Im Licht des Mondes. A. Cayden
in diesem Moment. Je länger ich ihn anstarre, desto größer werden das Gefühl und meine Selbstzweifel. Ich schnaufe verächtlich aus. Glückwunsch! Deine Lebensspanne ist soeben gestiegen!
Deprimiert wende ich mich von ihm ab und springe vom Bett. Ich kann nicht fassen, dass mein Vorhaben so ausgeht, doch ich bin momentan nicht in der Lage, meine Arbeit an ihm auszuführen. Meine erste Niederlage in all den Jahren …
Langsam humple ich aus dem Schlafraum zurück in das Wohnzimmer. Seit wann bin ich derartig schwach geworden? Ich war doch nicht immer so? Wann ist diese Wandlung eingetreten? Wieso habe ich nichts davon mitbekommen? Diese Schwäche wird hoffentlich wieder verschwinden. Sie muss einfach verschwinden! Verbittert beiße ich mir auf meine Unterlippe, während ich das offene Fenster ansteuere. Genervt verziehe ich mein Gesicht, als ich registriere, dass es zu regnen begonnen hat. Dies wird eine verdammt lange Nacht werden, denn ich habe noch kein einziges Leben gesammelt und ohne Erfolge kann ich unmöglich in meine Welt zurückkehren. Ich passiere die als Tisch fungierende Kiste und streife mit meinem Schwanz die darauf liegenden Unterlagen, wodurch ein Blatt locker herunterfällt, direkt neben mich. Frustriert bleibe ich stehen und wende mich schließlich den Notizen zu. Auf ein paar Minuten mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an. Micks geschwungene Handschrift ziert das Blatt und ich lasse meine Augen darüber schweifen.
Der Hoffnungsschimmer
Eiseskälte weht durch die verschmutzten Gassen,
diese Stadt scheint von allem Guten verlassen.
Egal wohin ich seh, egal wohin ich auch geh,
überall tun sie sich gegenseitig weh.
Hauen sich einander ihre Schädel ein
Schrecken nicht zurück vor groß oder klein.
Niemand ist in dieser Stadt noch sicher
Jeder ist sein eigener Vollstrecker und Richter.
Wer nicht schnell genug ist, wird niedergemacht.
Wer nicht stark genug ist, wird ausgelacht.
Was ist aus dieser Stadt nur geworden?
Ich fühle mich, als sei alles verloren.
Tränen laufen über meine Wangen,
ich bin in meiner eigenen Gefühlswelt gefangen.
Fühle mich falsch an diesem Ort.
Möchte eigentlich nur noch fort.
Heraus aus der nicht enden wollenden Dunkelheit
Die mich zu verschlingen droht von Zeit zu Zeit.
Doch je mehr Tage und Nächte verstreichen,
desto mehr spüre ich ein Teil von mir entweichen.
Tränen füllen und spülen meine Augen,
es fällt mir schwer an das Gute zu glauben.
Doch tief in mir drin, fest verborgen,
ist ein Funke Hoffnung noch nicht verloren.
Der Hoffnungsschimmer trägt deinen Namen
Auch wenn ich diesen noch nicht kann erahnen.
So will ich dich suchen und auf dich warten
Und in dieser grausamen Stadt verharren.
Ich bin voller Zuversicht, du tust es auch
Und hoffe, dass du mich genauso brauchst.
Zusammen werden wir die Gefahren bestehen
Und gemeinsam in die Zukunft gehen.
Die Freude auf dich, ist riesengroß.
Wenn ich dich finde, lass ich dich nie mehr los.
Will dir alles, was ich habe, schenken
Und mich nie mehr von dir wenden.
Deswegen bitte ich dich, gib nicht auf
Egal wo du bist, vertraue darauf,
Lass dich von der Hoffnung leiten
Und dich in meine Arme treiben.
