Die zweite Frau. Eugenie Marlitt

Die zweite Frau - Eugenie Marlitt


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hinter welchem ein rötlich blinkender Obelisk in die Lüfte stieg. »Ich weiß es nicht – ich bin selbst erst seit acht Tagen in Schönwerth ... Die Leute kümmern sich nicht darum, und in der Küche sagten sie nur, sie hätte das Gnadenbrot im Hause – schrecklich – sie soll nicht einmal getauft sein ... Hinter das Gitter traue ich mich nicht – ich fürchte mich vor dem großen, türkischen Ochsen, und die Bäume wimmeln von Affen – greuliche Tiere - puh!«

      Liane ging schweigend in das Nebenzimmer und überließ sich den flinken Händen der Redseligen. Diesmal rauschte und klirrte der Silberstoff um die bräutliche Gestalt her, und als sie nach einer halben Stunde im blauen Boudoir Mainau entgegentrat, da fuhr er sichtlich zurück ... Die »Hopfenstange« verstand es, die Silberschleppe zu tragen, die »Hopfenstange« hatte Schultern und Arme von so unvergleichlicher Schönheit, daß nur völliger Mangel an Koketterie und ein keusches, ernstes Denken diese Vorzüge bisher achtlos unter verhüllenden Stoffen hatten verbergen mögen ... Ein Orangenblütenkranz lag in dem hochaufschwellenden, vielverhöhnten Rothaar – es hob sich in wuchtiger Pracht, wie mit goldfunkelndem Tau überhaucht, von den blauglänzenden Wänden des Zimmers.

      »Ich danke dir, Juliane, daß du deine Vorliebe für ein bescheidenes Auftreten so taktvoll unterdrückst und in meinem Hause erscheinst, wie es deine Stellung nun einmal verlangt,« sagte er freundlich, wenn auch ohne Betroffenheit im Ton.

      Sie hob die dunkelblonden Wimpern – das waren keine blassen Veilchenaugen à la Lavallière – ein Paar großer, dunkelgrauer Augensterne voll Klugheit, aber auch voll finsteren Ernstes sahen ihn fest an. »Denken Sie nicht zu gut von mir!« versetzte sie gelassen – noch brachte sie das »Du«, das ihm so geläufig war, nicht über ihre Lippen. »Nicht aus Bescheidenheit bin ich in Rudisdorf einfach an den Altar getreten – nennen Sie es Stolz, Hochmut, wie Sie wollen ... Ich weiß recht gut, daß verschiedene Frauen in der Rudisdorfer Marmorgalerie den Hermelin um Schultern und Schleppe tragen – ich habe auch ein Anrecht daran und werde es zu behaupten wissen ... Gerade deshalb mochte ich diese geschenkte Pracht hier,« sie strich mit der Hand über die steife Robe, »nicht an mir leiden und durch mein Vaterhaus schleifen, von welchem uns augenblicklich kein Stein gehört. Ich meinte, das Geräusch müsse alle die Trachenberger aufwecken, die unter dem Altar in der Gruft schlafen – und ihnen ist gerade jetzt der Schlaf zu gönnen ... Hier repräsentiere ich Ihren Namen und dazu gehört das Geschenk.«

      Er biß sich auf die Lippen. Etwas wie eine unliebsame, zornige Ueberraschung lag in dem Blicke, der bald an dem zarten, ruhig sprechenden Munde hing, bald sich in die unerschrockenen Augen bohrte, die nicht zurückwichen.

      »Nun, die Trachenberger dürften getrost aufwachen,« sagte er sarkastisch. »Ihr weltbekannter Familienstolz lebt ja fort und weiß sehr energisch aufzutreten, und das hätte sie über die leeren Truhen – die du soeben betontest – sicher getröstet.«

      Sie schwieg und trat langsam und majestätisch über die Schwelle der Thür, die er mit einer fast ironisch tiefen Verbeugung öffnete ... Wie er so an ihrer Seite dahinschritt, war er ein vollkommen anderer, als der frivole Weltmann, der die in Rudisdorf mit einer so graziösen Leichtigkeit, als gehe es zur Tafel, an den Altar geführt – er war ein anderer, als der kühne Bändiger der wildjagenden Rosse, der bei der Begegnung im Walde, strahlend vor Triumph, der bleichen, dahinfließenden Fürstin nachgesehen hatte – in diesem Augenblicke kämpfte er denselben Kampf, den seine junge Frau eben durchgemacht; er bereute tief und sichtlich den Schritt, den er im Vertrauen auf die Beteuerungen der Gräfin Trachenberg gewagt – sie hatte ihm ja fälschlicherweise eine Frau versprochen, »die er um den Finger wickeln könnte« ... Noch war es Zeit, noch hatte seine Kirche das ewig bindende Wort nicht gesprochen, das jede Scheidung verneint – das Rauschen der langen, schweren Schleppe verstummte plötzlich; die junge Dame zögerte, den Fuß weiterzusetzen; sie hob die Hand, die auf seinem Arme lag – notgedrungen hielt er den Schritt an und wandte befremdet das so nachdenklich gewordene Gesicht nach ihr; ein einziges Hinstreifen seiner Augen über ihr tieferblaßtes Antlitz mochte ihn belehren, was in ihr vorging – mit einem ausdrucksvoll spöttischen Lächeln empfing er die niedergleitende Hand, legte sie wieder auf den Arm, wo er sie augenblicklich festhielt, und schritt weiter durch das Spalier, das die festlich geschmückten Schloßleute vor der gewaltigen, erzenen Kirchenthür bildeten ... Nun denn – er war trotzalledem entschlossen, und sie ging mit ihm; aber nicht wie ein in sein Schicksal ergebenes Opferlamm – die stolze Prinzessin Großmutter in der Ahnengalerie hätte sicher nichts auszusetzen gewußt an den majestätischen Gebärden der Enkelin, an dem verschlossenen ruhigen Gesicht, das nicht im entferntesten auf das beschleunigte Klopfen eines erregten Herzens schließen ließ.

