gesucht gefunden. Madlen Schaffhauser
sattem Grün überziehe, das im Nacken gebunden wird, etwas Schminke auftrage, ein paar Toastscheiben in den Toaster werfe und mir einen heissen Kaffee zubereite, rede ich mir ständig ein, dass der vergangene Abend nichts zu bedeuten hat. Dass ich mich genauso fühlen und benehmen werde, bevor ich Oliver getroffen habe, was ja auch stimmt. Sofort strafen mich meine Lügen mit einem bösen Blick, der mir im Spiegel entgegenkommt.
Was versuche ich mir nur einzureden? Seit Kimi habe ich nicht mehr so empfunden, wie in den letzten vierundzwanzig Stunden. Ebenfalls dachte ich, ich würde nie mehr so fühlen können. Aber Oliver brauchte nicht einmal einen Tag, mein altes Leben völlig aus dem Ruder zu bringen.
Wie kann ich nur so dämlich sein, mich ausgerechnet in einen der weltbesten Fussballer zu verlieben? Jetzt hat das Wort, das ich auf keinen Fall mehr in mein Kopf lassen wollte, Form angenommen. Es hat sich in eine äusserst attraktive und erfolgreiche Gestalt verwandelt.
Endlich glaubte ich mein Leben wieder richtig leben zu können, da braucht kein Mann darin aufzutauchen, um es in einer kurzen Zeit wieder zu zerstören.
Ich darf es nicht mehr als eine Affäre betrachten, denn etwas anderes kommt für Oliver gar nicht in Frage, da bin ich mir sicher. Ich möchte gar nicht in Erfahrung bringen, wie vielen Frauen er schon das Herz gebrochen hat und ich werde nicht die Nächste sein.
Die Toastscheiben springen wie auf ein Kommando aus dem Toaster heraus. Ich nehme mir eine und bestreiche sie mit einer köstlichen Haselnuss-Nougatcrème.
Ich halte soeben auf meinem Parkplatz an, als meine Schwester gerade angelaufen kommt und die Tür zu unserem Büro aufschliessen will. Sie lächelt mich an und pfeift mir zu, während ich aus meinem weissen VW Golf steige.
„Du hast dich ja richtig ins Zeug gelegt?“ begrüsst sie mich mit je einem Kuss auf jede Wange. „Hast du heute irgendwas bestimmtes vor oder habe ich einen besonderen Termin verpasst?“
„Warum?“ Ich verstehe nicht, auf was sie anspielen möchte und sehe sie verständnislos an.
„Für wen hast du dich so aufgebrezelt?“
„Das habe ich nicht. Ich habe nur ein einfaches Kleid angezogen, das ich in der hintersten Ecke von meinem Schrank gefunden habe.“
„Und was ist mit der Schminke, die du sonst nie zur Arbeit trägst?“
„Ich hatte einfach Lust dazu.“ Ich gehe an ihr vorbei und öffne die Tür mit meinem eigenen Schlüssel.
„Möchtest du mir nicht verraten, was gestern Abend geschehen ist?“
Ich sehe sie etwas verärgert an, sage aber kein Wort.
„Und versuche gar nicht erst, mich für eine Närrin zu halten. Ich bin deine Schwester und kann dir ganz genau ansehen, dass irgendwas vorgefallen ist. Es kann ja nur etwas Positives sein, wenn ich dich so ansehe. Also...“
„Er stand gestern einfach vor meiner Tür und dann führte eins zum anderen.“
„Wer? Ron?“
„Nein, doch nicht Ron. Oliver.“
„Oliver?“ Tina zieht ihre Augenbrauen zusammen und überlegt angestrengt, welchen Oliver ich meinen könnte, bis ein Licht in ihrem Kopf aufgeht. „Oliver Falk, der Fussballer? Der Sohn...“
„Ja genau der.“ unterbreche ich sie.“
„Du hast mit ihm geschlafen, stimmts?“ Sie sieht mit einem Mal nicht mehr überrascht aus, sondern ein wissender Ausdruck breitet sich auf ihrem Gesicht aus. „Das ist ja wunder...“
„Sprich nicht weiter. Ich weiss nicht, was ich von letzter Nacht halten soll. Ich weiss aber, dass ich nicht noch einmal diesen Schmerz empfinden möchte, den ich nach Kimi erlebt habe. Ich besitze nicht mehr die Kraft, mein Leben abermals so in den Griff zu bekommen wie jetzt, falls mir das Herz nochmals gebrochen werden sollte. Es wird nichts ausser einer kurzen Affäre geben, wenn da überhaupt etwas ist. Vielleicht war es ja einfach eine einmalige Sache. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Oliver mehr als das möchte. Er ist leider nicht nur ein bekannter Fussballer, sondern ein richtiger Schürzenjäger.“
„Dann mach dir nicht so einen Kopf und geniesse diese Zeit.“
„Das habe ich mir auch gesagt, aber...“
„Was aber?“
„Ich habe Kimi geliebt. Für keinen Mann, der nach Kimi meinen Weg gekreuzt hat, habe ich so empfunden, wie für ihn.“ Ich atme kurz tief ein, bevor ich weiterrede. „Bis jetzt.“
Tinas Strahlen, mit dem sie mich soeben noch angelächelt hat, droht in sich zusammen zu fallen. Ich kann es förmlich sehen. Sie braucht nichts mehr zu sagen, denn ich weiss so schon, dass ich recht habe. Ich muss vorsichtig sein.
