Geschäft ist Krieg. Sven Kyek

Geschäft ist Krieg - Sven Kyek


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könnten sich meine Kosten schon auf 600.000 Mark belaufen. Jedoch hätte mich in meiner finanziellen Situation auch dies nicht arg beuteln können. Und mit einer Entscheidung des BGH war vor Ende 1999 sowieso nicht zu rechnen.

      So trat die Auseinandersetzung mit der Bank auch einstweilen wieder in den Hintergrund.

      Ich war zur Genüge mit meiner Arbeit und der Börse beschäftigt. Es ging aber auch darüber hinaus: Eines Tages hörte ich im Radio, daß in Amerika ein reger Handel mit Domain-Namen für Internetadressen ausgebrochen sei.

      Leute ließen sich bestimmte Namen schützen und im Glücksfall konnten sie diese sogar für mehrere Millionen Dollar bei ebay versteigern.

      So ließ ich mir beim Marken- und Patentamt den Namen 'car-yoo.com' schützen. Mein Börsenprofi setzte den Domainnamen bei ebay USA in die Versteigerung, und zwar mit dem Startpreis von einer Million Dollar. Wir bekamen sehr viele E-Mails aus der ganzen Welt und ich rannte von Übersetzer zu Übersetzer und hoffte, es wäre von einem potentiellen Käufer. Zur gleichen Zeit hatte ich im „Handelsblatt“ eine Anzeige geschaltet, in der ich meine 180000 Aktien von Fokker zum Verkauf angeboten habe. Auch hier rief ein Beauftragter eines indischen Geschäftsmannes an, der angeblich Interesse hatte. Am Ende verliefen beide Aktionen leider erfolglos.

      Aber ich wollte nichts unversucht lassen um Geld zu verdienen, mit dem ich so bald wie möglich meine Kredite abzahlen konnte. Auch Doreen war natürlich noch da. Aber peu a peu nahm ich mir auch von der Zeit mit ihr wieder mehr für meine Arbeit zurück. Statt 18.30 Uhr wurde es jetzt immer öfter 19.30 oder 20 Uhr, bis ich abends nachhause kam. Und aus Samstagmittag wurde schon mal der ganze Tag.

      Um dem entgegenzusteuern und weil wir in der ganzen Zeit, in der wir zusammen waren, das erwähnte Casinowochenende unser einziger Ausflug war, beschlossen wir, daß ich in der Woche arbeiten kann, soviel ich will bzw. muss, und wir dafür die Wochenenden für gemeinsame Unternehmungen nutzen.

      Um meiner Mutter etwas Gutes zu tun, die ja seit dem Tod meines Vaters 1987 alleine lebte, spendierte ich ihr eine Woche am Timmendorfer Strand. Doreen und ich brachten sie dorthin und auch wir blieben für ein Wochenende da.

      Bei einer kleinen Rundfahrt sahen wir ein Gebäude mit einem Schriftzug, der uns beide gemeinsam, zum Lachen brachte:

      „CASINO“ !

      Wir sahen uns an und wussten, was zu tun war. Die schuldeten uns noch was. Wir brachten unsere Sachen ins Hotel und es ging los. Hier war es noch interessanter – man könnte auch sagen, noch bizarrer – als in Warnemünde. So spielten etwa ältere Damen, behängt mit Schmuck wie kleine kostspielige Weihnachtsbäume, mit einzelnen Einsätzen von mehreren tausend Mark. Als wir Sonntagabend nachhause fuhren, ging nichts mehr. Die Limits unserer Kreditkarten waren erreicht und das Bargeld war ausgeschöpft. Frustriert fuhren wir nach Hause – der Lachkrampf stellte sich diesmal nicht ein.

      Im Nachhinein glaube ich, daß sich das Ende unserer Beziehung schon hier deutlich abzeichnete.

      Die kommenden Monate fuhren wir alle Casinos in Berlin, Hamburg, Travemünde und Schwerin an. Es war wie eine Flucht aus dem Alltag, in dem ich mich wie noch nie zuvor in meine Arbeit stürzte.

      Wenn ich spät heim kam, gab es kaum noch Gespräche zwischen uns. Ich wollte abschalten und oft fuhren wir gegen 20 Uhr auch in der Woche nach Schwerin ins Casino und spielten, bis um 1 Uhr geschlossen wurde. Zwischenzeitlich hatten wir zum Glück vom Roulett abgelassen und uns auf Spielautomaten 'spezialisiert'. Doreen hatte ihr gesamtes Geld schon lange verspielt und saß stundenlang neben mir. Für mich war das Geld kein Problem. Die Firma warf genug ab und die Gewinne an der Börse stiegen. Das Spielen im Casino war das Einzige, was uns noch aneinander band. Doreen hat die Atmosphäre und die Dramaturgie unserer Abende bzw. Nächte in den Spieltempeln genauso fasziniert wie mich. Wir haben gewonnen und verloren. Manchmal, wenn wir am Samstagnachmittag in Schwerin spielten und kein Glück hatten, sind wir abends nach Berlin gefahren, um am Potsdamer Platz weiterzumachen. Unser Spiel am Timmendorfer Strand war nicht das letzte Mal, daß wir so lange gezockt haben, bis wir keinen Pfennig mehr in der Tasche hatten. Einmal sind wir in den Morgenstunden beinahe nicht mehr aus dem Parkhaus gekommen, weil wir die Parkgebühren nicht bezahlen konnten. Wenn ich nicht zufällig noch DM 10,00 im Auto gefunden hätte, wären wir wohl betteln gegangen.

