Frauenvolle Morde. Martin Cordemann
Sache?“
„Nun, vielleicht die, dass Sie ihn umgelegt haben, diese Sache?“
„Ich habe ihn nicht getötet.“
„Das bleibt abzuwarten. Jedenfalls wäre das eine ziemlich bescheuerte Masche, mich dann hierhin zu rufen. Oder eine ziemlich geniale Masche. Oder einfach nur eine ziemlich nervige Masche. Was soll sich hier abgespielt haben?“
„Sagen Sie es mir.“
„Nein, Sie sind der Hauptkommissar, sagen Sie mir Ihre fachkundige Meinung zu diesem Fall.“
„Also schön. So wie das für mich aussieht, hat jemand eingebrochen und dann meinen Schwiegersohn ermordet.“
„Ist das so?“
„Ich würde sagen, so hat es sich abgespielt.“
„Ist irgendetwas gestohlen worden?“
„Nicht dass ich wüsste.“
„Jemand bricht ein, bringt Ihren Schwiegersohn um, nimmt aber nichts mit. Ziemlich gute Geschichte.“
„Erzählen Sie eine bessere!“
Ich sah mich um. „Aaaaalso“, murmelte ich, „die Verandatür ist offen, richtig?“
„Richtig.“
„Und so wie ich das sehe, ist sie sogar von außen eingeschlagen worden.“ Worauf die Glasspuren auf dem Teppich hindeuteten.
„So sehe ich das auch.“
„Wunderbar. Ähm, wann, sagten Sie, ist die Leiche gefunden worden?“
„Vor einer guten Stunde.“
„Nuuuuuun...“ Ich deutete auf die Schneespuren, Fußabdrücke, die sich von der Tür bis zur Leiche hinzogen, es hatte vorgestern geschneit und es war kalt genug, dass noch immer genug Schnee liegen geblieben war, wenn auch der Reiz des Neuschnees, der eh nur kurz nach dem Schneien erhalten bleibt, inzwischen verschwunden war. „...erklären Sie mir eins.“
„Was?“
„Naja, selbst ich weiß, dass Schnee mit der Zeit schmilzt und wenn diese Fußspuren da vom Mörder sein sollten und Sie die Leiche vor einer Stunde gefunden haben, dann muss er inzwischen noch mal reingeschaut haben, denn dafür, dass der Schnee hier vor einer Stunde rein getragen worden sein soll, ist es hier entschieden zu warm! Will sagen: er wäre inzwischen geschmolzen und wir hätten da ein paar hässliche Flecken auf dem Teppich.“
„Da haben Sie Recht.“
Ich sah ihn mit seufzendem Blick an. „Also?“
„Tja“, meinte er. „Sie sind wirklich gut.“ Er zog eine Pistole aus der Manteltasche. „Kronzucker sagte schon so etwas.“ Das war eine wirklich unangenehme Situation für mich, da ich meine Dienstwaffe sicher in meinem Schreibtisch eingeschlossen hatte. Ich saß also in der Falle und konnte mich mit dem Gedanken vertraut machen, innerhalb der nächsten paar Minuten erschossen zu werden – welche Überraschung zum Jahreswechsel. „Dann muss ich wohl mit der Wahrheit rausrücken.“
Dass die einem immer alles erzählen mussten, bevor sie einen umlegten. D.h., dann hatte ich noch eine Chance, weil, normalerweise erzählten sie einem alles, damit man dann am Ende doch als Sieger dastehen konnte – was es natürlich irgendwie unlogisch machte, dass sie einem vorher alles erzählten, aber wer war ich, dass ich die bewährten Schemata des Krimis kritisierte?
„Zigarre?“
Warum nicht, was hatte ich zu verlieren – außer meinem Leben, versteht sich? Ich nahm sie, biss ein Ende ab, spuckte es in den Raum... und stellte fest, dass es sich um Zigarren handelte, deren Ende bereits abgeschnitten war.
