrügliches Zeichen für seine Missbilligung.

      „Grummm … „sagte er und wandte sich wieder der Majorin zu „.. wissen sie, ich glaube Golf hat viel mit Politik zu tun.“

      „Man trifft sich im Freien wo einen so leicht keiner abhören kann und beschließt über Dinge, über die man öffentlich niemals reden würde. Meinen sie das, Bertie?“, erwiderte die Majorin.

      „Ach kommen sie, nehmen sie nur mal das große galaktische Golfturnier. Alle kommen hin die Rang und Namen in der Milchstraße haben. Sogar Saa-Tan kommt - inkognito.“

      „Weiß aber jeder, dass er kommt.“

      „Das gehört zum Spiel. Oder nehmen sie mal die Sieben vom Ausschuss. Gehen sich sonst sorgfältig aus dem Weg, aber beim Turnier treffen sie sich reden über dies und das und halten sogar Sitzungen ab, wie man munkelt.“

      „Im Geheimen.“

      „Na ja, immer noch besser geheim, als wenn Beschlüsse gar nicht gefasst werden und Jahrelang alles auf der Stelle tritt.“

      „Genau und um die Öffentlichkeit schon mal auf die zu fassenden Beschlüsse vorzubereiten, werden Artikel, Berichte, Nachrichten und Gerüchte laciert, damit es hinterher kein allzu großes Geschrei gibt.“

      Der Oberkellner war zurück an den Tisch getreten und tauschte mit herablassender Professionalität den Nachtisch aus. Dann beugte er sich zu der Majorin herab: „Madam, wenn sie sich nach dem Dinner noch einmal kurz an die Bar bemühen könnten? Ich habe das fragliche Rezept für sie herausgesucht, aber sicher möchten sie den Drink erst einmal probieren.“

      Das war der vereinbarte Code. Pierre hatte also Neuigkeiten für sie. Die Majorin war gespannt. Bertie gab das Gespräch noch nicht auf, er deutete auf die Zeitungsüberschrift. „Sie haben wahrscheinlich recht, würde mich nicht wundern, wenn die Putten mit ihrer Verwaltung der Erde unter Druck gerieten.“

      „Und warum würde es sie nicht wundern Bertie?“

      „Weil der Planet neben seinen Klugscheißern, jede Menge Potenzial hat.“

      „Potenzial für was?“

      „Geschäfte …“ mischte sich Elsbeth ein „wenn Bertie Potenzial sagt, meint er Geschäfte. Nicht Honey?“

      „Möglichkeiten, Chancen, Aussichten, damit meint dein Gatte immer Geschäfte. Einmal hat er sogar Partizipation am geschaffenen Mehrwert als Geschäft bezeichnet. Ich weiß nicht, wie er immer auf solche Sachen kommt?“

      „Grummm …“, warf Bertie ein und fuhr fort „… dieser Blaue Planet ist schon länger reif für eine ernsthafte Übernahme, aber die Traditionalisten im Ausschuss wehren sich schon länger dagegen etwas am Status quo zu ändern, dazu hat es in der Vergangenheit zu viel Ärger mit diesen Menschen gegeben.“

      „Und was würde die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuss, ihrer Meinung nach, kippen, Bertie?“

      „Wenn diese gefährlichen Irren versuchen würden ins Imperium zu kommen und anfangen sich einzumischen.“

      „Aber dafür sollen doch die Putten auf der Erde Sorge tragen, dass das nicht passiert.“

      „Eben, die Putten“, schnaubte Bertie verächtlich. Die Majorin schwieg nachdenklich und warf einen Blick in den Artikel: Gestern ist sind gegen Oberschwester Lula Liwuna, die oberste Vertreterin der Putten auf der Erde und hohe Repräsentantin des Ministeriums für Demut und Vergebung, schwere Vorwürfe erhoben worden. Wie aus meist gut unterrichteten Kreisen verlautet, wird den Putten der Sonderverwaltungszone vorgeworfen unter Liwunas Führung Experimente am Menschen durchgeführt zu haben, mit der Absicht Mutanten ins Imperium einzuschleusen, um Chaos zu stiften. Dahinter vermuten unsere Informanten den Plan der Putten, zum gegeben Zeitpunkt als Retter des Imperiums die Macht an sich zu reißen.

       Die so beschuldigte Oberschwester Lula Liwuna soll sich an Bord des galaktischen Postraumfrachters Hallig Öde, auf dem Weg zu Luzifers Lunte befinden, wo sie im zuständigen Ministerium für Demut und Vergebung Rechenschaft ablegen soll.

       Unsere Informanten sprechen vom Verdacht auf ein groß angelegtes Komplott.

       Scheinbar gibt es aufgrund der Vorwürfe auch schon erste Stimmen, die eine Neuorganisation der Verwaltung der Sonderverwaltungszone


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