Kann Mahler Monroe lieben?. C.-A. Rebaf

Kann Mahler Monroe lieben? - C.-A. Rebaf


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      Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig.

      Alle namentlich genannten Personen sind frei erfunden. Enthält deutliche Beschreibungen sexueller Handlungen und ist nur fürErwachsene geschrieben. Text und Buchumschlag: Alle Rechte bei C.-A. Rebaf 2017 - 2019 1. Auflage ,Leipziger (Gen-)Allerlei' mit Lektorat Christiane Lober, Halle 4. Auflage Lektorat Ralf Rabemann, Böblingen ISBN 978-3-7427-3365-8

      Widmung

      Für Sabeth in sehr tiefer Liebe.

      Unterwegs mit Erdfrüchten

      An einem warmen Spätsommertag wollte ich mich gerade zur nahe gelegenen Stadt begeben. Der Weg, der früher einmal eine asphaltierte Landstraße gewesen war, stellte heute nur noch eine Ansammlung von Schlaglöchern dar. Ich verließ soeben mein Dorf und passierte die letzte Hausruine an der Straße. Dann kamen die Felder, von denen nur einige bestellt waren. Dazwischen wuchs auffallend hohes Gebüsch, aus dem die neuen Baumriesen hervorragten. Der radioaktive Fall-out nach der Katastrophe soll deren Wachstum verursacht haben. Als diese Mutationen die ersten Male aufgetreten waren, hatte man sich noch gewundert. Heute, später, gehörten sie bereits zur normalen Landschaft: Bäume wie tropische Urwaldriesen standen jetzt hier in Oberbayern. In Hiroshima sollen nach dem Bombenabwurf auch überdimensional große Blumen geblüht haben. Aber das war ja lange, lange vor der Katastrophe gewesen, die nur wenige Menschen überlebt hatten. Die meisten waren allerdings an ihren Folgen, nicht am Ereignis selbst gestorben. Heute in der Zeit danach leiden wir immer noch sehr unter den Auswirkungen, sagten einige. Aber die meisten hatten sich wie ich arrangiert. Meine Eltern hatten die Katastrophe überlebt. Denn sie gehörten zu denen, die zunächst eine natürliche Toleranz gegenüber radioaktiver Strahlung aufwiesen. Nur solche Menschen überlebten. Aber auch meine Eltern sind inzwischen an den Spätfolgen gestorben. Ich hingegen war noch sehr klein gewesen, als es geschehen war, und habe ihre Resistenz-Gene wohl geerbt.

      Da blitzte mir in der Mittagssonne etwas Golden-Metallisches neben meinem Weg vom Feld her entgegen. Ein harter, scharfer Lichtstrahl, eine Reflexion blitzte dort kurz auf. Da hielt ich inne und ging auf das Feld: Das obere Ende eines Zylinders ragte dort aus der Erde. Offensichtlich war der Gegenstand durch das letzte Umpflügen an die Oberfläche geworfen, aber nicht beachtet worden. Eilig begann ich mit bloßen Händen zu graben und hielt kurz darauf einen knapp ein Meter langen Zylinder in der Hand. Er war aus Bronze oder Kupfer, und Grünspan bedeckte fast die gesamte Oberfläche. Warum blieb eine kleine Fläche des Metalls an der Oberseite frei, sodass ich die Lichterscheinung sehen konnte? Der Zylinder war in zwei Hälften geteilt; und seine Mitte war so gearbeitet, dass man sie aufschrauben können sollte. Das versuchte ich, aber es gelang mir nicht. Kurzerhand steckte ich das Ding in den Rucksack und ging meines Weges. Was mochte sich darin wohl befinden? Gold? Diamanten? Papiere?

      Von Ferne ragte ein ausgebrannter Kirchturm aus einer Ansammlung von Mauerresten. Das war sie, die nahe Kleinstadt oder – besser – war sie früher einmal gewesen. Nur wenige Häuser waren bewohnt. Wir brauchten die anderen Ruinen nicht mehr. Es lebte heute, nach der Katastrophe, vielleicht noch ein Prozent der Menschen, vielleicht auch weniger. Niemand wusste das so genau. Wir befanden uns wieder im Mittelalter, wohnen in kleinen Gruppen, fast ohne jegliche Vernetzung untereinander. Meine Eltern hatten mir einmal etwas von Reisen erzählt. Schon dieses Wort kannten wir eigentlich nicht mehr, denn man konnte nicht mehr reisen. Es gab keine Transportmittel und keine Straßen mehr. Früher sollte es möglich gewesen sein, sich wie ein Vogel auch durch die Lüfte fort zu bewegen. Das vermochte ich mir überhaupt nicht mehr vorzustellen. Wir pflegten nur noch zu Fuß zu gehen und legten auf diese Weise Entfernungen zurück, die wir in ein, maximal zwei Stunden schafften. Länger sollte man sich auch nicht an einem Stück draußen aufhalten.

