Geschäft ist Krieg. Sven Kyek

Geschäft ist Krieg - Sven Kyek


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Firmen- und Börsengewinne verbuchte, erstarrte er beinahe in Ehrfurcht. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte er sich zum knallharten Profi und leistete eine höchst präzise, oftmals übergebührliche Arbeit, weil er das meiste selbst machte und kontrollierte. Angefangen hat er mit einer Mitarbeiterin und von Monat zu Monat kamen weitere dazu.

      Auch ich hatte personell aufgestockt. Die ständig größer werdenden Aufträge, die natürlich auch höhere Ansprüche an Kalkulation, Abwicklung und Abrechnung forderten, zehrten doch mächtig an mir. Nebenbei hatte ich ja auch regelmäßig zwölf bis fünfzehn, manchmal sogar zwanzig Werte in meinem Wertpapierdepot zu verwalten.

      Wenn ich in Berlin von einer Baustelle losfuhr, telefonierte meistens nonstop, bis ich in Hamburg bei der nächsten Baustelle ankam: Über Realtime Kurse abfragen, mit meinem Anlageberater Strategien diskutieren, kaufen und verkaufen!

      So kam ich zu vierstelligen Telefonrechnungen.

      In Folge dieser Ausmaße machte ich mich dann zum wohl einzigen Landmaschinenschlosser weltweit, der einen Anlageprofi beschäftigt hat, um ihn alleinig für den Eigenhandel mit Aktien und Optionsscheinen in Anspruch zu nehmen.

      Ich warb Herrn Mettenburg der Deutschen Bank ab. Er war dort der Leiter der Anlageabteilung gewesen. Ich kaufte zwei große leistungsstarke Rechner, zwei große Monitore, richtete ihm ein Konto ein und ließ ihn via Internet arbeiten.

      Recherchieren, kaufen, verkaufen.

      So hoffte ich meinen Kopf etwas frei zu kriegen, um dem Dauerstress nicht irgendwann zu erliegen. Gemeinsam untersuchten wir den Markt in Deutschland, in den USA und in Asien.

      Zum Jahresende hatten wir gutes Geld verdient.

      Den Hauptgewinn fuhr aber ich ein. Ich kaufte im Juli für 150.000 Mark Optionsscheine auf den Internet-Dienstleister Yahoo und verkaufte diese im November für 370.000.

      An Mut und Selbstvertrauen fehlte es mir nicht...

      Unsere Baustellen liefen hervorragend. Alle Aufträge waren versichert. Unsere Auftraggeber waren namhafte Konzerne.

      Die PKW- und LKW-Abschleppwagen waren ununterbrochen im Einsatz. Die Fahrzeugwerkstätten waren ständig voller Kundenfahrzeuge.

      Irgendwann im Sommer 1998 fuhren mein Steuerberater, seine Frau, Doreen und ich ein Wochenende zur Ostsee.

      Mein erster richtiger Ausflug seit vielen Jahren.

      Und dann noch über Nacht, in ein Hotel. Nach Stadtbummel, Strandspaziergang, ausgedehntem Abendessen und Kneipentour gingen wir in die Bar im obersten Stock des Hotels Neptun in Warnemünde. Ich weiß heute nicht mehr, wer es zuerst gesehen oder wer die Idee hatte.

      Nebst der tollen Aussicht lag direkt vor unseren

      Augen ein prächtiges Gebäude mit Leuchtreklame:

      „CASINO“...

      Nach Mitternacht sind wir zu viert raus aus dem Hotel und rein in die Spielhölle. Ich, der ich nur wusste, wie Arbeit und Börse funktioniert, hatte bis dahin lediglich mal Lotto gespielt.

      Aber ich war schwer beeindruckt.

      Meine Kleidung waren immer Jeans und T-Shirt, obwohl ich Gesellschafter und Geschäftsführer eines mittelständischen Betriebes war, legte ich keinen Wert auf teure Anzüge und aufälliges Erscheinungsbild.

      Aber hier stand ich genau dem gegenüber. Elegante Frauen und Männer an Spieltischen, geschäftiges Tun – als sei es Arbeit, dachte ich.

      Wir teilten uns auf, nachdem wir Geld in Jetons getauscht hatten. Doreen blieb bei mir.

      Da wir vom Spielen wenig bzw. keine Ahnung hatten, beobachteten wir erst eine Weile und versuchten diesen oder jenen Spieler am Roulettetisch zu fragen.

      Die meisten waren aber so konzentriert und angespannt, daß sie gar nicht reagierten. Nach einer Weile fingen wir dann an, zaghaft zu setzen.

      Erst mal nur auf Rot oder Schwarz später auf Zahlen oder Kombinationen. Nach zwei Stunden wollten die anderen Beiden ins Hotel.

