Promise. Sarah L. R. Schneiter
„Wenn man Stanleys Raumfahrergarn glauben darf, schießt der Typ auf alle, die er nicht leiden kann. Und es ist fraglich, ob er dich mag.“
Natala schlaubte, halb amüsiert, halb fatalistisch. „Ach, der alte Pessimist Stan übertreibt immer, Marco ist vernünftig.“
Anaata unterbrach das Gespräch. „Wenn wir unten sind, verabschiede ich mich mal für drei, vier Stunden, ich muss noch was erledigen.“
„Ich will’s gar nicht wissen. Versuch diesmal ausnahmsweise weniger Aufmerksamkeit zu erregen, das letzte Mal war’s ziemlich knapp mit der Horde Polizisten, die dich verfolgt hat.“
„Werde mir Mühe geben.“ Anaata zündete sich eine Zigarette an und entschwand in Richtung ihrer Kabine. Die folgende Stille wurde von einem summenden Geräusch unterbrochen, als die Landestützen ausgefahren wurden, gefolgt von einem sanften Rumpeln, als der Frachter auf dem sandigen Boden des Wüstenplaneten aufsetzte.
Die ganze Crew hatte sich im mit unzähligen Frachtboxen vollgestellten Laderaum versammelt, als Natala die Rampe öffnete, die unter der Brücke lag. Das helle Licht Tenowias fiel durch einen grösser werdenden Spalt ins Innere der Promise und blendete die sechs Reisenden. Auch nach all den Jahren an Bord der Promise fand Natala diesen Moment, wenn sie nach wochenlanger Fahrt durch den Raum die Sonne blendete, jedes Mal etwas Besonderes, beruhigend und seltsam befremdlich zugleich. Sobald man lange genug mit einem Sternenschiff unterwegs war, auf ihm wohnte, konnte es nur allzu rasch geschehen, dass einem der Aufenthalt auf einem Planeten ungewohnt erschien.
Mittlerweile war auch der Mechaniker Sven zu der kleinen Gruppe getreten; der Vierzigjährige war in Jeans und einem alten Hemd gekleidet und mit seinen muskulösen Armen hielt er bereits den Laserschneider und einen Werkzeugkasten bereit, um die Promise wieder zusammenzuflicken.
Die bunt zusammengewürfelte Crew trat in den grellen Mittag von Tenowia City hinaus. Sie waren in einem der zahlreichen kleinen Raumhäfen gelandet, die mitten im Arbeiterviertel der Stadt lagen. Der Boden des Landefelds, über dem die Luft von der trockenen Hitze bereits flimmerte, war teils von Sand bedeckter abgenutzter Beton und wurde von einer hellbraunen Sandsteinmauer begrenzt. Wie auf vielen Randwelten wirkte alles, als hätte es schon bessere Zeiten erlebt.
Anaata erklärte entschieden: „Eine schreckliche Welt, überall liegt Kameldung und hinter jeder Straßenecke will dich einer abmurksen.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie wesentlich besser gelaunt hinzu: „So, ich bin mal weg, bis später.“
Stanley winkte ihr zum Abschied, dann wandte er sich zu den anderen um, die um das Schiff versammelt waren, um sich den Schaden zu besehen. Es fehlte nicht mehr viel, bis die Promise ein Jahrhundert hinter sich hätte, worauf ihre für die Zeit ungewöhnliche Form schließen ließ. Das längliche Schiff war eckig mit vielen abgeschrägten Kanten, die Brücke thronte zuvorderst als höchster Teil über dem Rest der Konstruktion. Zuhinterst war durch einen schmalen Verbindungsgang ein zweites, viel kürzeres Segment angeschlossen, in dem der Maschinenraum lag und außen die Triebwerke befestigt waren. Obwohl die abgenutzte Außenhülle matt im grellen Sonnenlicht schimmerte und man ihr das Alter ansah, gefiel Natala der Anblick jedes Mal, wenn sie vor ihrem Sternenschiff stand.
Der eher klein gewachsene Mechaniker war eben um den Frachter gegangen und hatte sich die Triebwerke besehen. Natala konnte gut erkennen, wie einer der verstrebten Stahlträger, der das Triebwerk halten sollte, gebrochen und verbogen war; sie trat neben Sven und gestikulierte auf den Schaden. „Wie um alles in der Galaxis ist das denn passiert?“
Mit einem Seufzen stellte er sein Werkzeug ab. „Das Ding ist antik, scheint Abnutzung zu sein, ein Haarriss der langsam gewachsen ist. Wenn mir jemand hilft, habe ich das in ein paar Stunden erledigt.“
Sie wandte sich zu Dan um, der murrte: „Na gut, ich mach’s; doch nur, weil mir Tenowia geschenkt bleiben kann. Und behaltet bitte im Kopf, dass ich eigentlich Pilot und alles andere als stark bin, ja?“
„Großartig, klar!“ Natala wusste, wie sehr Dan die brennende Sonne hasste und war deshalb umso mehr froh darum, seine Hilfe zu haben. Als Sven einen Hoverstapler zum Triebwerk schob, fuhr sie an Stanley und Nani gewandt fort: „Bald sollte unser Kunde kommen und seine Kisten abholen. Das läuft sicher gut, schließlich ist er nur ein kleiner Händler, der Alkohol verkauft.“
„Das wird schon klappen“, stimmte ihr Stanley zuversichtlich zu. „Meine Sorge ist eher Marco, ich hoffe, der ist gutgelaunt.“
„Hast du nicht letzthin erzählt, du hättest auf Tenowia eine Freundin, Affäre oder sowas?“, wechselte Nani das Thema.
