Frauenvolle Morde. Martin Cordemann

Frauenvolle Morde - Martin Cordemann


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Prosser!“

      Das sagte mir rein gar nichts.

      „Im Moment Ihr Vorgesetzter!“

      Das sagte mir etwas, nämlich: Arschloch!

      „Kann ich irgendwas für Sie tun?“

      „Machen Sie Ihren Dienst. Ich werde melden, dass Sie im Dienst getrunken haben. Beten Sie, dass heute Nacht nichts Ernstes passieren wird!“

      Damit rauschte er raus und knallte die Tür zu.

      „Mann“, murmelte ich, „ich hasse Silvester!“

       für Marc Jaschik

      Frauensache

      Irgendwann kommt in der Laufbahn eines jungen Polizeidetektivs der Zeitpunkt, an dem seinem Autor einfach nichts anderes einfällt und er einen neuen Partner bekommt. In meinem Fall war es zwar mehr neu, dass ich überhaupt einen Partner bekam, aber im Endeffekt hatten wir damit genau das erreicht, was neuen Schwung in eine alte Serie bringen sollte und wenn sich diese Figur dann als populär herausstellen sollte, konnte man immer noch für sie eine eigene Serie, einen Ableger, kreieren. Was das für das richtige Leben bedeutet ist mir zwar schleierhaft, aber im Bereich des Fernsehens liefen die Dinge augenscheinlich in diesen Bahnen.

      Während ich also noch damit beschäftigt war, Holmes Ausführungen betreffs der Napoleonbüsten zu verfolgen (wie jeder gewitzte Leser des 20. Jahrhunderts war mir natürlich klar, dass sich in den Figuren etwas befunden haben musste, weswegen sie alle zerschlagen und damit durchsucht worden waren, aber was man nun darin verborgen hatte, blieb dem Leser stets bis zu Holmes Aufklärung verborgen), als es ohne anzuklopfen an meiner Tür klopfte, wie immer sich dies auch gestalten mochte. Gewarnt landete das Buch auf dem Tisch, meine Füße auf dem Boden und mein Drink in meiner Schreibtischschublade.

      „Das ist Harry Rhode“, erklärte mein Chef, Herr und Gebieter Kronzucker einer jungen Dame. Sollte man sich doch endlich dazu durchgerungen haben, mir eine Sekretärin zuzubilligen? Und wenn, was sollte sie dann schreiben? Sekretärinnen mussten nicht immer schreiben... Aber das war sexistisch, machohaft und frauenfeindlich, also okay für mich. Wenn sie nichts zu tun hatte und auch keine Affäre mit mir wollte, konnte sie immer noch meine Romane sauber abtippen. Angesichts dieser Sachlage erhob ich mich.

      „Herr Rhode?!“ Lächelnd gaben wir uns die Hand, das musste man dem Chef lassen, sie war genau mein Typ.

      „Sehr richtig!“ murmelte ich.

      Sie sah sich in meinem Büro-über-das-immer-wieder-zu-sagen-wie-unzutreffend-ich-diese-Bezeichnung-finde-meine-Lust-von-Mal-zu-Mal-mehr-abnimmt um. „Naja, sehr ansprechend ist es ja nicht gerade eingerichtet.“

      „Vielen Dank!“

      „Aber das bekommen wir hin“, meinte sie. Also eine Sekretärin mit eigenem Willen, was das Aussehen meines Büros-oder-wie-immer-man-das-auch-bezeichnen-wollte anging. Ob das als gutes Zeichen gewertet werden konnte? „Könnte etwas eng für uns beide werden!“ Nun horchte ich auf. Naja, gut, warum sollte sie nicht hier sein...

      „Harry!“ Kronzucker nahm mich beiseite. „Frau Fischer wird eine Zeitlang...“

      Ich nickte. „Okay.“

      „Nein, äh, sie ist... eine Polizistin!“

      „Aha.“ Nun hatte selbst ich begriffen, was man dem Leser schon im ersten Absatz begreiflich gemacht hatte. „Sie wollen sagen, sie ist...“

      „Ihr neuer Partner! Tut mir leid, Harry, aber ich wusste nicht, wem ich sie sonst hätte anvertrauen können...“

      „Ist schon gut.“

      „Zeigen Sie ihr alles, machen Sie einen guten Eindruck, naja, Sie wissen schon.“

      Es sah danach aus, als würde ich empfindlich in meiner Ruhe gestört werden werden.