      Doreen und ich blieben noch...

      Sie war eben anders als die meisten anderen Frauen und hatte genau wie ich Spaß an der Sache gefunden. Zu diesem Zeitpunkt sprach auch noch überhaupt nichts dagegen, daß wir zwei Börsengurus mit einem dicken Mercedes vor der Tür und Konten voller Geld uns ein wenig amüsieren.

      So blieben wir bis zum frühen Morgen. Das Spielen zog mich mehr und mehr in seinen Bann. Kein Gedanke an verzinkte Geländer, Kassenbücher, Aufträge oder Mitarbeiter. Es war eine andere Welt.

      Wir gewannen mal hundert Mark, um sie gleich wieder zu verlieren. Am frühen Morgen, das Casino wurde geschlossen, waren die 600 Mark, die wir dabei hatten, weg. Aber es tat nicht weh. Wir lachten und hatten sehr viel Spaß. Den beiden anderen erzählten wir natürlich, daß wir gewonnen hätten.

      Insgeheim waren wir aber längst beschäftigt mit unserem Plan, uns das Geld natürlich zurückzuholen. Als Sonntag die Abreise anstand, redeten wir uns raus: Die beiden sollten doch ruhig schon losfahren, wir hätten noch etwas zu tun.

      Ich hatte die 1.000 Mark, die ich nach Warnemünde mitgenommen hatte, für Übernachtung, Essen und Casino ausgegeben.

      Kredit- und EC-Karten hatte ich zuhause. Als Eigentum eines Arbeitstiers wurden sie auch nie gebraucht. Doreen aber hatte eine EC-Karte dabei und holte 1.000 Mark ab.

      Wie zwei Kinder am Heiligabend warteten wir vor dem Casino, bis geöffnet wurde. Es sollte alles ganz schnell gehen. Doreen blieb im Auto sitzen.

      Ich lief schnell rein, stellte mich an einen der Spieltische und tauschte das Geld. Etwa zwei Minuten beobachtete ich das Geschehen und setzte dann ALLES auf Rot.

      Dann schloss ich die Augen und hörte die Kugel rollen. Es war für mich sicher, daß ich den Verlust der letzten Nacht zurück bekommen und noch 400 Mark gewinnen werde. Anders! Es fiel Schwarz.

      Mit versteinertem Gesicht ging ich raus und setzte mich zu Doreen ins Auto und fuhr, ohne ein Wort zu sprechen, los. Ich brauchte ja auch nichts zu sagen. Sie sah mir an, daß ihre 1.000 Mark weg waren.

      Nach einer halben Stunde wortloser Autofahrt, wir waren gerade auf der Autobahn, sahen wir uns an und fingen an zu lachen. Fast wortgleich sagten wir: „Das holen wir uns zurück.“

      Da ich nicht verlieren kann, setzte ich gleich alle Energie daran, mit Arbeit und Börse mehr Geld zu verdienen, als wir verloren hatten. Allerdings taten mir die Kosten dieses Wochenendes zu dieser Zeit wahrlich nicht weh.

      Nach ein paar Wochen kam dann wieder einmal ein bedeutungsvoller Tag. Das Oberlandesgericht Brandenburg gab uns den Termin für die Berufungsverhandlung gegen die Volks- und Raiffeisenbank bekannt. Ich fieberte dem Termin entgegen.

      Im Falle einer Niederlage hätte ich einschließlich Nebenkosten bestimmt nochmal 100.000 mehr als die bisherige Streitsumme, also etwa eine halbe Million Mark an die Bank zahlen müssen. Am Tag der Verhandlung traf ich mich dann mit meinem Rechtsanwalt, Dr. Rodloff, draußen vor dem Gebäude. Mit seiner Sachlichkeit und Ausgeglichenheit nahm er mir viel von meiner Nervosität.

      In der Verhandlung fiel mir schnell auf, daß die Richter mit größeren Sachkenntnissen aufwarteten als jene am Landgericht. Als ich kurze Zeit später das Urteil in den Händen hielt, fühlte ich mich wahrhaft majestätisch.

      Ich hatte die VR-Bank geschlagen!

      Asche der Tag, an dem das Urteil in Neuruppin gegen mich gesprochen wurde! Und Asche das „Du kannst nicht gewinnen!“ des Bankvorstands.

      Natürlich hatte ich in meinem Siegestaumel nicht bedacht, daß es nach Landgericht und Oberlandesgericht noch eine weitere Instanz, den Bundesgerichtshof gibt. Und mein Freudentaumel währte noch, als ich bereits von Dr. Rodloff mit Post bedacht wurde: Die Bank beantragte Revision und wollte das Urteil des OLG anfechten.

      Bis


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