Regungslos stehe ich da und starre auf das handgeschriebene Gedicht. Mein Verstand scheint wie leergefegt und ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Mein ganzer Körper zittert leicht und mir fröstelt. Mein Herz tanzt wie wild durch meinen Brustkorb, ohne einen richtigen Takt zu finden. Unverändert stiere ich auf das Blatt und lasse meine Augen immer wieder über die einzelnen Zeilen gleiten. Ein ungekanntes Gefühl der Sehnsucht macht sich in mir breit wie eine unaufhaltsame Krankheit. Mir wird flau im Magen und ich muss leicht würgen. Als draußen ein lautloser Blitz die trostlose Nacht erhellt, kann ich mich aus meiner Paralyse reißen und ich komme langsam wieder zu Sinnen. Sichtlich verwirrt sehe ich mich um. Ich begreife einfach nicht, was mit mir geschieht.
Mit wankenden Pfoten laufe ich zum Fenster und meine Schritte werden immer schneller. Ich muss hier raus, einfach nur noch weg! Alles hinter mich lassen. Die Wohnung, das Gedicht und vor allen Dingen diesen ahnungslosen Menschen …
Kapitel 11
Mick:
„Hey, kommst du? Mach hinne, nicht schon wieder Überstunden ackern, Junge!“, ruft mir Thomas spaßig, jedoch mit ermahnendem Unterton zu. Ein missmutiges Grinsen huscht über mein Gesicht. Ich ziehe noch schnell die Schrauben fest, dann räume auch ich mein Werkzeug auf die Seite.
„Keine Sorge, ich bin gleich soweit!“
„Gut, aber dalli, dalli! Wir sind schon in der Dusche!“
Ich höre, wie er die Tür zur Umkleidekabine schließt, und seufze auf. Obwohl ich damit gerechnet habe, dass der Kater heute Morgen nicht mehr da sein wird, trifft mich die Tatsache dennoch ziemlich tief. Ich weiß, wie kindisch das Ganze ist, doch meine Gefühle kann ich nicht ändern. Der Gedanke, dass er jeden Tag vorbeikommen würde und – ich schüttle schnell meinen Kopf. So einsam kann ich doch gar nicht sein, dass ich mich verzweifelt an eine streunende Katze klammere, oder etwa doch?
Diesen neu eingeschlichenen Charakterzug muss ich ganz schnell wieder loswerden, denn damit tue ich mir keinen Gefallen. Habe ich in all den Jahren nichts gelernt? Sich ab und an allein zu fühlen, ist ja schließlich nichts, was einen umbringt oder dauerhaft schädigt. Da haben andere schon größere Probleme und Sorgen. Also kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Schnell klappe ich meinen Werkzeugkasten zu und verstaue diesen in meinem ausgebeulten Schließfach. Vielleicht tut mir dieser Abend mit meinen Kollegen ganz gut. Ich habe zwar nicht sonderlich Lust, mich bei ihrer Kneipentour dazuzugesellen, allerdings kann etwas Abwechslung aus dem Alltagstrott nicht schaden. Außerdem tragen solche Abende dazu bei, das Betriebsklima und den Zusammenhalt zu fördern.
Ich krame meine Kleider aus dem Spint und begebe mich schließlich zu meinen Kollegen in den Umkleidebereich, der für uns sieben Mann viel zu eng ist. Eilig streife ich mir meine schmutzigen Arbeitsklamotten hinunter und lasse diese erst einmal an Ort und Stelle liegen. Ich hasse es, hier zu duschen, und meide es, so oft ich kann.
„Hey Mick! Jetzt musst du dich aber ranhalten, wir sind schon fast fertig!“
Ich verziehe meine Mundwinkel zu einem Lächeln und verschwinde mit einem ‚Geht klar‘ in den kleinen Duschraum, der insgesamt drei Duschköpfe beherbergt. Die Luft ist unangenehm feuchtkalt und ich stelle mich schnell unter eine Dusche und drücke gefühlte Stunden auf den klemmenden Knopf, bis endlich mit einem lauten Brummen das frostige Wasser auf mich niederprasselt wie ein kleiner, harter Regenschauer. Automatisch zuckt mein Körper im ersten Moment zusammen, bis er sich an die Temperatur gewöhnt hat, dann beginne ich hastig den hartnäckigen Dreck von meiner Haut zu schrubben, die sich schmerzlich rötet. Ungeachtet dessen reibe ich weiter, bis die Arbeitsspuren verschwunden sind und wasche im Schnellverfahren meine Haare. Die anderen haben die Kabine schon verlassen.
Behände schnappe