DarkZone. Juryk Barelhaven

DarkZone - Juryk Barelhaven


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wurden zubereitet, während Steve mit hochroten Wangen sich Fragen überlegte.

      „Geburtsort?“

      „Broken Bow, Nebraska“, erwiderte der CEO gelassen. „Aber ich erinnere mich nicht mehr daran.“

      „Erstes Haustier?“

      „Wir hatten keine Haustiere. Vater hasste Hunde. Mutter hatte eine Katzenhaarallergie.“

      „Keine Goldfische?“

      „Haben nie lange überlebt.“

      „Erster Job?“

      Zu seiner Überraschung zögerte Charlie kurz. „Nach meinem Besuch der EF Academy in Pasadena jobbte ich hier. Welch Überraschung“, schnaufte er leise und starrte Steve unverwandt an. Der Praktikant hatte diesen Ausdruck schon früher gesehen – diesen tiefen, unendlichen Schmerz als würden selbst die Reichen und Mächtigen unter persönlichen Dämonen leiden. „Ich lernte so die Arbeit meines Vaters kennen. Stieg gleich als Stellvertreter ein. Das hat seine Vorteile. Man arbeitet nur die Hälfte der Zeit, aber man verdient das Dreifache als alle anderen.“ Das sagte er voller Sarkasmus, als wäre Reichtum eine Bürde.

      „Klingt großartig.“

      „Ist es nicht. Glaube mir. Nächste Frage.“

      Steve zuckte mit den Schultern. Nein, er hatte keine mehr. Er war im Begriff zu gehen, eine Entschuldigung zu murmeln und das Penthouse zu verlassen, doch er spürte, dass sein Gegenüber etwas von ihm wollte. Nicht einen Augenblick lang glaubte er, dass der Magnat sich ernsthaft um einen einfachen, kleinen Praktikanten interessierte, der nur für zwei Wochen zu Besuch war und dann wieder in den überfüllten Hörsälen verschwand. Vermutlich hatte der reiche Bonze sich nur in den Kopf gesetzt, einen Plausch mit einem einfachen Studenten aus der Unterschicht, „dem kleinen Mann“ zu halten, sich einen armen Schlucker gegenüber gönnerhaft zu geben, um sich selbst zu beweisen, wie gerecht und nett er sein konnte. Reserviert von der raschen Erkenntnis lächelte er dünn und wartete einfach ab, bis man ihn aus der Unterhaltung entließ.

      „Pass auf“, sagte der CEO und trat näher heran. „Ist ganz einfach: wir können nur das Nötigste miteinander reden, ich gebe dir Anweisungen und du befolgst sie. Wir haken die Punkte einer Liste ab, und dann machst du pünktlich Feierabend. Und wenn dein Praktikum zu Ende ist, wirst du feststellen, dass du eine Riesenchance hast verstreichen lassen – nämlich mit mir die Schönheit der Finanzwelt gemeinsam zu bereisen.“ Dabei lächelte er gewinnend und breitete die Arme aus.

      „Gut, Sir. Ich will es versuchen.“

      Zufrieden nickte Charlie ihm zu. „Sehr schön. Christine gibt dir ein Tablet, ein Headset und deinen Anzug. Das Headset immer drin lassen, wenn du im Gebäude bist. Die Erklärungen hast du gelesen, verstanden und unterschrieben? Gut, dann kann es ja losgehen.“ Plötzlich wandte er sich ab und trat raus auf den Flur, wo er ohne zu zögern an seinen Leibwächtern vorbeischritt. Einer der Männer hielt ihm die Bürotür auf, und ließ dabei den Neuen nicht aus den Augen. Steve beeilte sich aufzuschließen und folgte hastig seinem Chef, der mit verschmitzten Klamotten sich ungeniert in einen roten Ledersessel fläzte. Eine breite Glasfront hinter dem Mahagoni-Schreibtisch zeigte das Industriegebiet bei Nacht, während zur linken und rechten Seite hohe Breitbildfernseher die neuesten Nachrichten sowie Börsendaten anzeigten. Ein Mekka für arbeitswütige Unternehmer, die tagtäglich mit Millionen von Credits hantierten.

      „Warum ich, Sir?“ stellte Steve die Frage, die ihm schon seit Tagen unter den Nägeln brannte. „Es haben sich fast einhundert Personen für dieses Praktikum angemeldet…“

      Zu seiner Überraschung lächelte Charlie geheimnisvoll und zog einen Ordner aus einem Stapel hervor. „Ich brauche keinen Ja-Sager, der nur das tut, was man ihm sagt. Ich brauche einen Firmenangestellten, der mir spezielle Angebote unterbreitet. Der in der Szene drin ist. Der mich mit der Szene vertraut macht.“ Ohne ein weiteres Wort fischte er aus dem Ordner eine einzelnes Blatt hervor und reichte es weiter, und als Steve es in den Händen hielt, bekam seine Miene einen reservierten Ausdruck.