„Genau, Carmen. Aber die hat gesagt, sie habe in den nächsten Tagen keine Zeit, also werde ich sie wohl kaum sehen. Das kommt davon, wenn man was mit einer Hehlerin hat, die sind ständig am Arbeiten.“
Bevor Nani etwas erwidern konnte, schwebte ein alter Hovertruck mit einem summenden Geräusch, das ziemlich stotternd klang, auf das Landefeld; ihr Kunde war da.
Die Übergabe ihrer Fracht, ein paar Dutzend Kisten mit geschmuggelten Wodkaflaschen, hatte eine halbe Stunde gedauert und war problemlos über die Bühne gegangen. Tatsächlich war der Gauner, mit dem die Crew der Promise Geschäfte gemacht hatte, ein für sein Metier sehr angenehmer Verhandlungspartner gewesen und seine Leute hatten die Fracht rascher verladen, als es auf Randwelten üblich war. Eben war der alte Truck in die Mittagshitze der Wüstenwelt davongeschwebt und nun standen die drei Schmuggler vor ihrem Schiff. Natala gähnte, obwohl ihr die Hitze bislang wenig zusetzte, wurde sie davon müde, doch sie sagte entschieden: „Das wäre erledigt, also machen wir drei jetzt den neuen Deal. Ich hoffe, alle sind wach genug, um auf jemanden zu schießen.“
Stanley und Nani folgten ihr zum Ausgang des Raumhafens; die ganze Anlage wirkte, als ob vor vierzig Jahren das letzte Mal etwas repariert worden war. Natala wusste aus Erfahrung, dass dies für die Stadt sogar eines der repräsentativeren Landefelder war. Tenowia IX, der neunte und einzige bewohnte Planet des Systems, war eine typische Randwelt, dünn besiedelt und arm, außerdem kein Mitglied der Vereinten Systeme, daher ziemlich lasch bei der Durchsetzung von Gesetzen. Tenowia war ein beliebter Umschlagplatz für Schmuggler, ebenso ein Tummelplatz für Hehler, Schleuser sowie Verbrecher jeder Couleur und Natala war in ihrer kriminellen Laufbahn schon häufiger auf dieser Welt gelandet. Insbesondere als Schmuggler kam man um den Planeten kaum lange herum, wenn man in diesem Sektor arbeitete. Das Problem dabei, auf Tenowia Deals zu machen, war, wie leicht es geschehen konnte, dass man, bevor man sich versah, mit einem Loch im Kopf in der schier endlosen Wüste verscharrt wurde, welche die Hauptstadt in alle Richtungen umgab. Feinde konnte man sich hier viel schneller machen als Freunde und dieselben laschen Gesetzeshüter, die einem ermöglichten, alle zwielichtigen Deals abzuwickeln, kümmerten sich genauso wenig darum, wenn man dabei umkam. Daher war Natala froh, Stanley und Nani dabeizuhaben; ihr bester Freund war ein erfahrener Schmuggler, skeptisch genug um Gefahr bereits zu riechen, bevor etwas geschah und sie eine risikobereite Ex-Soldatin, die alles traf, auf das sie eine Waffe richtete.
Sie traten auf die Hauptstraße hinaus, deren Boden noch schlechter aussah als der vom Landefeld. Überall priesen Markthändler lautstark ihre Waren an verwitterten hölzernen Ständen an, über die Kraftfeld-Sonnenschirme oder weiße Segeltücher gespannt waren. Sie boten alles feil, was es zu kaufen gab, von Nahrungsmitteln und kühlen Getränken über Kleidung bis hin zu Maschinenteilen und Alkohol. Der Geruch nach gebratenem Fleisch sowie Gemüse lag in der windstillen Luft, mischte sich mit dem Duft verschiedener Kräuter und Räucherstäbchen. Die Einheimischen waren mehrheitlich in helle, weite Umhängen gekleidet, was sie von den Reisenden unterschied, die auf vielen Welten und vor allem an Bord eines Schiffes praktische Outfits trugen. Natala konnte Pferde und Kamele in den Straßen erkennen, manchmal auch einen alten, rostigen Flitzer. Trotz dem Getümmel und der Hitze unter stahlblauem Himmel durften sie keinesfalls an Wachsamkeit nachlassen, da sie hier bereits einige Feinde angehäuft hatten; Natala hegte den Verdacht, manch einer davon würde auf der Stelle den Blaster ziehen, um sie auf offener Straße niederzumachen.
Nach etwa einer Viertelstunde Fußmarsch waren sie bei dem Ladenlokal ihres Kunden, einem Mann namens Marco, angelangt. Es sah aus wie die meisten Häuser in dem heruntergekommenen Viertel: Ein einstöckiger