      Es war ruhig hier auf meinem Fußmarsch, und so konnte ich mich ganz meinen Gedanken hingeben. Nur die Vögel zwitscherten. Ganz von ferne hinter mir hörte ich einen meiner Nachbarn mit seinem Paco-Paco ein Feld abernten. Ich kannte das Motorengeräusch. Nach der Katastrophe hat ein überlebender Südamerikaner diese Art Vehikel aus alten Schrottautos gebaut und ihm den Namen seiner Heimatsprache gegeben. ‚Paco-Paco‘ gab so wunderbar lautmalerisch das Geräusch des Diesels wieder. Diese Ungetüme bestanden aus einem alten Motor, der von einem Holzvergaser angetrieben wurde. Holz wuchs nach der Katastrophe in Hülle und Fülle hier. Wir brauchten es zum Heizen und für das wenige Licht am Abend. Normalerweise standen wir mit der Sonne auf, und wenn sie unterging, verlangsamte sich das Leben deutlich und wenig später gingen wir schlafen.

      Immer noch spürte ich in meinem Rucksack etwas – in diesem Fall unangenehm Hartes – an meine Rippen drücken. „Ach ja, da ist ja noch der verwunschene Metallzylinder!“, fiel es mir wieder ein.

      Nur unser Nachbar im Dorf besaß seinen Paco bei uns hier. Früher soll einmal jede Familie ein eigenes Auto besessen haben. Unglaublich! Sie hatten Treibstoff dafür an Tankstellen verkauft. Das kann ich mir nicht vorstellen. Woher kam gleich nochmal dieses Teufelszeug, das die Autos antrieb?

      Ich trug Kartoffeln auf dem Rücken, die ich in der Stadt eintauschen wollte. Dort gab es Händler, die in der Gegend umherstreiften und aus früheren Zeiten Nützliches aufspürten: einen Kochtopf, ein Ofenrohr, einen Ofen. Dieses Zeug lag in verlassenen Häuserruinen. Die Krämer sammelten alles ein und boten es auf dem Markt zum Tausch an.

      Herr Mayr, der Händler in der Nachbarstadt, zu dem ich jetzt gerade gehen wollte, hatte sich kürzlich auch einen Paco gekauft. Seine Geschäfte schienen gut zu laufen – sogar bis nach München. Aber das war auch gefährlich, weil es gerade dort immer noch außerordentlich hoch verstrahlt war. Doch diesen Umstand musste er in Kauf nehmen – Berufsrisiko. Außerdem war es sehr beschwerlich, auf diesen Straßen mit einem Paco vorwärts zu kommen. Mehr als Schritttempo war da sowieso nicht drin.

      So trödelte ich gedankenverloren vor mich hin und kam gerade an der ersten Hausruine der Stadt vorbei. Die meisten Häuser waren bis auf die Grundmauern abgebrannt. Früher hatte hier das sogenannte ‚italienische Viertel‘ von Weilheim gestanden. Heute sah es aus wie das ausgegrabene Pompeji. Nur einzelne Steinwände ragten mit hohlen Fensterlöchern wie übergroße Skelette ins ‚Stadtbild‘. Große Riesen, Holunderbüsche mit schweren Fruchtdolden, hatten die geschwärzten Wände begrünt.

      Mir fiel wieder der Metallzylinder ein. Was sich wohl darin befinden mochte? Doch ich musste mich noch gedulden.

      In meinem Rucksack hatte ich Kartoffeln, die in meinem Garten gewachsen waren. Die wollte ich bei Herrn Mayr gegen einen Ofen eintauschen. Nur ein paar Kilo als Qualitätsprobe trug ich jetzt zu ihm. Mayr sollte dann mit seinem Paco kommen, den Ofen bringen und die drei Säcke mitnehmen. Ich besaß ein großes Kartoffelfeld und brauchte für mich und meinen kleinen Jungen nur wenige Erdfrüchte den Winter über, sodass wir einen Überschuss hatten. Ein zweiter Ofen für unser Schlafzimmer wäre allerdings für die kalte Jahreszeit eine große Erleichterung gewesen. Das war mein Vorhaben.

      Ich träumte in der himmlischen Ruhe vor mich hin, als mich plötzlich ein ungewohntes Knattern aufschreckte: Ein mir unbekannter roter Paco-Paco mit einer Karosserie aus Sperrholz um den Fahrgastraum bahnte sich mühsam den Weg aus der Stadt in Richtung meines Dorfes und kam mir entgegen. Als er gerade an mir vorüber fuhr, sah ich einen Fahrer im Fond und einen unbekannten Mann auf dem Rücksitz.

      Sofort schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich dieses Gesicht schon einmal gesehen hätte. Aber wo nur? Der Fremde nickte mir ebenfalls gedankenverloren zum Gruß zu, und schon war das Gefährt an mir vorbei mit dem vorne offenen Zweizylinderdieselmotor, auf dem die Buchstaben M.A.N. noch deutlich zu sehen waren. Hinten auf einer Art Ladefläche befanden sich Holzscheite sowie das Ungetüm von Kessel, unter dem das Feuer brannte, eben der typische Holzvergaser. Gab es etwa einen Reisenden hier? Hier im Pfaffenwinkel? Was wollte hier jemand?

      Viele Fragen! Ich wanderte meines Weges und überlegte angestrengt, woher mir dieses Gesicht mit einer runden Nickelbrille und einer hohen Stirn so bekannt vorkam – doch ohne Ergebnis.

      Herrn


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