Im Licht des Mondes. A. Cayden

Im Licht des Mondes - A. Cayden


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Holzbank und bindet sich gerade seine Schuhe zu.

      „Das ging jetzt aber fix. Die anderen sind schon draußen“, äußert er sich kurz und widmet sich dann wieder seinen Schnürsenkeln. Indessen streife ich mir in Rekordzeit meine Wechselklamotten über und frisiere meine nassen Haare. Ohne zu warten oder noch etwas zu sagen, verlässt Jürgen den Raum und ich sehe ihm kurz nach. Ich kann mir schon denken, wie dieser Abend verlaufen wird, doch vielleicht bin ich ja auch einfach nur ein Pessimist, der vom Gegenteil überzeugt werden möchte. Flink ziehe ich meine Schuhe an und springe nach draußen. Der Männerabend kann beginnen.

      ***

      „Hey, seht ihr die Schnalle da hinten? Die ist auch top, zumindest ihre Glocken!“

      Zustimmendes Gelächter bricht am Tisch aus, doch ich kann nur ein gezwungenes Lächeln zustande bringen. Dieses Gerede über das andere Geschlecht, als würde es sich hierbei um Schlachtvieh auf dem Markt handeln, mochte ich noch nie. Das Begaffen und Angraben im Konkurrenzkampf, nur um zu sehen, wer welche und wie viele rumbekommt … nein danke. Ich weiß nicht, ob bei mir schlichtweg etwas schiefgelaufen ist, denn immerhin scheinen es alle so zu machen. Mit mir muss also folglich was nicht stimmen. Ich seufze lautlos auf und versuche, meine Konzentration auf die belanglosen Gespräche meiner Arbeitskollegen zu bündeln. Was ich jetzt alles machen könnte, wenn ich nicht hier sitzen würde ...

      „Seht ihr die Blonde da hinten? Die steht total auf mich! Ich sag euch, die leg ich heut noch flach! Jede Wette!“

      „Niemals, Junge! Guck doch, die lächelt mich an!“

      „Quatsch, die zwinkert mir doch schon die ganze Zeit über zu!“

      „Junge, bild dir doch nichts ein! Die steht auf richtige Männer!“

      „Ich wette mit dir um nen Fuffi, dass ich die heute Nacht noch knalle!“

      „Haha! Hört euch das an! Robert wird heute pleite! Also gut. Versuch dein Glück, die Wette gilt, ich bin dabei!“

      Mit Feuereifer werden nun Wetten abgeschlossen. Keine Ahnung, für wen oder was ich genau wetten soll, allerdings erledigt sich die Frage von selbst, denn ich werde erst gar nicht gefragt. Gelangweilt nippe ich an meiner Cola, sehe mich in der verrauchten Kneipe um und versuche dabei, nicht allzu desinteressiert zu wirken. Irgendwie ist es ständig dasselbe. Ein Grund dafür, dass ich mich gerne vor solchen Abenden drücke. Vielleicht ist der Altersunterschied zu hoch? Immerhin sind meine Kollegen alle über dreißig und ich habe die zwanzig noch nicht erreicht.

      Mein Blick schweift über die poröse, rauchig graue Betonmauer, über die zahlreich überfüllten Tische in der kleinen Lokalität, auf denen sich Bierflaschen und Whiskeygläser stapeln. Überall das gleiche Bild: unzählige Männer gemischter Altersklassen, die massenweise Alkohol in sich rein schütten und sich am Anblick der halbnackten Frauen an der Theke erfreuen, die sich mit hungrigen Blicken in der besoffenen Männerhorde umsehen. Augenpaare suchen und finden sich. Neugefundene Paare tauschen flüchtige, nichtssagende Worte miteinander aus, begrapschen sich prüfend gegenseitig, um dann für ganze fünf Minuten auf den besudelten Toiletten, im Auto oder um die nächsten Straßenecken zu verschwinden. Manche kommen mit einem dämlich grinsenden Gesichtsausdruck wieder in die vernebelte Kneipe, andere sind vorerst gesättigt und besuchen den Ort erst in ein paar Tagen wieder. Ein ständiger Kreislauf zur Befriedigung der Instinkte. Absolut nicht meine Welt. Ich fühle mich völlig fehl am Platz. Wo bleibt die Romantik, die Liebe?

      Während das immer gleiche Schauspiel seinen Lauf nimmt, sehe ich zu, wie mein angetrunkener Kollege forsch und selbstsicher zum Objekt der Wette marschiert. Ich höre den Rest meiner Arbeitskollegen hämisch lachen und nippe nochmals an meiner Cola, als ich in die Seite angestoßen werde. Jürgen sieht missbilligend auf mein Getränk und schüttelt verneinend den Kopf. Ich kann mir denken, was jetzt kommt, und meine Befürchtungen werden sogleich bestätigt.

