Geschäft ist Krieg. Sven Kyek

Geschäft ist Krieg - Sven Kyek


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Werkstatt Ersatzteile bei ihm kaufen und Kaufinteressenten an ihn vermitteln. Durch unsere vielen Kunden, gerade im Nutzfahrzeugbereich, und durch die vielen verunfallten Fahrzeuge, die ich nachts abschleppte, saßen wir natürlich an der Quelle. Ich konnte nicht mehr nur mit lukrativen Unfallreparaturen, sondern auch mit der provisionspflichtigen Vermittlung von Fahrzeugen Geld verdienen.

      Zu dieser Zeit habe ich noch gehofft, daß es meiner Frau reicht, wenn sie in dem schönen Einfamilienhaus sitzt, sich kaufen kann, was sie möchte, und mit meinem Sohn alleine in den Urlaub fährt.

      Mein Vergnügen war es, rund um die Uhr zu arbeiten und die Firma und die Konten wachsen zu sehen. Das einzige, was ich mir darüber hinaus gönnte, waren schöne Autos. Durch die Zusammenarbeit mit Mercedes Schulz musste es natürlich Mercedes sein. Ich verkaufte meinen Jeep Cherokee und fuhr in den folgenden Jahren von unten nach oben alles was es gab. C-Klasse, E-Klasse, Cabrio, 2 G-Modelle, 2 M-Klassen, SL500, S320, S400, SL55 AMG, CLS500 ...

      Da ich nach wie vor bis zu 16 Stunden im Büro oder für die Firma unterwegs war und man mich nachts und an den Wochenenden beim Abschleppen beobachten konnte, war auch keiner so neidisch, wie es im Normalfall wohl gewesen wäre.

      Meiner Hausbank ist dieses florierende Geschäft natürlich auch nicht entgangen. Ich wurde immer wieder von meiner Bankberaterin angesprochen, das viele Geld doch irgendwie anzulegen, um bessere Rendite zu erzielen. Irgendwie konnte ich mich dafür nicht begeistern, bis ich eines Tages in der „Bildzeitung“ las, daß der Dollar im Verhältnis zur D-Mark auf einem Rekordtiefstand sei. Das interessierte mich. Wenn ich abends aus dem Büro oder nachts aufgebracht vom Abschleppen nach Hause kam, habe ich zwischen den Fernsehsendern nur herumgezappt. Nun fiel mir ein, daß es da ja auch Börsenfernsehen gab.

      Mein erstes Hobby seit Gründung der Firma war geboren! Ich kaufte die „Börse Online“, die „Welt am Sonntag“ und alles, was ich mit Wirtschaftsteil oder Börseninfos kriegen konnte. Ich las es durch und wieder zurück.

      Nach zwei Wochen fasste ich einen Entschluss. Ich rief die Anlageberaterin der „Volks- und Raiffeisenbank“ an und vereinbarte einen Termin. Ich sagte ihr, daß ich nun soweit sei und für 500.000 Mark Dollar kaufen möchte.

      Etwas ungläubig füllte sie verschiedene Formulare aus. Als ich die Bank verließ, war das Geschäft perfekt. Von da an nutzte ich jede frei Minute dazu, den Dollar-Kurs zu beobachten. Nach wenigen Wochen kam die Trendwende.

      Der Dollar wurde stärker und stärker. Aus meinen 500.000 Mark sind 580.000 geworden.

      Ich habe verkauft, mich tierisch gefreut und wie ein Held gefühlt. Das hat natürlich nur meinen Appetit geweckt. Zwischenzeitlich hatte ich nächtelang und am Wochenende Wirtschaftsnachrichten gelesen und bei NTV verfolgt. Ich war ganz verrückt danach, das nächste Geschäft zu machen.

      Es ließ auch nicht lange auf sich warten. An einem Sonntag las ich in der „Welt“ einen Artikel über den angeschlagenen Bremer Vulkan-Konzern. Der war börsennotiert und sollte von Energiekonzernen, die milliardenschwere Rückstellungen auflösen wollten, übernommen werden. Der Aktienkurs schloss am Freitag bei etwa 3 Mark. Am Montag stand ich morgens als erster vor der Volks- und Raiffeisenbank und passte gleich die Anlageberaterin Frau Schmidt ab. Ich war ganz aufgeregt und wir gingen sofort in ihr Büro. „Frau Schmidt, Sie müssen sofort Aktien von Bremer Vulkan kaufen.“ Wir fertigten zusammen ein Formblatt aus. Sie sollte für 100.000 Mark Aktien kaufen. Mit dem Kurs vom Freitag war die Anzahl der Aktien, die sie kaufen sollte, ermittelt und ich unterzeichnete den Kaufvertrag.

      Irgendwie hatte ich ein ungeheuerliches Gefühl von Wichtigkeit: Wirtschaftsteile in Zeitungen studieren und Börsenfernsehen gucken, dann kaufen und schließlich verkaufen. Am gleichen Tag rief ich Frau Schmidt dann noch mal an und fragte, ob mit Bremer Vulkan alles geklappt habe. „Ja“, sagte sie mir, „alles klar.“Da mir zu diesem Zeitpunkt noch keine Hilfsmittel wie das Internet zur Verfügung standen und ich über eine Kursabfrage via Handy noch nichts wusste, musste ich mich an diesem Montag bis zum Abend gedulden.