      Ich hasste mich für meine Idiotie und zweifelte immer mehr, daß Doreen die richtige Frau ist. Sie saß stundenlang völlig konzentriert und begeistert neben mir und sah zu, wie ich einen Hunderter nach dem anderen in den Automaten schob.

      Natürlich gab es auch Höhepunkte. Mal gewann ich 5.000, mal 10.000 Mark und einmal sogar noch mehr. In der Regel aber verbrannten wir bei einem Casinobesuch zwei- bis dreitausend Mark und fuhren in den Morgenstunden wortlos und verbittert nach Hause.

      Zu dieser Zeit war ich sicherlich spielsüchtig. Während des Spielens vergaß ich den gesamten Stress der Woche und den jahrelangen Raubbau an meinem Körper. Erst auf den Rückfahrten in den Morgenstunden hielt der Realitätssinn wieder Einzug in mich: Wut auf mich! Wut auf Doreen, die das Ganze ja begleitete. Insgesamt verspielten wir in anderthalb Jahren fast 300.000 Mark!

      Es reichte mir vollständig.

      Ich sah in Fernsehberichte über Spielsucht, wie Professoren, Doktoren und Unternehmer alles verspielten und zwar mehrere Millionen Mark, ganze Firmen gingen Pleite. Wie es mir gelungen ist, mich davon zu lösen, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen.

      Es war wohl meinem Ehrgeiz geschuldet, der Aversion gegenüber der Vorstellung, meine Firmen- und Börsengewinne mithilfe von Spielautomaten vernichten zu können.

      Auch das Auseinanderleben mit Doreen hat wohl dazu beigetragen, daß ich ziemlich prompt ohne ärztliche Hilfe und ohne Rückfall aus der ganzen Sache herausgekommen bin.

      Daß es mit Doreen zu Ende war, hätte ich wissen müssen, als sie nach dem abrupten Abbruch der Casinobesuche in der Woche abends bis spät zum Fitness ging und sich am Wochenende mit verschiedenen Bekannten traf, von denen ich nicht nicht mal wissen wollte, um wen es sich handelte.

      Ich selbst jagte wie immer zwischen Baustellen in ganz Norddeutschland hin und her. In den ersten Jahren bekamen wir auch viele regionale Aufträge. Dies hatte inzwischen stark nachgelassen. Anfangs verschwanden nur Firmen, deren Inhabern man eine Selbstständigkeit ohnehin nicht zugetraut hat. Mittlerweile ging es aber auch den Arrivierten an die Substanz.

      Als ehemaliger exzellenter Schüler der „Staatsbürgerkunde“ habe ich mich intensiv mit dieser Misslage auseinandergesetzt. Im Bundestagswahljahr 1998 erhoffte ich mir, aus welchen Gründen auch immer, viel von der SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder. Ich sah Schröder im Fernsehen bei Gesprächen mit Wirtschaftsbossen witzige Sprüche dreschen und Siebzig-Mark-Zigarren rauchen. Er imponierte mir.

      Am Wahltag fuhr ich mit Doreen zum Wahllokal und bat sie, ihr Kreuz zu Schröders Gunsten zu machen. Ich selbst ging gar nicht wählen. Das war vielleicht eine Vorahnung.

      Jahrelang wurde über den Bau eines TRANSRAPID zwischen Hamburg und Berlin debattiert. In meiner Stadt sollte gegebenenfalls das Wartungswerk entstehen. Die Trasse war bereits abgesteckt und es wurden sogar schon Probebohrungen durchgeführt.

      Von diesem Projekt hätten wir alle profitieren können, das hatte ich über Jahre eindrucksvoll mitbekommen. Egal, ob es sich um Gasleitungen, Erneuerungen im Schienennetz oder Hochspannungsmasten handelte, wann immer solche Bau-maßnahmen durchgeführt wurden, waren unsere Leute vor Ort und schweißten rund um die Uhr oder lieferten Stahlteile.

      Zusätzlich brachten die Baufirmen ihre Fahrzeuge in unsere Werkstätten zur Reparatur.

      So hoffte ich für einige Jahre auf den Baustart zur Transrapidstrecke. Bis zum damaligen Zeitpunkt hatte ich schon etwa 7.000.000 Mark in Werkstattgebäude, Ausrüstungen und Fahrzeuge investiert.

      Wir hatten den „großen Eignungsnachweis“ als Schweißfachbetrieb und die Zertifizierung nach ISO 9002 erreicht. Es konnte losgehen...

      Nachdem Schröders SPD gewählt wurde, stand er – ich sehe ich ihn


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