      Mit welchem Glanz wurde hier der Betrug in Szene gesetzt! Ein Silberreichtum, wie ihn Liane selbst in Rudisdorf, in den versunkenen Zeiten der Pracht nie gesehen, umringte und bedeckte den Altar, Hunderte von Flammen auf mattblinkenden Armen emportragend, und die Orangerie, die der alte kranke Mann zur Begrüßung der einziehenden neuen Herrin verweigert hatte, hier dunkelte und duftete sie zu Ehren der heiligen Handlung – ein wahrer Wald breitästiger, mit Blüten bedeckter Bäume. Durchzuckt von den bleichen Lichtflammen und dem goldenglühenden Strahl der hereinfallenden Abendsonne, wogten erstickende Weihrauchwolken in dem säulengetragenen Raume; wie durch einen Nebel sah Liane die Köpfe vieler Anwesenden aus den Betstühlen auftauchen, sah seitwärts die rotseidene Steppdecke leuchte, auf welcher die blassen Hände des Hofmarschalls gefaltet lagen, und das prächtige Meßgewand des Priesters von den Stufen des Altars herabflimmern. Hoch und gebietend stand er droben – sie erschrak, als sie vor ihn hintrat – von dem Gesicht dieses Mannes ging es aus wie ein Feuerstrom; ein seltsam glimmender, tief befremdeter Blick tauchte in ihre großaufgeschlagenen Augen; erst auf ihr scheues Zurückweichen hin wandte er sich zögernd gen Himmel, und nun tönte eine prachtvolle, erschütternde Stimme über ihrem Haupte hin und sprach von der Liebe und Hingebung für immer und ewig – welch ein Frevel! ... Die schlichten Worte des Geistlichen in Rudisdorf hatten sie ruhig gelassen – erst diese glühende Beredsamkeit warf ein blendendes Licht auf den Hohn und die schwarze Lüge, unter welcher dieser Bund geschlossen wurde; sie machte jedes Wort zu einer Dolchspitze, zu einem Spottpfeil. – Die junge Frau zitterte vor diesem Priester, dessen zündende Augen nicht von ihr wichen, und – sie wußte selbst nicht weshalb – ihre Hände griffen plötzlich nach dem über den Rücken hinabfallenden Schleier und zogen ihn verhüllend über Busen und Arme.

      Und dieser Tag, der schwerste und verhängnisvollste ihres ganzen Lebens, er neigte sich endlich auch; es kam der heißersehnte Moment, wo sie die nach dem Säulengange führende Hauptthür ihrer Gemächer schließen durfte, die sie von allen Bewohnern des Schlosses schied. Sie schickte das harrende Kammermädchen fort, entledigte sich selbst der Brauttoilette und warf einen weißen Schlafrock über. Ruhen konnte sie noch nicht; sie mußte, so einsam in der Fremde und gequält von schmerzlichem Heimweh, irgend einen mitgebrachten Gegenstand aus der Heimat sehen und berühren ... Mit hastigen Händen öffnete sie einen kleinen Koffer, den man auf ihren Wunsch in den Salon gestellt hatte. Ein Heft mit lateinischen Aufsätzen von ihrer Hand lag obenauf – unwillkürlich zuckte sie empor und warf einen scheuen Blick auf das große Oelbild, das ihr gegenüber hing – ja, das war er, der schöne Mann mit dem Rätselgesicht, das in so jähem Wechsel Feuer und tödliche Kälte, seelenvolle Güte und den beißendsten, verwundenden Spott widerspiegelte! Ihr graute vor diesen Widersprüchen. Sie rollte hastig das Manuskript zusammen; nicht einmal diese gemalten Augen durften das Geschriebene sehen.

      »Mainau wird dir deinen Gelehrtenkram schon austreiben!« hatte die Gräfin Trachenberg gesagt, und heute abend bei der Tafel hatte er infolge einer lebhaften Debatte über die Frauenemanzipation mit dem ausgesprochensten Abscheu in allen Gebärden geäußert, er wisse nicht, welche Frau er mehr verurteilen solle, diejenige, die aus Eitelkeit und Vergnügungssucht eine schlechte Mutter sei, oder den Blaustrumpf, der seine Kinder aus dem Zimmer jage, um Verse oder gelehrte Aufsätze machen zu können – ein Tintenklecks an einer Frauenhand sei ihm widerwärtiger als ein häßliches Mal.

      Sie trat an den Schreibtisch, um alle Zeugen ihrer bisherigen geistigen Thätigkeit hineinzuflüchten – er war von Rosenholz, das zierlichste Gebild, das je aus kunstreicher Hand hervorgegangen. Welchen Gedanken hatte wohl »die luftige, flatternde Seele« hier nachgehangen? ... Der Aufsatz des Tisches


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