      Aufmerksam betrachtete mich Frau Fischer.

      „Tja, herzlich willkommen!“ sagte ich zu ihr, während sich Kronzucker unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand davonstahl. Ich deutete auf meinen Besucherstuhl. „Ähm, Sie können den da nehmen.“

      „Warum kann ich nicht Ihren nehmen?“ fragte sie keck.

      „Weil es mir auf die Dauer zu schwer werden würde, wenn Sie den ganzen Tag auf meinem Schoß sitzen.“

      „Sie könnten ja auf meinem sitzen“, schlug sie bissig vor.

      „In dem Fall akzeptiere ich!“

      Eine Wutfalte zeichnete sich in ihrem linken Mundwinkel ab. Was hatte man mir da ins Nest gelegt?

      „Sie mögen Frauen nicht, stimmt’s?“

      „Wie spät ist es jetzt?“

      Sie sah auf ihre geschmackvolle Armbanduhr. „8 Uhr 27.“

      „Um diese Zeit mag ich Frauen nicht!“ Um diese Zeit mochte ich niemanden, um genau zu sein. Ich ließ mich in meinen Sessel fallen.

      „Sie könnten mir etwas anbieten.“

      „Einen Kaffee?“

      „Ich nehme einen.“

      „Ich nicht.“

      „Was?“

      „Ich trinke keinen Kaffee, also wäre es ein wenig vermessen, wenn ich Ihnen einen anbieten, mir selbst aber keinen mitbringen würde, oder?“ Ich war mir nicht sicher, ob vermessen da der richtige Begriff war, aber es wäre zumindest ungewöhnlich gewesen. Wenn sie einen Kaffee wollte, sollte sie sich doch einen holen, aber man konnte ja wohl kaum erwarten, dass ich hier ihren Kellner geben würde.

      „Ich trinke auch gerne Tee.“

      „Schön für Sie!“ Musste ich ihr jetzt erklären, dass ich kein besonderes Interesse – oder kurz: keins! – an heißen Getränken hatte? Ich tat es, nur um sicher zu gehen.

      „Soll ich Ihnen vielleicht einen holen?“ fragte sie gereizt.

      Was hatte ich denn gerade gesagt?

      „Ich mag keine heißen Getränke“, wiederholte ich langsam und der Sache ein wenig müde werdend.

      „Ach, so einer sind Sie!“

      „Ja.“ Als ob es „so welche“ gab. Man trank entweder Kaffee oder Tee, aber es gab kaum jemanden, der nichts davon trank, außer mir, weshalb es unwahrscheinlich war, dass ich „so einer“ war, weil es außer mir scheinbar nicht viele davon gab… und es unwahrscheinlich war, dass sie die anderen kannte.

      „Sie sind wohl nicht sehr gesprächig!“

      „Nicht um die Zeit.“

      Ihr Blick verfinsterte sich, als hätte ich sie damit persönlich beleidigt. Nicht genug damit, dieses mein Büro-das-weder-meins-war-noch-ein-ebensolches-und-bei-dem-diese-Litanei-immer-störender-wird überhaupt benutzen zu müssen, nein, man hatte mir auch noch sehr wahrscheinlich eine hochnäsige, sich selbst überschätzende, arrogante Feministin, mit anderen Worten mein absolutes weibliches Feindbild angedreht. Mit besagter Wutfalte setzte sie sich grazil in den Besuchersessel und ließ den Blick schweifen.

      „Sherlock Holmes? Finden Sie es richtig, während ihrer Arbeitszeit zu lesen?“

      „Das ist Fachliteratur!“ Was wollte sie eigentlich? Gerade von der Polizeischule und schon wollte sie mich auf alle meine Fehler, die mir selbst gut genug bekannt waren, aufmerksam machen.

      „Sie sind... unrasiert!“ Stellte sie fest.

      „Sie doch wohl auch!“

      „Wollen Sie mich verärgern?“

      „Wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt. Frau Fischer, Sie... sind von der Vermisstenabteilung hierher versetzt worden?!“


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