      „Micky, das kann jetzt nicht dein Ernst sein, oder? Was säufst du denn da die ganze Zeit? Du brauchst was Richtiges! Was für Männer und nicht so ein Pussygetränk!“

      Schnell schiebe ich mein Glas in Sicherheit und lächle ihn gespielt und seelenruhig an.

      „Später vielleicht. Für den Anfang soll das erst einmal reichen.“

      Jürgen verdreht genervt die Augen und holt mit seinen Händen zu einer theatralischen Gestik aus.

      „So wird das nie was, Junge. Schau dir doch mal all die heißen Bräute an! Die wollen einen richtigen Kerl! Mit ner Cola kommst du da nicht weit!“

      Ich grinse leicht und zeige in Roberts Richtung, der von der Blondine im knappen Outfit gerade eine schallende Ohrfeige erntet.

      „Scheint so, als hätte das bei ihm nicht gerade geholfen!“

      Meine Kollegen brechen in schallendes Gelächter aus und Robert schlängelt sich seinen Weg durch die angeheiterte Menschenmasse zurück an unseren Tisch. Die gesamte Aufmerksamkeit richtet sich nun wieder auf ihn, doch schon nach kurzen Wortfetzen kann ich gedanklich dem stupiden Gespräch nicht mehr folgen. Zu niedrig ist meine Konzentration, zu tief meine Lustlosigkeit an dem heutigen Abend. Teilnahmslos sitze ich am Tisch und beobachte das rotierende Trauerspiel der verschiedenen Leute, die sich alle schon längst aufgegeben zu haben scheinen.

      ***

      Meine Augen brennen von dem Zigarettenqualm, der sich in der ganzen Kneipe breitgemacht hat und diese einhüllt wie eine zweite Haut. Selbst die taumelnden Körper sind nur noch unscharf wahrzunehmen und es fällt mir schwer, einen Hustenreiz zu unterdrücken. Ich bin der Einzige, dem es so geht. Wahrscheinlich hilft der Alkohol über die Situation hinweg oder tötet die Sinne Stück für Stück ab. Vielleicht hätte ich doch etwas Alkoholisches trinken sollen.

      Ich reibe mir kurz meine juckenden Augen und werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Fast 22 Uhr. So langsam kann ich mich davonmachen. Ich habe es lange genug ausgehalten und meine Pflicht somit erfüllt. Meine Kollegen haben ihren Alkoholpegel schon längst überschritten und nehmen mich ohnehin nicht mehr wahr. Es macht also keinen Unterschied, ob ich bleibe oder gehe.

      Ich leere hastig mein Glas und muss husten, als ich mich verschlucke. Da meine Arbeitskollegen momentan zu sehr mit Flirten und Prahlen beschäftigt sind, beschließe ich, sie dabei nicht zu stören und mich ohne Verabschiedung zu entfernen. Ich weiß, dass sie mir das nicht krummnehmen werden. So war es bisher immer gewesen. Denn auch wenn ich mich damals unzählige Male verabschiedet habe, am nächsten Tag wusste davon sowieso keiner mehr etwas.

      Entschlossen stehe ich auf, schnappe mir meine Jacke und Umhängetasche. Dann bahne ich mir vorsichtig meinen Weg durch die taumelnde und grölende Masse in Richtung Ausgang, der in diesem Augenblick so verlockend zu sein scheint wie das himmlische Tor zum Paradies. Geduldig schiebe ich achtsam die Leute auf die Seite, obwohl alles in mir schreit, einfach nur so schnell wie möglich aus dieser Räucherkammer zu entkommen. Dabei achte ich sorgfältig darauf, besonders den Frauen nicht in die Augen zu schauen, da ich keine falschen Signale aussenden möchte. Ich habe die Tür fast erreicht, als sich plötzlich eine Blondine im roten Minikleid, das gerade mal das Nötigste verdeckt, vor mich stellt und den Ausgang versperrt. Ihre rotgeschminkten Lippen lächeln mich verschmitzt und etwas schmollend zugleich an und ihre grasgrünen Augen mustern mich von oben bis unten wie einen Gratishappen. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie kommt sie mir bekannt vor.

      „Entschuldigung, kennen wir uns irgendwoher?“, frage ich etwas unbeholfen und könnte mir im selben Moment in den Hintern treten, als mir klar wird, dass meine Frage wie ein einfallsloser Anmachspruch klingt. Ihre großen Lippen verziehen sich gespielt böse und sie fährt sich mit einer Hand durch ihr gewelltes, hüftlanges Haar, wobei mein Blick unweigerlich auf ihren übertriebenen Ausschnitt und auf ihre üppigen Brüste fällt. Peinlich berührt starre ich zur Seite, doch sie dreht mein Gesicht mit ihrer rechten Hand zu sich, sodass ich sie ansehen muss.

      „Na hör mal. Da versuche ich, dich den ganzen Abend zu betören, und du würdigst mich nicht mal eines Blickes! Stattdessen kommen deine dämlichen Kameraden und labern mich plump


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