Ich sitze nun schon den ganzen Tag an meinem Schreibtisch und beantworte etliche E-Mails, nehme Anrufe entgegen und bringe meine Termine mit denen von Tina in Einklang. Mein Arbeitstag neigt sich langsam dem Ende zu. Aber heute freue ich mich nicht auf meine leere Wohnung. Seit langer Zeit ist es nicht mehr vorgekommen, dass ich meine Arbeit benutze, um nicht nach Hause gehen zu müssen.
Ich habe nichts mehr von Oliver gehört, seit er aus meiner Wohnung verschwunden ist. Er hat versprochen sich zu melden. Nur habe ich keine Ahnung, wann das sein wird und ich mache mich zum Deppen, indem ich voller Ungeduld auf ein Zeichen von ihm warte.
Ich bin enttäuscht von mir, dass ich mich in so wenigen Stunden zu einer verliebten Närrin machen konnte. Es schmerzt mich, wie schwach ich in Wirklichkeit bin. Wie konnte ich nur annehmen, ich wäre gegen alle Männer immun?
Ich greife nach meinem Smartphone, nachdem ein Signalton eine Nachricht angekündigt hat. Ich entsperre das Display und sehe einen Eingang einer Kurzmitteilung, von einer mir unbekannten Nummer. Mit meinem Zeigefinger drücke ich darauf und die Nachricht wird geöffnet. Vermisst du mich schon? O.F.
Ein Bild des Mannes, der mir den Kopf in kürzester Zeit verdreht hat, stiehlt sich vor mein inneres Auge. Der gut gebaute Mann, mit seinen ozeanblauen Augen, lächelt mich so unverhohlen an und ist so deutlich in meinen Erinnerungen, dass ich schon glaube, er stehe in seiner vollen Pracht vor mir.
„Träumst du von mir?“
Ich fliege beinahe zu Boden, als ich abrupt von meinem Stuhl aufspringe und in das schönste Gesicht sehe, das soeben meine Gedanken beherrscht hat. „Was? Aber...“ Ich starre verständnislos auf mein Smartphone, das ich immer noch umklammert halte.
„Deine Schwester war so nett und hat mir deine Privatnummer gegeben.“
„Ach so. Aber du hättest sie auch sicher ohne ihre Hilfe herausgefunden, nicht wahr?“ Ich lege mein Telefon hin.
„Sicher. Aber so ging es einfacher. Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Er lächelt mich unverschämt an.
„Kannst du nicht anklopfen?“ Ich habe versucht, meiner Stimme einen ernsthaften Ton mitschwingen zu lassen, was mir jedoch kläglich misslingt, als er die Tür hinter sich schliesst und mit geschmeidigen Schritten quer durch das Büro auf mich zukommt.
„Das habe ich, aber du warst weit weg. Ich hoffe bei mir.“ Er legt seine Hände um meine Taille und zieht mich an sich, bevor sein Mund sich auf meinen senkt.
Alles um mich herum verschwindet. Ein einziger Kuss von ihm und meine Welt scheint völlig in Ordnung zu sein. Mir scheint, als könnte mir nichts anhaben und verliere mich in seinen starken Armen. Nach einem unbeschreiblichen, intensiven und langen Kuss lässt er langsam von mir ab und sieht mich lächelnd an und obwohl wir uns erst gerade geküsst haben, verlangen meine Lippen schon wieder nach seinem samtweichen Mund.
„Oliver.“ hauche ich. „Ich habe nicht erwartet, dich heute nochmals zu Gesicht zu bekommen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich schon damit gerechnet, heute gar nichts mehr von dir zu hören.“
„Ich habe versprochen, mich bei dir zu melden und meine Versprechen halte ich.“
„Du hast es mir nicht versprochen.“