„Hmmmm“, meinte ich. Und: „Also... was...?“
„Sie haben sich mit den falschen Leuten eingelassen, Rhode. Haben den falschen Leuten ein paar Mal zu oft auf die Füße getreten.“
„Und?“
„Diese Leute wollen sich bei Ihnen dafür revanchieren.“
„Wollen sie das?“ Ich muss gestehen, dass ich angesichts meiner bevorstehenden Exekution vielleicht ein wenig wortkarg war. „Hmmmm.“ Mehr fiel mit im Moment nicht ein.
„Nehmen wir doch Platz.“ Er deutete auf die Sessel und wir schlenderten hinüber und machten es uns bequem, naja, jedenfalls so bequem wie man es sich machen kann, wenn man in eine 45er guckt. Oder eine 38er. Oder eine 32er? Ich kannte mich da nicht so aus. „Vielleicht einen Cognac?“
„Warum nicht?“ Dies war nicht eben die Zeit, mir das Saufen abzugewöhnen. Andererseits... „Muss ich damit rechnen, dass er vergiftet ist?“
Der Hauptkommissar, der mit Sicherheit keiner war, lachte. „Oh, selbstverständlich. Aber... warum sollte ich Sie vergiften?“
„Weil’s wahrscheinlich weniger Flecken hinterlässt als Ihre Kanone da.“
„Da haben Sie allerdings Recht. Es ist nur so: ich habe etwas anderes mit Ihnen vor. Da wäre Gift... störend.“
„Aha.“
Er reichte mir mit der einen Hand den Cognacschwenker, während die andere Hand unverändert seine Wumme auf mich richtete. Dann nahm er sein eigenes Glas, hob es und prostete mir zu: „Auf Ihr Wohl“, meinte er grinsend. „Sie scheinen langsam Ihren Humor zu verlieren.“
„Der hat heut dienstfrei.“ Ich deutete auf die Leiche. „Also was sollte diese Geschichte. Wollen Sie mir etwa den Mord an ihm in die Schuhe schieben? Und wo wir schon mal dabei sind, wie hat er eigentlich den Löffel gereicht?“
„Er wurde erschossen.“ Die Mündung der Pistole grinste mich an.
„Liegt nahe. Aus welchem Grund?“
„Wie Sie schon sagten, um Ihnen den Mord in die Schuhe zu schieben.“
„Wie soll ich an die Kanone gekommen sein?“
„Sie sind doch bei der Polizei.“
„Deswegen hab ich meine eigene Knarre auch sorgsam in meinem Schreibtisch eingeschlossen. Nein, damit kommen Sie nicht durch.“
„Glauben Sie.“
„Hmmmm.“ Ich nickte gewiss und nippte an meinem Cognac.
„Das werden wir ja sehen.“
„Falsch.“
„Bitte?“
„Sie werden das sehen. Ich werde dann ja wahrscheinlich schon tot sein, nicht wahr?“
„Da haben Sie Recht.“
„Also gut, nächster Punkt. Wer ist dieser Typ da? Jemand, den Sie einfach nur so aus dem Weg räumen wollten, oder hat der irgendwas mit mir zu tun?“
„Wie scharfsinnig Sie sind.“
„Das ist zwar sehr schmeichelhaft, aber es beantwortet meine Frage nicht.“
„Nun, welchen Grund sollten Sie wohl haben, diesen jungen Mann zu ermorden?“
„Tja, ich weiß nicht, sagen Sie es mir.“
„Vielleicht hat er sich an Ihre Freundin herangemacht?“
„Unwahrscheinlich.“
„Und warum das?“
„Weil ich keine Freundin habe, versuchen Sies noch mal.“
Das schien ihn ein wenig zu irritieren – womit wir schon zwei wären.
„Vielleicht...“ Er schien nachzudenken.
„Na, sehr fundiert ist das hier ja nicht gerade! Ich hatte angenommen, Sie hätten sich auf diese Sache ein bisschen besser vorbereitet!“ Im Film wäre dies der Moment gewesen, ihn zu überwältigen. Aber vielleicht konnte ich ihn so lange zu labern, bis er aufgab. „Also,