Die zweite Frau. Eugenie Marlitt

Die zweite Frau - Eugenie Marlitt


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Frau mit kühlen Lippen.

      Wenige Minuten darauf rollte der Wagen auf der Chaussee, die nach der nächsten Eisenbahnstation führte.

      Nach vierstündiger Fahrt stiegen die Reisenden auf dem Bahnhof der Residenz aus. Hier trat bereits das neue Leben in all seinem Glanz an die junge Frau heran. Die Equipage, die sie erwartete, um sie nach dem eine Stunde entfernten Schönwerth zu bringen, fiel auf durch das Feenhafte ihrer ganzen Ausstattung – man mußte sich sofort sagen, da der mattsilbern schimmernde, milchweiße Atlas im Fond nur bestimmt sein könne, eine junge, verwöhnte Schönheit zu umschmiegen – das staubgraue, schlichte Reisekleid der jungen Dame, die sich still gelassen in die Ecke zurücklehnte, sah demnach fast aus wie die dürftige Hülle eines Köhlerkindes, das ein verliebter Märchenprinz im Walde aufgelesen hat und in sein Schloß entführt.

      Während Herr von Rüdiger den Platz neben Liane einnahm, schwang sich der Baron Mainau auf den Bock und ergriff die Zügel. Er saß stolz nachlässig droben; das von im beherrschte Gespann aber brauste wie tollkühn die glatte, breite Chaussee hin, die einen Teil des Parkes quer durchschnitt ... Dort blinkte der Teich auf, und über den Fischerdörfchen kreiste ein Flug weißglänzender Feldtauben, sonst war es totenstill und verlassen da drüben. Nun lief die Fahrstraße zwischen dichtgedrängten Waldbaumriesen hin, die ihr nur widerwillig Raum gaben – hier und da ließ ein jäh vorbeifliegender schmaler Durchhau die sonnige Landschaft draußen wie einen Edelstein im Baumdunkel aufblitzen.

      Da flog plötzlich, auf fünfzig Schritt Entfernung, seitwärts aus dem Dickicht eine Reiterin mitten auf die Chaussee – fast schien es, als stelle sie die heranbrausende Equipage.

      »Mainau – die Herzogin!« rief Herr von Rüdiger, erschrocken auffahrend; aber schon hemmte das herrliche Gespann, infolge einer einzigen Bewegung seines Lenkers, den rasenden Galopp und ging im Schritt ... Eine zweite Dame sprengte aus dem Walde und folgte der Herzogin. Sie kamen rasch näher. So mag man sich den über das Schlachtfeld reitenden Todesengel denken, wie diese fürstliche Reiterin im langwallenden schwarzen Gewande, unter den in den Nacken zurückgeworfenen bläulich-schwarzen Haarmassen – zu schwer, als daß sie der Windhauch zu heben vermochte – das schöne, aber gespenstig farblose Antlitz, das in diesem Augenblick selbst auf den Lippen nicht die leiseste Färbung der lebendig rollenden Blutwelle zeigte.

      »Glück zu, Baron Mainau!« rief sie mit einer stolz grüßenden Handbewegung ihm entgegen, der sich tief vor ihr neigte. Welcher Hohn lag in diesen fast schleppend langsamen, und doch so scharf accentuierten Lauten der vollen, tiefen Frauenstimme! ...Hatte sie eine unvorsichtige Bewegung gemacht, oder scheute das schöne, feurige Tier, das sie ritt – genug, es trug sie plötzlich mit einem wilden Satze dicht an den Schlag des langsam vorüberrollenden Wagens.

      »Bleiben Sie sitzen, Herr von Rüdiger!« winkte sie dem Emporschnellenden herablassend zu, ohne ihn anzusehen – ihre flammenden Augen suchten vielmehr in verzehrender Unruhe den herabgelassenen Schleier der erschrockenen jungen Frau zu durchdringen – im nächsten Augenblick schon stoben die Reiterinnen wieder dahin; einige Sekunden lang jagten die zwei Pferde, Leib an Leib, nebeneinander, und die geschmeidige Hofdame bog sich zu ihrer Herrin hinüber. »Diese kleine, graue Nonne ist wirklich ein Trachenbergscher Rotkopf, Hoheit«, rief der hübsche Mädchenmund ungeniert. Das Rädergeroll verschlang den Zuruf; aber Baron Mainau, der sich zurückgewendet hatte, sah die bezeichnende Gebärde der Dame – er lächelte; Liane sah zum erstenmal dieses stolze Lächeln des Triumphes, der befriedigten Eitelkeit, sah zum erstenmal seine Augen in jenem Feuer aufstrahlen, das so gefährlich war. Die Ecke, in der seine junge Frau saß, hatte sein Blick nicht einmal gestreift – diese absolute Indolenz und Gleichgültigkeit war so sichtlich unbewußt, daß selbst Freund Rüdiger einsah, sie habe mit jener affektierten geringschätzenden Ruhe nichts gemein, die der schöne Mann aus Caprice oft den blendendsten Frauen gegenüber zeigte.