      Gegen 20 Uhr kam ich nach Hause, machte den Fernseher an und musste im Teletext suchen, weil der Kurs von Bremer Vulkan nicht im Tickerlaufband auftauchte. Mit einem lauten Schrei erblickte ich die Schlussnotierung. Vulkan hatte sich mehr als verdreifacht. Meine Frau und mein Sohn hatten mich seit längerer Zeit nur ernst und verbissen erlebt. Jetzt aber sprang ich durchs Haus, als hätte ich im Lotto gewonnen. Die ganze Nacht habe ich Pläne geschmiedet, was man alles machen kann, wenn man Multimillionär ist.

      Nach meinem Erlebnis von diesem Montag, hätte das ja in meinem Fall nicht mehr lange dauern dürfen. Schließlich hatte ich an einem Tag fast 200.000 Mark hinzugewonnen. Und dies, ohne aufwendig Stahlbauaufträge zu beschaffen und zu kalkulieren, Material zu bestellen, zu fertigen, auszuliefern und zu montieren. Und wie beschwerlich ist es doch, abzuschleppen bei Nacht, Regen und Frost, oder Fuhrparkchefs anzubetteln, daß Sie ihre Fahrzeuge zu uns bringen. Sicher, dieser Aufwand hatte sich für mich und die Firma mehr als gelohnt. Schließlich fuhr ich zu diesem Zeitpunkt schon einen G-Klasse Jeep von Mercedes und – als Trostpflaster für 6 Jahre ohne Urlaub und keine freie Stunde – zusätzlich noch einen SL 500 Mercedes. Beide Autos neu und bar bezahlt.

      Ich konnte das Ende der Nacht gar nicht abwarten. Zu einem Geschäft und dann noch zu einem so genialen gehört ja nicht nur kaufen, sondern auch verkaufen.

      Als die Volks- und Raiffeisenbank am Dienstag öffnete, war Frau Schmidt nicht in ihrem Büro.

      Als ich sie, nachdem ich durch das ganze Haus gelaufen war, im Archivraum fand, zog ich sie förmlich in ihr Büro. Unaufhörlich redete ich auf sie ein: „Frau Schmidt, Bremer Vulkan verkaufen, Gewinn mitnehmen!“ Als wir dann endlich in ihrem Büro waren, rutschte ich aufgeregt auf meinem Stuhl hin und her, bis sie den Computer eingeschaltete. Während dieser Zeit redete ich ununterbrochen auf Sie ein; „Bremer Vulkan von 3 Mark auf 9,90 Mark, verkaufen, Gewinn mitnehmen!“

      Als sie dann endlich soweit war, beobachtete ich, wie ihr Gesicht sich langsam veränderte. Sie wurde blass und sah mich mit versteinerter Miene an. „Frau Schmidt, was ist los?“ fragte ich sofort.

      „Ja, wir haben Bremer Vulkan gekauft, aber nicht für 3 Mark, sondern für 9,90 Mark.“

      „Was haben Sie gemacht?“ fuhr ich sie an. „Wir haben gestern einen Auftrag gefertigt und Sie haben ihn entgegengenommen und mir sogar noch die Ausführung bestätigt. Die 200.000 Mark entgangener Gewinn erstatten Sie mir.“

      Ich lief sofort im Bankgebäude die Treppen nach oben und traf auf dem Flur den, zu dem ich wollte: Martin Brödder, der Vorstand der „Volks- und Raiffeisenbank Prignitz“, meiner Hausbank. Wir hatten ein gutes Verhältnis, waren sogar per Du. „Martin“, rief ich ihm zu, „weißt Du was Frau Schmidt gemacht hat? das lasse ich mir nicht gefallen. Ich will meinen Gewinn.“ „Bleib mal ruhig“, entgegnet er mir. „Das klären wir schon.“

      Ich verließ die Bank und war mir sicher, daß ich meinen Gewinn bekommen werde.

      Eine Woche lang rief ich jeden Tag dort an, aber ich wurde nur vertröstet. Zwischenzeitlich hatte in Perleberg eine Filiale der Deutschen Bank eröffnet.

      Außer dem Firmenkonto schaffte ich alles Geld von meinem Gehalts- und Privatkonto dorthin,

      um schon mal ein Zeichen zu setzen.

      Als nach 3 Wochen noch immer keine Klärung herbeigeführt war, gab mir die „Volks- und Raiffeisenbank“ selbst den Anstoß zum Handeln. Sie schickten mir Kontoauszüge für mein Anlagekonto zu. Mir sind bald die Augen herausgefallen. Mein Konto war satt im Minus.

      Der Einkauf der Vulkan-Aktien wurde mir zum Kurs von 9,90 Mark angelastet. Mein Konto war nun mit fast 300.000 Mark im Soll. Entsprechende Überziehungszinsen waren auch gleich mit aufgeführt. Nun reichte es mir endgültig.

      Aus dem Fernsehen kannte ich den Rechtsanwalt Nieding. Weil er so häufig zu Aktien, Banken und Anlagerechte befragt wurde, wählte ich mir die Finger wund, um ihn ans Telefon zu bekommen. Endlich war es soweit. Nach einem ausführlichen Gespräch schickte ich ihm die Unterlagen zu, zumal er am Telefon schon meinte, daß es sich gut anhöre. Einen Monat


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