      Als Steve den Eintrag eines polizeilichen Berichts las, glaubte er kurz, dass sein Herz aussetzen würde: es stand seine Name drauf, seine Adresse und die Tat, die er begangen hatte – noch nicht so lange her, um es unter den Tisch fallen zu lassen und schwerwiegend genug, um es nicht als Bagatelle abzustufen. Er schluckte trocken und schaute hoch. „Sir, ich kann das erklären…“

      „Entspann dich, Steve. Du kriegst keinen Ärger.“ Er lächelte breit wie ein Lehrer, der einen Musterschüler dabei ertappt hatte, ein Satzzeichen im Satz falsch gesetzt zu haben. „Das ist der Grund, warum du hier bist.“

      Sein Gegenüber blinzelte verstört und kam nicht mit.

      „Parkour“, half Charlie aus und deutete auf das Blatt Papier in Steves Händen. „Ziemlich cool. Commissioner Brandon meint, dass du tief drinsteckst. Finde ich cool, also erkläre ich dir jetzt, wie das läuft: Such mir Kicks, die ich nicht vergessen werde. Abenteuerurlaub, wenn du es so willst. Je extremer, desto besser. Ich bin ein Riesenfan.“

      Steve erwiderte das Lächeln nicht, aber sein Gesichtsausdruck verlor etwas von der Panik, als er die Infos bearbeitete, die gerade seine Ohren erreicht hatten. Er blickte ihn skeptisch an. „Ist das ein Test, Sir?“

      Charlie setzte ein kryptisches Lächeln auf und nutzte die Gelegenheit, um ein wenig anzugeben. „Mach mich glücklich, Steve, und ich verspreche dir, dass niemand mehr es wagen wird, von dir zu verlangen den Kaffee zu kochen.“ Ohne ein Antwort abzuwarten, stand er auf und umrundete den Tisch. „Ich war schon überall. Cave-Jumping in der Südsee. Extreme- Abfahrt in den Alpen. Sogar bei einem Autorennen in Mailand. Aber du kennst das, nicht wahr? Diesen Thrill, wenn man eine Grenze überschreitet – und die nächste und die nächste. Aber trotz meines Geldes komme ich nicht überall rein und ich will … überall reinkommen. Manche Türen öffnen sich nur für Eingeweihte. Mir fehlen die nötigen Kontakte. Traurig, aber wahr.“ Er zuckte entschuldigend die Achseln, als täte ihm die Sache leid. „Aber du hast eine Grenze überschritten, Steve, und unter uns, denke ich, dass ein wenig Parkour niemanden schadet. Nur meine Meinung.“ Er grinste freundlich und reichte ihm erneut die Hand. „Hol Angebote rein. Ausgefallene Ideen. Brandgefährlich. Ich bin Charlie.“

      „Steve, Sir.“ Er meint es ernst, dachte Steve und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, während er zögerlich die Hand ergriff und sie schüttelte.

      „Morgen früh um zehn Uhr hier in meinem Büro. Du wirst es nicht bereuen, Steve.“

      Steve blickte in die Augen und was er sah, ließ ihn kurz frösteln. Vor einigen Jahren, als Steve Parker auf der Flucht vor dem Gesetz gewesen war, hatte er diesen Blick wieder und immer wieder bei jungen Leuten gesehen, die … mehr wollten. Mehr vom Nervenkitzel, dem Rausch und dem Adrenalin. Steve kannte gut das Gefühl und hatte sich erst zögerlich, dann bestimmt von diesem Exzess verabschiedet, als gute Bekannte wie auch Freunde einen zu hohen Preis bezahlt hatten: einer war beim Diving mit einem Frachtzug gestorben und sein bester Freund hatte bei einem Sprung von einem Hochhaus einen irreparablen Hirnschaden davongetragen – das war der Moment gewesen, als Steve sich schweren Herzens losgesagt hatte. Und Charlie O´Neill…

      … der schwerreiche Magnat und sein Chef…

      … wollte mehr.

      + + +

      Die mattgraue Limousine war unauffällig bis auf die Aufschrift REXCORP – SHUTTLE auf den vorderen Türen. Der Chauffeur saß hinter dem Lenkrad und steuerte den Wagen durch die Stadt.

      Charlie O´Neill wirkte auf dem Rücksitz wie ein gelangweilt dreinblickender Dandy mit Gamaschen und eleganten Smoking, als wäre er an einem Samstagabend auf dem Weg zum Theater statt an einem Dienstagmorgen auf dem Weg zur Arbeit. Er hatte es sich nicht nehmen lassen persönlich Steve Parker aus dem Bett zu klingeln und ihn gleich mit zur Arbeit zu nehmen. Kaum sechs Uhr in der Früh hatte der CEO schon einen Drink in der Hand und plapperte drauflos, als würde er seine exzentrische Art geradezu feiern wollen. „Zwei Wochen lang werde ich dir alles zeigen. Von unserer


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