      Die Apfelschimmel brausten wieder über die Chaussee hin, so wildtosend und schwindelnd schnell, als habe die schöne, bleiche Fürstin mit ihrem »Glück zu!« alle Glut in den Adern des Lenkers zur Flamme geschürt. Der Blick der jungen Frau hing an jeder seiner Bewegungen. Die Begegnung im Walde hatte plötzlich ein Streiflicht auf die neuen Verhältnisse geworfen – nun wußte sie, weshalb Mainau ihr niemals Liebe geben konnte.

      Die letzten Waldbäume flogen vorüber, dann ging es bergab in das Schönwerther Thal, durch Anlagen, mit denen sich der herzogliche Park nicht messen durfte. Eine Zeitlang lief ein hohes Gitter, fein wie Spinnweben, in gleicher Richtung mit dem Fahrweg; weit drinnen, von diesem durchsichtigen Drahtschleier grau verhangen, hoben sich fremdartige Wipfel in die blaue Luft; aus ungeheuren Staudenkelchen dämmerten glühende Blütenrispen herüber, wie Korallenschnüre aus grüner Meerflut. Dann drängte sich sekundenlang eine Wand von Mimosengesträuch verdunkelnd an das Gitter – sie zerriß, und erschreckend jäh trat ein grellbemalter Hindutempel mit goldstrahlenden Kuppeln hervor; an seine breit herniedersteigende Marmortreppe klopften die bläulich durchsichtigen Wasser eines großen Weihers und im Vordergrunde, auf dem feingeschorenen Uferrasen stand ein mächtiger Stier, die breite Stirn majestätisch nach dem vorüberrollenden Wagen gewandt ... Das war wie ein sonnengoldener, über das märchenhafte Indien hinflatternder Traum – mit dem Ende des Drahtnetzes erlosch er spurlos; da rauschten wieder ehrwürdigen Linden, und die dunklen Fichten hingen greisenhaft ernst ihre langen Bärte über die jungen weißen Kleeblüten der Wiesen.

      Noch einen kühnen Bogen mitten durch uralten, dunkelnden Maßholderbusch beschrieb der Fahrweg, dann rollte der Wagen über eine freie Kiesfläche und hielt vor dem Portale des Schönwerther Schlosses.

      Mehrere Lakaien in Galalivree stürzten herbei, und der Haushofmeister in schwarzem Frack und weißer Weste öffnete unter einem tiefen Bückling den Wagenschlag ... Liane war vor mehreren Jahren ungesehen Zeugin gewesen, wie der junge Förster von Rudisdorf seine Braut mit starken Armen aus dem Wagen gehoben und jubelnd in sein Forsthaus getragen hatte – hier warf der neue Eheherr dem Stallknecht die Zügel hin, trat kühlgelassen, wenn auch mit sehr verbindlicher Haltung, an den Wagen, und die linke Hand der jungen Dame zart, mit kaum fühlbarer Berührung ergreifend, half er ihr über den Tritt hinab. Unter etwas festerem Druck legte er die unwillkürlich zurückschreckende Hand auf seinen Arm und führte die neue Herrin von Schönwerth über die Schwelle.

      Ihr war, als betrete sie einen Dom, so gewaltig, so feierlich erhaben wölbte sich der Thorbogen über ihrem Haupte, und ein so kirchenartiges Licht fiel durch das bunte Glas der Spitzbogenfenster in die weite Treppenhalle. Diese schillernden Reflexe, die hier das Purpurgewand der Muttergottes als rosige Flut auf den hallenden Fußboden warfen und dort die Palmenkuppel über der ruhenden heiligen Familie leuchtend grün an der roten Porphyrwand herabfließen ließen, sie waren doch nur ein verfälschtes, erkaltetes Sonnenlicht; selbst der breite, die Treppen herablaufende Teppich, so weich und elastisch er sich auch dem Stein anschmiegte, vervollständigte den Eindruck eines überall absichtlich, wie in einer Abtei, festgehaltenen kirchlichen Stils – er zeigte die sprühende, überladene Farbenpracht, aber auch die steifen, geistlosen Linien des byzantinischen Geschmacks in seiner letzten Periode.

      Kaum eingetreten, blieb Mainau überrascht stehen, und seine Augen richteten sich zornfunkelnd auf den Haushofmeister. Der tief niedergeduckte Mann räusperte sich verlegen hinter der vorgehaltenen Hand – man sah, nicht um die Welt hätte er seine Augen erheben mögen, um dem Blick des Gebieters noch einmal zu begegnen. »Ich durfte nicht, gnädiger Herr,« sagte er leise. »Der gnädige Herr Baron haben nicht erlaubt, daß die Orangerie aufgestellt wurde, und die Guirlanden mußten auch wieder abgenommen werden – von wegen der hochseligen gnädigen Frau.«

      Ein Feuerstrom schoß dem Schloßherrn über das Gesicht. Mit katzenartiger, lautloser Geschmeidigkeit machten die Lakaien einen Rettungsversuch hinaus ins Freie, die klägliche Gestalt des Haushofmeisters aber, der auf seinem Posten aushalten m u ß t e, sank tief in sich zusammen ... Der gefürchtete Sturmausbruch beschränkte sich diesmal auf ein unbeschreiblich spöttisches Lächeln, das den Mund des schönen Mannes entstellte.

      »Du siehst mich beschämt, Juliane,« sagte er – an seiner Stimme hörte man den inneren Kampf mit dem Zorn – »ich


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